Das machen deine Hormone mit dir
Die Hormone spielen verrückt – und wir gleich mit. Schlechte Stimmung, Schlafstörungen, Stress. Wir schauen uns die wichtigsten Hormone genau an.
Wie ist unser Hormonsystem aufgebaut?
Jeden Tag produziert der Körper Hormone, damit wir leben können. Sie regulieren den Herzschlag, den Blutdruck, den Energiehaushalt, die Fortpflanzung. Schon am Morgen wird Cortisol ausgeschüttet. Es macht uns wach. Und abends macht uns Melatonin wieder müde. Mit jeder Mahlzeit erhöht sich vorübergehend der Insulin-Spiegel – vor allem wenn wir etwas Süßes naschen. Und wenn Frauen kurz vor dem Eisprung stehen, steigt Östrogen rasant an. Das kann auch die Lust anregen.
Unser Körper produziert eine Vielzahl an Hormonen, aber es gibt welche, die wichtiger und bekannter sind als andere. Dazu zählen unter anderem Testosteron, Östrogen, Cortisol, Melatonin, Insulin sowie Thyroxin und Trijodthyronin.
Aber wofür genau brauchen wir sie?
Zellen müssen miteinander kommunizieren – und dafür gibt es im Körper mehrere Systeme. Eines davon ist das Nervensystem, bei dem Neurotransmitter über den synaptischen Spalt Informationen austauschen. Ein anderes das Hormonsystem, bei dem Botenstoffe über das Blut zu den Organen in unsere Körper transportiert werden. Die Lehre von den Hormonen heißt Endokrinologie.
So steuert das Gehirn die Hormone
Kälte, Hitze, Angst, Bedrohung und die Vermehrung stehen unter Kontrolle des Gehirns. Schrillt zum Beispiel hinter uns die Sirene eines Krankenwagens los, wird das Signal an den Thalamus – das Tor unseres Bewusstseins – weitergeleitet. Der ist die wichtigste Verbindungsstelle, an der Nerven- und Hormonsystem miteinander kommunizieren können, denn an vielen anderen Stellen im Körper trennt die Blut-Hirn-Schranke die beiden Systeme – damit Krankheitserreger nicht ins Gehirn vordringen können.
Die neurosekretorischen Zellen im Thalamus empfangen die Signale aus dem Nervensystem und schütten daraufhin in der Hypophyse, auch Hirnanhangdrüse genannt, Hormone aus. Es ist der Beginn einer Kettenreaktion, an dessen Ende unsere Hände schwitzen werden und wir hektisch versuchen, dem Krankenwagen zu entkommen.
Hormone lassen sich gar nicht so einfach messen
Einmal im Blut, werden die Hormone zu ihren Zielorganen transportiert – manche brauchen dafür aber ein Transportvehikel. Oft gibt es aber mehr Transportvehikel als Hormone. Dadurch ist es schwer, die aktiven Hormone zu messen. Denn es kann nur die Summe von Transportvehikeln und freien Hormonen gemessen werden.
„Der Hormonwert allein sagt zudem noch nicht aus, ob beispielsweise ein Mangel vorherrscht“, sagt Prof. Dr. Stephan Petersenn von der Praxis für Endokrinologie in Hamburg und Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. „Die Konzentration im Blut kann über den Tag schwanken und auch die Rezeptormenge muss zur Hormonmenge passen.“
Denn jede Zelle hat Rezeptoren, an denen die Hormone nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip andocken können. Gibt es nur wenige, bewirkt auch eine Hormonzufuhr nicht viel. Manche Menschen nehmen trotzdem ohne ärztliche Anweisung Hormone. Sie wollen mit einer Selbstmedikation deren positive Effekte verstärken und vergessen dabei die negativen. Ein Zuviel des Schilddrüsenhormons Thyroxin bewirkt beispielsweise einen Gewichtverlust – aber auch Durchfall, Zyklusstörungen, Haarausfall und innere Unruhe.
Wie wirkt Testosteron in unserem Körper?
