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Berry Stundenbuch: JULI

Das ist Poitiers, das mit seiner dreieckigen Grundrissform so
seltsame Wasserschloss des Herzogs. Eingebettet in eine romantische
Landschaft, liegt es, vor dem Zwickel zweier Anhöhen,
am Zusammenfluss des Ciain und der Boivrc. Keineswegs drohend
oder gewaltig, eher in sich verschlossen und die Wehrmöglichkeiten
verbergend, bietet sich dieses Wahrzeichen schicksalschwerer
und wechselvoller französischer Geschichte dem Betrachter
dar. Nicht weit von hier errang Karl Martell den für das
gesamte Abendland entscheidenden Sieg über die Araber. 1356
hingegen vernichteten die Engländer, unter Führung des schwarzen
Prinzen, das französische Heer bei Maupertuis, einer in der
Nähe liegenden Ortschaft. Nur wenige Jahre, nachdem dann
diese Miniatur gemalt worden war, erkor sich Karl VII., in der
Zeit tiefster Not und Erniedrigung, Poitiers zu seinem Sitz, bis
ihm Jeanne d’Arc durch ihre Siege ermöglichte, die Städte seines
Reiches wieder in Besitz zu nehmen. Wer vermöchte sich angesichts
dieses Ortes des Ansturmes solcher die Geschichte heraufbeschwörenden
Gedanken zu erwehren! Die Burg Poitiers stand
schon im 12. Jahrhundert, wurde aber in der Zeit, als sie dem
Herzog von Berry gehörte, wesentlich umgebaut, was vor allem
an den fialengeschmückten Lukarnen des einen Daches und jenen
der drei abschliessenden Rundtürme kenntlich ist. Reizend wirkt,
wie immer bei dem Künstler, die Genauigkeit, mit der er sich
in die Einzelheiten vertiefte. So gewahrt man noch deutlich,
dass die hölzerne, auf Steinsockeln ruhende Brücke sowohl bei
der Schlossmauer wie auch an der Uferscite bei Gefahr leicht
unterbrochen werden konnte. Unter dem vom Wasser umspülten
Nebengebäude steht rechts eine Kapelle. Auf dem von kleinen
Kopfweiden umsäumten Weizenfeld, das wieder winkelig in den
Hintergrund weist und dadurch eine Art Tiefenwirkung erzielt,
schneiden zwei Männer mit Sicheln den reifen, aber kaum kniehohen
Weizen. Aus dem Goldgelb der Halme leuchten die roten
Blüten des wilden Mohnes. Die Arbeit dieser Schnitter versinnbildlicht
den Monat Juli, wogegen die Schafschur, die ja gewöhnlich
nicht in die sommerliche Zeit fällt, wahrscheinlich
rein bereichernden Charakter hat. Insbesondere ist es das tiefblaue
Kleid der Frau, das mit dem weiten Wurf sich sanft
bauschender Stoffalten den Vordergrund belebt.

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