Ist Gott „schuld“ daran?
Inmitten internationaler Konflikte, massiver Entlassungen im öffentlichen Dienst und einem durch parteipolitische Blockaden gelähmten Kongress verlieren viele Menschen in den Vereinigten Staaten zunehmend das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit ihrer Institutionen. Angesichts dieser instabilen Zeiten fragen sich manche, ob es nicht an der Zeit ist, ihr Vertrauen statt in menschliche Systeme in eine höhere Macht zu setzen. Diese Überlegung scheint sich immer mehr in den Mainstream zu drängen.
„Gott hat einen Plan“
Der republikanische Abgeordnete Mark Alford richtete sich kürzlich an zahlreiche verärgerte Bundesangestellte, die durch die Umstrukturierungsmaßnahmen von Elon Musks Department of Government Efficiency (DOGE) von Entlassungen bedroht sind. Sein Rat an die Betroffenen? Kein Grund zur Sorge – Gott habe einen Plan für sie. Dass dieser Plan möglicherweise keine Anstellung bei der Bundesregierung umfasse, sei Teil des göttlichen Willens.
„Nur weil Sie einen Regierungsjob haben, heißt das nicht, dass Sie ihn auf Lebenszeit haben, wie das bei einem Obersten Gerichtshof der Fall ist“, erklärte Alford. „Deshalb möchte ich jeden, der sich in dieser Situation befindet, ermutigen, sich darüber klar zu werden, dass wir die Wirtschaft wieder in Schwung bringen werden. Es gibt Jobs. Gott hat einen Plan und ein Ziel für Ihr Leben.“
Für die Betroffenen klangen diese Worte jedoch wie blanker Hohn. Eine Frau aus dem Publikum erwiderte scharf: „Wir wollen Ihren Gott nicht.“ Ein anderer entlassener Mitarbeiter, der von den Lokalnachrichten interviewt wurde, reagierte noch deutlicher: „Wir brauchen keine Gedanken und Gebete … wir brauchen jemanden, der für uns eintritt.“
Diese Reaktionen verdeutlichen eine wachsende Kluft in Amerika – nicht nur in der Wirtschaftspolitik, sondern auch in der Frage, wie der Wille Gottes verstanden und interpretiert wird.
Ist eine höhere Macht am Werk?
Während Alfords Wähler in Kansas City Zweifel daran hegten, ob Massenentlassungen wirklich zu Gottes Plan gehörten, herrschte auf der Conservative Political Action Conference (CPAC) in Maryland eine ganz andere Stimmung. Hier wurde Elon Musks radikale Umstrukturierung der Regierung nicht als wirtschaftliche Krise gesehen, sondern als Teil einer höheren Mission.
„Gott sei Dank für Elon Musk“, erklärte John Paul Moran, ein Teilnehmer aus Massachusetts, begeistert. Eine andere Teilnehmerin, Kellie Kiefner, bezeichnete die Entlassungen als notwendiges Opfer: „Einige Menschen müssen vielleicht kurzfristig leiden, aber auf lange Sicht muss man das große Ganze im Auge behalten.“
Auch Präsident Trump hob diese Vorstellung einer göttlichen Vorsehung hervor. Nach einem Attentatsversuch im vergangenen Jahr erklärte er, sein Überleben sei kein Zufall gewesen: „Ich wurde von Gott gerettet“, sagte Trump, „um Amerika wieder groß zu machen.“ Für viele Gläubige sind die radikalen Veränderungen, die Amerika derzeit erlebt – von Trumps Bestreben nach einer zweiten Amtszeit bis zu Musks massiven Stellenkürzungen – kein Zeichen von Chaos, sondern vielmehr von einem göttlichen Plan.
Zwei Amerikas, ein Gott?
Diese tiefen Gegensätze spiegeln sich auch in der religiösen Wahrnehmung wider. Zwei verschiedene Orte, zwei unterschiedliche politische Lager und zwei völlig verschiedene Vorstellungen von Gottes Plan für die Zukunft Amerikas.
In Kansas City fühlten sich entlassene Arbeiter von Gott im Stich gelassen. Auf der CPAC hingegen wurde derselbe Umbruch als göttliche Vorsehung gepriesen. Beide Gruppen berufen sich auf Gott, doch die Art und Weise, wie sie seinen Willen interpretieren, könnte unterschiedlicher kaum sein.
Für manche Menschen bedeutet Glaube Sicherheit und Stabilität – die Hoffnung, dass Institutionen bestehen bleiben und die schützen, die auf sie angewiesen sind. Für andere hingegen ist Glaube gleichbedeutend mit Umbruch – dem Wunsch, die bestehende Ordnung zu zerstören, um Platz für etwas Neues zu schaffen. Während die einen für Sicherheit beten, beten die anderen für eine Revolution.
So stehen sich zwei Amerika gegenüber: Die einen sehen in Entlassungen im öffentlichen Dienst eine vermeidbare Krise, die anderen ein notwendiges Opfer auf dem Weg zu einer göttlich inspirierten Erneuerung. In einer Nation, die sich zunehmend polarisiert, bleibt die Frage bestehen: Ist Gott „schuld“ daran? Oder ist es der Mensch, der seinen Willen missversteht?
Die Antwort darauf bleibt – wie so vieles in dieser unruhigen Zeit – offen.