Oft liest man: Testosteron macht wild, egoistisch und aggressiv. Je mehr Testosteron, desto besser der Sex oder die sportliche Spitzenleistung. Und Testosteron verbessert das räumliche Denkvermögen. Viele Mythen ranken sich um das Hormon. Doch was stimmt wirklich?
Zuerst einmal: Testosteron ist eines der wichtigsten männlichen Geschlechtshormone, doch auch Frauen produzieren Testosteron. Allerdings vorwiegend in der Nebennierenrinde und in viel geringeren Konzentrationen als der Mann, wo Testosteron in den Hoden entsteht.
Ob vermehrt Testosteron produziert wird und sich somit Hoden, Prostata und Penis entwickeln, entscheidet sich vor der Geburt am X- oder Y-Chromosom. Denn auf dem Y-Chromosom befindet sich unter anderem das SRY-Gen, das zu einer erhöhten Testosteron-Produktion führt. Fehlt dieses Gen und wird kein Testosteron produziert, bilden sich aus den Urgonaden die weiblichen Geschlechtsorgane.
Doch für was ist Testosteron jetzt gut? Allem voran für die Fortpflanzung.
Testosteron schwindet: Auch Männer haben Wechseljahre
In der Pubertät steigt der Testosteronspiegel an, Hoden und Penis vergrößern sich, Jungen kommen in den Stimmbruch, ein Bart wächst. Ab jetzt bauen Männer schneller Muskulatur auf, denn durch Testosteron erhöht sich der IGF-1-Spiegel, der dazu führt, dass die in der Muskulatur vorhandenen Zellen schneller wachsen.
Im Alter, wenn das Testosteron schwindet, merken viele Männer nur schleichend die körperlichen Änderungen, auch weil die männlichen Wechseljahre (ja, auch bei Männern gibt es Wechseljahre!) nicht so abrupt beginnen wie bei der Frau. Bei einem Testosteronmangel lässt meist als erstes das sexuelle Verlangen nach, dann bildet sich die Muskulatur zurück, manchen Männern fällt es schwerer, sich zu konzentrieren.
Neben dem Alter kann auch Drogenmissbrauch, schwere Unterernährung, Leberzirrhose, eine Schädigung der Hypophyse durch eine Gehirnverletzung oder eine Unterfunktion der Hoden dazu führen, dass weniger und sogar zu wenig Testosteron produziert wird. Diagnostiziert ein Arzt oder eine Ärztin einen Mangel, wird dieser im Normalfall mit der Zugabe des Hormons behandelt.
Egal, welches Geschlecht – Testosteron beeinflusst die Sexualität
Testosteron zählt zu den Steroidhormonen, welche die Blut-Hirn-Schranke passieren können, und so auch direkt auf das Gehirn wirken. Viele Studien haben deshalb die Wechselwirkung zwischen dem Hormon und dem Verhalten von Männern untersucht. Zum Beispiel, welche Auswirkungen das Hormon auf sexuelle Fantasien und das Verlangen hat.
Generell hängt das menschliche Sexualverhalten von vielen Faktoren ab. Von Neuropeptiden wie Serotonin oder Dopamin. Von der Erziehung. Aber eben auch von Testosteron. Vor allem die Libido hängt eng mit dem Hormon zusammen.
Auch für die weibliche Sexualität spielt Testosteron eine wesentliche Rolle. Frauen, bei denen die Eierstöcke entfernt wurden, zeigten nach der Einnahme von geringen Mengen an Testosteron ein gesteigertes Verlangen im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Andersherum wirkt sich aber auch unser Verhalten auf die Hormonproduktion aus.
Testosteron, Gehirn, Psyche
Männer haben ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen, Frauen können nicht einparken – diese Vorurteile hängen auch mit der Wirkung von Testosteron zusammen. Das Hormon beeinflusst zu einem gewissen Grad das räumliche Denken und die mathematischen Fähigkeiten, denn es sorgt dafür, dass die entsprechenden Hirnzentren besser durchblutet werden.
