Papst Clemens V.
Ein Papst zwischen Macht und Manipulation
Papst Clemens V., geboren als Bertrand de Got, war eine der umstrittensten Persönlichkeiten der Kirchengeschichte. Sein Pontifikat (1305–1314) fiel in eine Zeit tiefgreifender politischer Umbrüche und Intrigen, geprägt von der zunehmenden Macht des französischen Königs Philipp IV. (der Schöne) und dem Beginn des Avignonesischen Papsttums. Clemens V. wird häufig als schwacher Papst dargestellt, der unter dem Druck Philipps handelte und dessen politischen Zielen nachgab, insbesondere bei der Auflösung des Templerordens.
1. Aufstieg zum Papsttum
Bertrand de Got wurde um 1264 in Gascogne geboren und entstammte einer kleinen Adelsfamilie. Er erhielt eine exzellente Ausbildung in römischem Recht an den Universitäten von Bologna und Orléans. Seine juristische Ausbildung machte ihn zu einem fähigen Administrator und prägte seine spätere Amtsführung.
- Kirchliche Laufbahn:
- Kaplan von Papst Bonifatius VIII.
- 1295: Bischof von Comminges
- 1299: Erzbischof von Bordeaux
Die Wahl zum Papst im Jahr 1305 war von politischen Kompromissen geprägt. Clemens V. war weder Kardinal noch gehörte er einer der dominierenden römischen Adelsfamilien an. Die französischen Einflüsse, insbesondere von Kardinal Napoleone Orsini und Philipp IV., waren entscheidend für seine Ernennung.
2. Das Papsttum im Bann Frankreichs
Nach seiner Wahl verweigerte Clemens V. die Reise nach Rom und hielt sich stattdessen in Frankreich auf. Im Jahr 1309 verlegte er den päpstlichen Sitz offiziell nach Avignon, was das sogenannte Avignonesische Papsttum (1309–1377) einleitete. Diese Verlagerung der päpstlichen Residenz schwächte die Unabhängigkeit des Heiligen Stuhls und stärkte den Einfluss des französischen Königs.
- Politische Abhängigkeit:
Clemens V. war stark von Philipp IV. abhängig, der den Papst als politisches Werkzeug zur Durchsetzung seiner Interessen nutzte. - Verwandtenbegünstigung:
Clemens besetzte wichtige Ämter in der Kirche mit seinen Verwandten und schuf so ein Netzwerk aus Loyalität und Vetternwirtschaft.
3. Die Zerstörung des Templerordens
Einer der dunkelsten Momente des Pontifikats von Clemens V. war die Verfolgung und Auflösung des Templerordens.
3.1 Hintergrund der Verfolgung
- Philipp IV. war hoch verschuldet und sah in den umfangreichen Besitztümern des Templerordens eine Möglichkeit, seine finanziellen Probleme zu lösen.
- Gerüchte und Anschuldigungen gegen die Templer – darunter Ketzerei, Götzendienst und unmoralische Rituale – wurden von Philipps Beratern gezielt verbreitet.
3.2 Die Rolle von Clemens V.
- Clemens war zunächst zögerlich und schien die Templer schützen zu wollen.
- Auf Druck Philipps ordnete er jedoch 1307 die Verhaftung der Templer an und setzte eine Untersuchungskommission ein.
- Der Papst erlaubte schließlich die Anwendung der Folter, um Geständnisse zu erzwingen.
- Auf dem Konzil von Vienne (1311–1312) löste Clemens V. den Templerorden offiziell auf.
3.3 Der Fall von Jacques de Molay
Der letzte Großmeister des Templerordens, Jacques de Molay, wurde im Jahr 1314 verbrannt. Molay verfluchte dabei Philipp IV. und Clemens V., was später als Prophezeiung angesehen wurde, da beide noch im selben Jahr starben.
4. Das Avignonesische Papsttum
Mit der Verlegung des päpstlichen Sitzes nach Avignon begann eine neue Ära in der Geschichte der Kirche:
- Politische Kontrolle durch Frankreich: Die Päpste wurden zunehmend als „Marionetten“ der französischen Krone wahrgenommen.
- Finanzielle Abhängigkeit: Hohe Steuern und Abgaben belasteten die Kirche und führten zu wachsender Kritik an der päpstlichen Politik.
- Misserfolg bei den Kreuzzügen: Clemens V. versuchte vergeblich, einen neuen Kreuzzug zu organisieren.
5. Charakter und Führungsstil
Clemens V. wird oft als schwacher und manipulierbarer Papst dargestellt:
- Persönlichkeit: Freundlich, nachgiebig und häufig krank.
- Politische Inkompetenz: Clemens hatte Schwierigkeiten, eigenständige politische Entscheidungen zu treffen und sich gegen den französischen Einfluss zu behaupten.
- Finanzielle Verschwendung: Hohe Ausgaben für seine Familie und die Kurie brachten Clemens den Ruf eines habgierigen Papstes ein.
- Familiäre Begünstigungen: Zahlreiche Verwandte erhielten von ihm wichtige kirchliche Ämter.
6. Das Ende von Clemens V.
Clemens V. starb am 20. April 1314 in Roquemaure. Sein Tod war von düsteren Omen begleitet:
- Während seiner Beerdigung kippte ein Leuchter um und setzte seinen prächtig aufgebahrten Leichnam in Brand.
- Viele sahen darin die göttliche Strafe für seine Rolle bei der Zerstörung des Templerordens.
Sein Vermögen wurde von seiner Dienerschaft und seinen Verwandten geplündert, und nur ein geringer Teil floss zurück an die Kirche.
7. Historische Bewertung
Das Pontifikat von Clemens V. wird bis heute kontrovers bewertet:
- Negative Aspekte:
- Seine Abhängigkeit von Philipp IV.
- Die Auflösung des Templerordens
- Korruption und Vetternwirtschaft
- Positive Aspekte:
- Bemühungen um einen neuen Kreuzzug (wenn auch erfolglos)
- Administrative Reformen innerhalb der Kurie
Der französische Einfluss auf das Papsttum, der unter Clemens V. begann, prägte die Kirche noch viele Jahrzehnte. Sein Name bleibt untrennbar mit dem Fall des Templerordens und dem Beginn des Avignonesischen Exils verbunden.
Fazit
Papst Clemens V. war ein Gefangener seiner Zeit, gefangen zwischen der Macht des französischen Königs und den Anforderungen seines Amtes. Obwohl er zweifellos ein kluger Jurist und fähiger Verwalter war, fehlte ihm die Stärke und Unabhängigkeit, um den Herausforderungen seiner Amtszeit gerecht zu werden. Sein Pontifikat markiert einen Wendepunkt in der Kirchengeschichte und zeigt, wie eng die Schicksale von Religion und Politik miteinander verflochten sein können.