Österreich: „Kirchliches Versagen einbekennen“
Die Bischofskonferenz gesteht das „Versagen“ der katholischen Kirche angesichts des Austrofaschismus vor neunzig Jahren ein.
Am 1. Mai 1934 trat die sogenannte „Maiverfassung“ in Kraft, durch die unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß der nach ständisch-faschistischen Prinzipien gebildete „Bundesstaat Österreich“ etabliert werden sollte.
Der Salzburger Erzbischof und Vorsitzende der Bischofskonferenz Franz Lackner erklärte dazu an diesem Montag: „Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Kirche haben in den Tagen des Austrofaschismus in großer Einseitigkeit der unter dem Deckmantel vermeintlich christlicher Politik agierenden Diktatur das Wort geredet und danach gehandelt – dieses Versagen müssen wir als Glaubensgemeinschaft bekennen“.
„Evangelium lässt sich nicht einsperren“
Aus der Geschichte der Ersten Republik lerne man, „dass eine enge Verquickung von Parteipolitik und Kirchenamt für beide Seiten nicht von Vorteil ist. Das Evangelium lässt sich nicht in die Politik einzelner Parteien gießen, gleichsam einsperren“, so Lackner. Die Ereignisse, die vor 90 Jahren Österreich „auf die Bahn in Richtung des mörderischen Abgrunds der nationalsozialistischen Diktatur und des Weltkriegs führten“, seien „Warnung und mahnender Ansporn“.
Die Kirche sei dazu angehalten, „mit allen politischen Kräften dieses Landes, die seinen demokratischen sowie die Menschenrechte und -würde achtenden Prinzipien verpflichtet sind, am Aufbau des Gemeinwohls“ zusammenzuarbeiten. Für die Gesellschaft als Ganze gelte es, „dass wir stets auf der Hut sein müssen, uns nicht erneut in derartige Spaltungen und Dämonisierungen der Andersmeinenden zu verirren“.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz verwies auf den derzeit in der katholischen Kirche laufenden Synodalen Prozess. Die Ansätze synodaler Gesprächs- und Austauschkultur, in denen sich die Kirche üben will, seien auch für das säkulare Miteinander geradezu angeraten, zeigte sich Lackner überzeugt: „Der Abschied von 100-Prozent-Antworten, das Bewusstsein um die je eigene Ergänzungsbedürftigkeit und Andockfähigkeit auf andere hin vermögen uns bei der Überwindung der Risse, die sich durch unsere Gesellschaft ziehen, zu helfen.“
Keine Rückkehr zum Staatskirchentum
Lackner erinnert daran, dass am 1. Mai 1934 Bundespräsident Wilhelm Miklas auch das im Juni des Vorjahres zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl geschlossene Konkordat für ratifiziert erklärte. Diese Regelung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat wurde von den freien Regierungen der Nachkriegszeit in den wesentlichen Punkten aufrechterhalten und sei so letztendlich zu einem Garanten für eine „freie Kirche in einer freien Gesellschaft“ geworden, wie es das Mariazeller Manifest von 1952 ausdrücke.
In diesem Manifest habe die Kirche erklärt, sie wolle keine Rückkehr zum Staatskirchentum, zum Bündnis von Thron und Altar, zum Protektorat einzelner Parteien über die Kirche, und zu allen gewaltsamen Versuchen, vermeintlich christliche Grundsätze auf rein organisatorischer und staatlicher Basis umsetzen zu wollen. Auch heute erklärt sich die Kirche ohne Abstriche dieser selbstgegebenen Zielsetzung verbunden, so Lackner: „Den Wert der freien Religionsausübung vermögen wir gerade heute wieder zu schätzen, wenn wir sehen, wie sehr der christliche Glaube, und nicht nur dieser, an verschiedensten Orten immer wieder bedroht und bekämpft wird, oder aber auch der politischen Vereinnahmung und Gängelung ausgesetzt ist.“