So schnitten Männer mit Testosteronmangel bei einem Kartenrotationstest, der das räumliche Vorstellungsvermögen testete, deutlich schlechter ab. Aber: Viele verschiedene Faktoren wirken auf die kognitiven Fähigkeiten. Geschlechterrollen, das Training der entsprechenden Bereiche, die Gene. Testosteron erhöht lediglich die Wahrscheinlichkeit für ein Verhalten oder den Zugriff auf bestimmte Fähigkeiten.
Macht Testosteron gewaltbereiter?
Oft hört man auch: Wer mehr Testosteron im Blut hat, sei gewaltbereiter. Gestützt wurde das lange durch Studien, die einen direkten Zusammenhang behaupteten. Doch so klar ist das nicht. Eine hohe Testosteron-Konzentration im Blut bedeutet noch nicht, dass sie auch im zentralen Nervensystem erhöht ist.
Gerade die ist aber wichtig für die Frage, welchen Effekt Testosteron auf unser Verhalten hat. Aus ethischen Gründen können Ärzte aber für diesen Zweck nicht einfach Gewebe aus unserem Hirn entnehmen, sie brauchen andere Wege.
Zum Beispiel untersuchten Wissenschaftler:innen, ob sich mit dem Anstieg des Testosteronspiegels in der Pubertät auch die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen erhöht – und stellten keinen Zusammenhang fest.
Führt Testosteronmangel zu Depression?
Auch dieser Zusammenhang ist noch nicht geklärt. Beeinflusst die Hormonkonzentration die Krankheit – oder ist es genau umgekehrt? Es gibt Studien, die dafür sprechen, dass ein Testosteronmangel das Risiko für Depressionen erhöht. Beispielsweise haben sich bei Probanden, die Testosteron einnahmen, die depressiven Symptome gebessert.
Es gibt aber auch Studien, die dagegensprechen. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass der relevantere Faktor nicht die Testosteronmenge ist, sondern die Anzahl der Rezeptoren, an die Testosteron andocken kann.
Wie wirkt Östrogen in unserem Körper?
Die meisten wissen vermutlich: Östrogen reguliert den weiblichen Zyklus. Aber das weibliche Sexualhormon kann noch viel mehr: Es fördert zum Beispiel das Gedächtnis und Forschende vermuten sogar, dass es gegen Covid-19 schützt. Wenn nach der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren der Spiegel sinkt, kann das deshalb auch gravierende Folgen haben. Aber der Reihe nach.
Östrogen besteht aus den drei Hormonen Östradiol, Östron und Östriol – wobei Östradiol die stärkste Wirkung auf den Körper hat. Es wird vor allem in den Eierstöcken und während der Schwangerschaft in der Plazenta gebildet. Bei Männern wird Testosteron durch das Enzym Aromatase im Fettgewebe zu Östradiol umgewandelt. Wichtig ist Östradiol für beide Geschlechter.
Bei der Frau steigt der Östrogenspiegel während der Pubertät an, es kommt zur Ausbildung der Hüften, dem Wachstum der Brüste und der Regelblutung. Ab jetzt schwankt der Östrogen-Spiegel mit dem Zyklus.
Östrogenmangel und Kinderwunsch
Liegt ein Östrogenmangel vor, dann reifen nur selten Eizellen heran und die Gebärmutterschleimhaut wird nicht genügend auf die Einnistung des Embryos vorbereitet. Für die Frau ist es schwieriger, schwanger zu werden. Dabei spielt auch das Milchdrüsenhormon Prolaktin eine wichtige Rolle.
Ein anderer Grund für einen unerfüllten Kinderwunsch ist die Krankheit Endometriose. Bei rund zehn bis fünfzehn Prozent der Frauen reagieren auch Zellen außerhalb der Gebärmutter auf Östrodiol. Es bilden sich Gewebeinseln, auch bekannt als Endometriose-Herde, die zu starken Schmerzen während der Monatsblutung oder beim Geschlechtsverkehr führen können.
