✠✠✠✠✠✠ ASTO TEMPLER-BLOG ✠✠✠✠✠✠

⚔️ Gedanken am 14. Oktober

Nicht verletzen – die natürliche Folge der Tugend

Nachdem wir uns in den vergangenen Tagen mit der Kultivierung der Tugend und mit der wohlwollenden Güte beschäftigt haben, ist es nun an der Zeit, den nächsten Schritt zu betrachten: das Handeln, das nicht verletzt.

Auf den ersten Blick scheint es selbstverständlich: Wer Güte übt, wird niemandem Schaden zufügen wollen. Doch die Wirklichkeit ist weitaus komplexer. Das Leben stellt uns immer wieder in Konfliktsituationen, in denen wir spüren, wie schwierig es ist, die Balance zwischen unserem Ideal und den rauen Umständen der Welt zu halten.

Die Seele wächst im Konflikt

Gerade durch die Auseinandersetzung mit schwierigen Fragen und durch das Ringen zwischen Gut und Böse wächst die Seele. Ein Leben ohne Spannungen und Prüfungen würde uns nicht formen, nicht läutern. Der Weg des Templers ist daher nicht, Konflikten auszuweichen, sondern ihnen mit Klarheit und Mitgefühl zu begegnen.

Ein Beispiel hierfür sind die fanatischen Abtreibungsgegner in den USA: Viele von ihnen handeln aus einem aufrichtigen Wunsch, das Leben zu schützen. Doch indem sie Frauen beschimpfen, blockieren oder gar körperlich bedrohen, verletzen sie jene Menschen, die sie eigentlich retten wollen. Sie rationalisieren ihr Verhalten mit dem Gedanken, dass durch ihre Härte künftiges Leben bewahrt werde. Doch in Wahrheit widersprechen sie damit dem Grundsatz des Nichtverletzens, der niemals nur auf das zukünftige Leben, sondern immer auch auf das gegenwärtige Leben gerichtet sein muss.

Nichtverletzen als spirituelle Disziplin

Nichtverletzen bedeutet mehr, als nur physische Gewalt zu vermeiden. Es schließt auch das Wort ein, das verletzen kann wie ein Schwert, und den Gedanken, der Hass oder Verachtung nährt. In der Templertradition wissen wir: Jede Verletzung, die wir verursachen, hinterlässt Spuren – nicht nur im Anderen, sondern auch in uns selbst.

Darum ist Nichtverletzen eine spirituelle Disziplin, die uns zwingt, stets tiefer zu sehen: Was treibt mich an? Handle ich aus Liebe oder aus Angst? Aus Mitgefühl oder aus Selbstgerechtigkeit?

Tägliche Templerarbeit

  • Verweile für ein paar Minuten in der Shamatha-Vipassana-Meditation.

  • Stell dir vor, du seist eine 40-jährige alleinstehende Frau, die infolge einer Vergewaltigung schwanger geworden ist. Du versuchst, eine Klinik zu betreten, aber eine Gruppe von Abtreibungsgegnern stellt sich dir in den Weg, beschimpft dich, nennt dich Mörderin. Spüre ihre Worte, ihre Blicke, ihr Urteil.

  • Nun schlüpfe in die Rolle des Abtreibungsgegners: Du bist überzeugt, dass du mit deinem Verhalten Seelen vor der Hölle rettest und ungeborenem Leben eine Zukunft gibst. Spüre deine Ernsthaftigkeit, aber auch die Härte deines Vorgehens.

  • Als nächstes stell dir vor, du seist die Seele des ungeborenen Kindes, das vielleicht in diese Welt eintreten will – oder bewusst darauf verzichtet. Spüre die Größe dieser Perspektive.

  • Schließlich stelle dir ein respektvolles Gespräch zwischen allen Beteiligten vor: der Frau, dem Abtreibungsgegner und der Seele. Lausche, was geschieht, wenn jeder sich wirklich gehört und gesehen fühlt.

Schlussgedanke

Das Nichtverletzen ist kein einfacher Weg. Es fordert uns heraus, unsere Urteile zu hinterfragen und auch in den schwierigsten Fragen Mitgefühl als oberstes Maß gelten zu lassen. Ein Templer weiß: Nur wenn wir dem Leben in all seinen Formen Achtung entgegenbringen, können wir das Reich des Friedens und der Gerechtigkeit auf Erden vorbereiten.

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