Sehen mit großem Schrecken die Tiefe des Hasses
Kardinal Marx ruft im Heiligen Land zu Frieden und Versöhnung auf
Am Palmsonntag, einem der bedeutendsten Tage der christlichen Fastenzeit, richtete Kardinal Reinhard Marx einen eindringlichen Appell an Gläubige aller Religionen – Christen, Juden und Muslime. Auf dem Domvorplatz in München sprach der Erzbischof von München und Freising vor zahlreichen Gläubigen über die Notwendigkeit, die Stimme der Religionen für den Frieden zu erheben, besonders im kriegsgeplagten Heiligen Land.
Ein Ruf zur Versöhnung aus dem Herzen der Karwoche
Mit ernster Stimme erinnerte Kardinal Marx an das unermessliche Leid, das die Menschen im Nahen Osten derzeit ertragen müssen. „Wir sehen mit großem Schrecken die Tiefe des Hasses“, sagte er in seiner Begrüßung. Er sprach von „unendlicher Verwüstung“ und von einem „tiefen Schmerz“, der nicht nur die Region, sondern auch die Herzen der Menschen weltweit erschüttere.
Er bat eindringlich um die Freilassung der israelischen Geiseln und darum, das Leiden der Zivilbevölkerung zu lindern – in Gaza, im Westjordanland, an der Grenze zum Libanon. Dabei betonte er, dass es gerade jetzt der Stimme der Religionen bedarf, um Hoffnung, Versöhnung und Menschlichkeit zu bewahren.
Wo ist die Stimme der Religionen?
„Wo ist die Stimme der Religionen?“, fragte Marx – nicht als Anklage, sondern als drängende Erinnerung an die Verantwortung der Glaubensgemeinschaften. Er äußerte seine Hoffnung, dass es trotz aller Gräueltaten möglich sei, dass Menschen über ihren Schmerz hinauswachsen und sich für den Dialog entscheiden. „Trotz all der Schrecklichkeiten, die sie einander angetan haben und weiter antun“, so Marx, brauche es Brückenbauer, Hoffnungsträger, Zeugen des Friedens.
Er forderte die Gläubigen auf, insbesondere während der Karwoche, den Blick auf die Heimat Jesu zu richten – jenen Ort, an dem er aufgewachsen ist, gelebt und gelitten hat, und an dem seine Botschaft von Liebe und Vergebung ihren Anfang nahm. „Geben wir die Hoffnung nicht auf, dass Frieden möglich ist – gerade im Heiligen Land“, mahnte der Kardinal.
Eine lebendige Botschaft für die Gegenwart
In seiner Palmsonntagspredigt schlug Kardinal Marx die Brücke zwischen der Passion Christi und der heutigen Welt. Die letzten Tage Jesu, so erklärte er, seien nicht das Ergebnis eines unausweichlichen Schicksals gewesen, sondern das Resultat menschlicher Entscheidungen – von Angst, Machtinteresse und Abgrenzung.
Jesus sei als gläubiger Jude gestorben, genau wie Maria und Petrus. Seine Botschaft war kein Angriff auf das Judentum, sondern ein Zeichen für radikale Offenheit, für die Freiheit eines Menschen, der sich ganz Gott anvertraut. Diese Haltung habe ihn in Konflikt mit jenen gebracht, die sich als alleinige Verwalter des Reiches Gottes verstanden – sowohl unter den römischen Besatzern als auch unter religiösen Führern, die ihre Machtposition über das Volk stellten.
„Hier schlägt das Herz unseres Glaubens“
Die Karwoche, so Marx, sei daher nicht nur ein liturgisches Ritual, sondern eine lebendige Einladung an jeden Christen, das eigene Leben zu hinterfragen. „Diese Botschaft geht auch uns an“, sagte er. Wie gehen wir mit Macht um? Wo sprechen wir von Frieden, aber leben in Abgrenzung? Wo verlieren wir den Blick für das Leiden der anderen?
„Hier schlägt das Herz unseres Glaubens“, betonte der Kardinal. In der Erinnerung an das Leiden und die Auferstehung Christi liegt die Kraft, der Welt mit offenem Herzen zu begegnen – und der Hassspirale mit Mut, Glaube und Nächstenliebe zu trotzen.
Fazit: Die Hoffnung nicht aufgeben
Kardinal Marx’ Worte waren mehr als eine Predigt – sie waren ein Aufruf zum gemeinsamen Gewissen. In einer Zeit, in der Fronten sich verhärten und Wunden immer tiefer werden, braucht es Stimmen, die an das Verbindende erinnern. Die Stimme der Religionen kann und muss hier ein Werkzeug der Versöhnung sein.
„Geben wir die Hoffnung nicht auf.“ Diesen Satz sollten wir in diesen Tagen in unseren Herzen tragen – als stilles Gebet und als Auftrag zum Handeln.