Wie Östrogen die Knochen stabiler macht
Mit den Wechseljahren sinkt der Östrogenspiegel wieder, es kommt zu Stimmungsschwankungen, Erschöpfung, Hitzewallungen, Scheidentrockenheit und Knochenschwund. Innerhalb der Menopause verringerte sich die Knochendicke am Oberschenkelhals durchschnittlich um 5,8 Prozent – und an der Lendenwirbelsäule um etwa sieben Prozent. Zudem kommt es vermehrt zu Hüft- und Wirbelbrüchen.
Ärzte und Ärztinnen können deshalb während der Wechseljahre eine Hormontherapie verschreiben, um unter anderem dem Knochenschwund entgegenzuwirken – allerdings in Abwägung mit den Nebenwirkungen einer solchen Behandlung. Östrogen hat einen direkten Effekt auf Zellen, die für den Umbau der Knochen verantwortlich sind.
Nicht nur Frauen brauchen Östrogen, damit ihr Skelett stabil bleibt, auch Männer brauchen das Hormon. So erhöhte sich bei Patienten mit Prostatakrebs die Knochendichte, nachdem sie mit Östradiol behandelt worden waren.
Schützt Östrogen vor Schmerz, Krankheiten und Covid-19?
Frauen stecken sich zwar häufiger mit dem Coronavirus an, dafür ist die Sterblichkeitsrate geringer. Das ändert sich bei Frauen, die bereits in den Wechseljahren waren. Forschende vermuten deshalb, dass Östrogen die Frauen schützt.
Eine Studie zur Hormontherapie zeigte, dass das Sterberisiko bei Frauen über 50 Jahre, die eine Östradiol-Hormontherapie erhielten, um mehr als 50 Prozent verringert war. Tests ergaben zudem, dass das Hormon die Bildung von Enzymen behindert, die dem Virus beim Eintritt in die Zellen helfen.
Generell beschleunigt Östrogen die Immunantwort des Körpers, indem es zum Beispiel die Entwicklung von Immunzellen anregt und die Entzündung abschwächt. Auch eine Erkältung trifft Männer also tatsächlich härter als Frauen.
Dafür sind Frauen schmerzempfindlicher – vor allem dann, wenn der Östrogen-Spiegel niedrig ist. Östrogen und Progesteron sorgen dafür, dass endogene Opioide wie Enkephaline und Endorphine ausgeschüttet werden. Sie hemmen den Schmerz. Gegen Ende der Schwangerschaft steigt deshalb auch der Östrogen- und Progesteron-Spiegel an – das macht den Geburtenschmerz erträglicher. In dieser Zeit leiden Frauen auch weniger an Migräne, aber nach der Geburt, wenn der Spiegel rasant abfällt, nehmen die Anfälle dafür zu.
Östradiol, Gehirn und Psyche: Sind die Wechseljahre der Kipppunkt für geistigen Verfall?
Ebenso wie das Östrogen schwankt die Stimmung bei Frauen im Laufe des Zyklus. Forschende vermuten deshalb, dass ein Mangel des Sexualhormons eine Rolle bei der Entstehung von Depressionen spielen kann. Fast doppelt so viele Frauen wie Männer leiden in Deutschland an dieser Krankheit. Doch trotz Tierversuchen und klinischer Studien ist die Frage, ob Östrogen antidepressive Eigenschaften besitzt und welche Mechanismen zu den Stimmungsschwankungen führen, bisher ungeklärt.
Auch bei den Wochenbettdepressionen nach der Schwangerschaft, bei denen Forschende lange die Hormonumstellung verantwortlich machten, vermuten sie inzwischen mehrere Faktoren, die für die Entstehung der Depression verantwortlich sind. Darunter auch psychische und soziale Faktoren wie erhöhter Stress oder Probleme in der Partnerschaft.
Östrogen und Schizophrenie
Östrogen schützt aber vor einer anderen psychischen Erkrankung – der Schizophrenie. Studien zeigten, dass junge Männer im Vergleich zu Frauen ein erhöhtes Risiko haben, an der Störung zu erkranken. Erst nach den Wechseljahren steigt der Anteil der erkrankten Frauen auf den der Männer.
Östrogen und Gedächtnis
Östrogen regelt den Stoffwechsel im weiblichen Gehirn und steuert den Transport und die Aufnahme von Glukose – sowie deren Abbau zur Energiegewinnung. So haben Forschende zum Beispiel herausgefunden, dass das Gedächtniszentrum bei Frauen immer dann an Volumen zunimmt, wenn der Östrogenspiegel hoch ist. Sinkt der Östrogenspiegel nun in den Wechseljahren, erleben viele Frauen kognitive Beeinträchtigungen. Sie sind verwirrt oder vergessen Termine.
Diese Gedächtnisprobleme sind normal. Der Körper muss erst andere Energiequellen anzapfen. Doch Forschende vermuten, dass die Menopause ein zeitliches Fenster ist, in dem das Gehirn anfälliger für Schäden ist – zum Beispiel für die Entwicklung einer späteren Demenz. Vor allem Frauen erkranken an Demenz und dieser Unterschied lässt sich nicht alleine damit erklären, dass sie länger leben.
Es gibt deshalb Ärzte und Ärztinnen, die eine Hormontherapie für Frauen zu Beginn der Wechseljahre für sinnvoll halten – allerdings ist noch nicht geklärt, ob die Therapie tatsächlich einen vorbeugenden Effekt auf Alzheimer hat. Die Studienergebnisse widersprechen sich teilweise. Das liegt auch daran, dass die Wirkung von Östrogen vom Alter, dem Zeitpunkt der Verabreichung, aber auch dem Stadium der Menopause abhängt.
Warum stresst uns das Hormon Cortisol?
Cortisol macht uns leistungsfähiger. Es sorgt dafür, dass wir morgens aufstehen und in Stresssituationen genügend Energie bekommen. Wie wichtig Cortisol ist, sieht man auch daran, dass der Mensch ohne das Hormon innerhalb weniger Tage stirbt.
Kann die Nebennierenrinde beispielsweise aufgrund eines Defekts bei der Geburt kein Cortisol produzieren, versucht sie diesen Mangel durch Zellteilung zu kompensieren, sie wird immer größer. Erkennt man den Defekt nicht, führt das zum Tod.
Aber warum ist Cortisol so wichtig?
Früher war das Stresshormon überlebensnotwendig, denn in einer Gefahrensituation bewirkt Cortisol eine Fight-Or-Flight-Reaktion, also Flucht oder Kampf. Das Herz schlägt schneller, die Atmung beschleunigt sich, der Blutdruck steigt. Wir sind plötzlich hoch konzentriert und leistungsfähig.
Was vor ein paar Jahrtausenden der Bär war, ist heute die Sirene des Krankenwagens. Heult sie los, wird der Reiz an den Thalamus weitergeleitet. Der reagiert mit der Ausschüttung des Hormons CRH, welches die ACTH-Freisetzung der Hypophyse in Gang setzt. Das ACTH stimuliert schließlich die Nebennierenrinde und das Cortisol wird in die Blutbahn gepumpt. Jetzt wird unser Körper wieder mit Energie aufgeladen.
Denn Cortisol hemmt die Insulinwirkung und fördert den Abbau von Proteinen zu Aminosäuren, welche die Leber zur Herstellung von neuen Glukosemolekülen nutzt. Warum? Der Blutzuckerspiegel steigt und wir sind für den Moment leistungsfähiger.
Wie Dauerstress auf den Körper wirkt
Haben wir aber längere Zeit zu viel Cortisol im Körper, bleibt das nicht ohne Folgen: Muskeln, Bindegewebe, Knochen bauen sich ab, eine Insulinresistenz kann entstehen. Damit die negativen Effekte von Cortisol nicht anhalten, hat das Hormon einen Rückkopplungseffekt. Es hemmt die Bildung von CRH und ACTH und soll so die dauerhafte Produktion verhindern.
Dauerstress wie private Sorgen, Trauer, Mobbing, kann aber zu einer Überproduktion von Cortisol führen. Der positive Effekt des Hormons kehrt sich ins Negative. Langfristiger Stress, der zu einer Veränderung des Cortisol-Rhythmus führt, zählt deshalb auch als einer der Risikofaktoren für eine spätere Depression.
Mehr zu Depressionen liest du hier.
Normalerweise ist die Cortisol-Konzentration morgens am höchsten und nimmt dann über den Tag ab, doch bei Menschen mit Depressionen ist die innere Uhr häufig gestört.
Es gibt Studien, bei denen etwa die Hälfte der Patient:innen mit einer schweren Depression abends noch einen erhöhten Cortisol-Spiegel aufweisen – andere stellen abnormale Werte am Morgen fest. Forschende vermuten, dass der Rückkopplungsmechanismus defekt sein könnte, wodurch zu viel Cortisol entsteht. Belegt ist diese Theorie allerdings nicht, denn es gibt auch Studien, die keine Überaktivierung der Stressreaktion bei Personen mit Depressionen feststellten.
Zu viel Cortisol, zu wenig Cortisol
Beim Cushing-Syndrom oder Hypercortisolismus, bei dem die Cortisol-Konzentration im Blut durch einen Tumor oder die Einnahme von Medikamenten mit Cortisol krankhaft erhöht ist, kommt es in 50 bis 70 Prozent der Fälle zu schweren depressiven Symptomen. Zudem neigen die Betroffenen zu Übergewicht, Bluthochdruck, Knochen- oder Muskelschwund.
Das Zuviel an Cortisol kann sich auch negativ auf das Gemüt und die Stimmung auswirken, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie. Und es kann sogar Diabetes entstehen.
Bei einem Mangel an Cortisol, dem Hypocortisolismus oder auch Morbus Addison, stellen Ärzte und Ärztinnen bei Betroffenen hingegen Schwächeanfälle, Gewichtsabnahme und einen niedrigen Blutdruck fest. Aber auch chronische Schmerzstörungen können mit einem niedrigen Cortisolspiegel zusammenhängen.
Für was brauchen wir Insulin?
Von Insulin hören die meisten das erste Mal im Zusammenhang mit Diabetes. Dann, wenn Oma oder Opa sich das Hormon täglich spritzen müssen und den Kuchen doch nicht essen dürfen. Essen wir Brot, Nudeln oder Kuchen, werden die Kohlenhydrate in Einfachzucker gespalten, der Blutzuckerspiegel steigt – und der muss auch wieder sinken. Dafür ist in unserem Körper das Insulin zuständig.
Das Hormon wird in der Bauchspeicheldrüse produziert, genauer gesagt in den Beta-Zellen. Es ist quasi der Schlüssel, der die Muskel- und Fettzellen für die Zuckermoleküle öffnet – und den Körper so mit Energie versorgt. Fehlt das Insulin, können die Zellen keinen Zucker mehr aufnehmen, der Zucker bleibt im Blut, der Blutzuckerspiegel steigt immer stärker an. Um das zu vermeiden, spritzen sich Menschen mit Diabetes Insulin.
Ärzte und Ärztinnen unterscheiden dabei vor allem zwei Arten von Diabetes: Typ-1 und Typ-2.
Typ-1 wird fast immer durch eine Autoimmunreaktion in der Kindheit ausgelöst. Das eigene Immunsystem greift die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse an und zerstört sie – es kann kein Insulin mehr gebildet werden.
Typ-2 entwickelt sich schleichend über mehrere Jahre hinweg. Wer viel Zucker isst und unter Übergewicht leidet, bei dem ist der Insulinspiegel dauerhaft erhöht. Mit der Zeit werden Muskeln, Leber und Fettgewebe resistenter gegenüber dem Hormon, bis sich auch die Produktion irgendwann erschöpft.
In der Anfangsphase lässt sich die Diabetes-Typ-2 noch gut in den Griff bekommen, später bleiben einem nur noch die Spritzen.
Daneben gibt es zum Beispiel noch das Schwangerschaftsdiabetes – ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel bei Schwangeren.
Wie Insulin auf das Gehirn wirkt
Das Gehirn braucht für die Glukoseaufnahme kein Insulin. Dafür deuten immer mehr Studien darauf hin, dass das Hormon im zentralen Nervensystem unsere kognitiven Fähigkeiten – zum Beispiel das Lernen – beeinflusst und dass eine Insulinresistenz im Gehirn ein wichtiger Auslöser für die Entwicklung von Alzheimer ist.
Das Risiko von Personen mit Diabetes Typ-2, später an dieser Form der Demenz zu erkranken, ist im Vergleich zu gesunden Menschen um 50 Prozent erhöht. Eine Studie hat nun gezeigt: Werden zuckerkranke Menschen über einen längeren Zeitraum mit dem Antidiabetikum „Pioglitazon“ behandelt, verringert sich das Risiko wieder auf das von Nicht-Diabetikern.
Forschende vermuten, dass der Wirkstoff im Gehirn den schädlichen Ablagerungen von Eiweißen entgegenwirkt. Das zeigen allerdings bisher nur Untersuchungen an Hirnzellen und Mäusen. Um den Zusammenhang von Alzheimer und Insulin zu verstehen, braucht es deshalb noch mehr Forschung.
Wie beeinflusst das Schlafhormon Melatonin unseren Tagesrhythmus?
Melatonin soll gegen Krebs helfen, gegen Jetlag, Winterdepressionen, nächtlichen Bluthochdruck, Gedächtnisprobleme – und soll sogar das Leben verlängern. Bei kaum einem anderen Hormon wurden so viele unterschiedliche Wirkungen vermutet wie beim Melatonin.
In den USA gibt es eine Vielzahl an Medikamenten mit Melatonin, in Deutschland ist es bisher nur gegen Schlafstörungen im Einsatz. Die Nebenwirkungen einer langfristigen Einnahme sind noch nicht abschließend geklärt. Und um Melatonin tatsächlich gegen Krebs – zum Beispiel bei Chemotherapien – einzusetzen zu können, braucht es weitere Forschung.
Melatonin steuert unseren Tag-Nacht-Rhythmus
Es wird vor allem in der Zirbeldrüse, einem zapfenförmigen Organ im Mittelhirn, aus dem Nervenbotenstoff Serotonin gebildet. Wird es dunkel, leitet der Photorezeptor „Melanopsin“ im Auge das Signal weiter – der Melatonin-Spiegel steigt, wir werden müde.
Zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens erreicht die Melatonin-Konzentration ihren Höhepunkt und sinkt dann mit der Dämmerung wieder. Seine Konzentration bewegt sich damit gegensätzlich zum Cortisol-Spiegel.
Trifft nun nachts künstliches Licht auf unser Auge, hemmt das die Melatonin-Produktion und führt zu einer Verschiebung des Schlaf-Wach-Zyklus. Dabei hängt die Wirkung des Lichts von Intensität und Dauer ab.
Selbst Licht von LEDs, Computerbildschirmen, Fernsehen oder Mobilfunktelefonen wirkt auf die innere Uhr ein – denn der Photorezeptor Melanopsin ist besonders empfindlich für blaues Licht. Ob blaues Licht auf Dauer aber schädlich ist, wissen Forschende noch nicht. Was sie wissen: Betroffene, bei denen die innere Uhr gestört ist, leiden unter anderem an anhaltender Müdigkeit, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit.
Warum brauchen wir die Schilddrüsenhormone?
Die Schilddrüsenhormone sind die Gaspedale unseres Körpers. Ist die Konzentration zu hoch, laufen Körper und Seele übertourig, ist sie zu niedrig, ist das Gegenteil der Fall. Doch der Reihe nach.
Im Hypothalamus sitzen Rezeptoren, die den Spiegel der Schilddrüsenhormone im Blut messen. Ist er zu niedrig, reagieren Hypothalamus und Hypophyse mit Hormonausschüttungen, um die Schilddrüse zu stimulieren. Die sitzt unterhalb des Kehlkopfs und produziert Thyroxin (T4).
An vielen elementaren Prozessen beteiligt
Das Hormon brauchen wir für eine ganzen Reihe an wichtigen Prozessen im Körper: Zusammen mit dem Hormon Trijodthyronin (T3), das größtenteils außerhalb der Schilddrüse aus T4 hergestellt wird, steuert es unter anderem Herzkraft und Herzfrequenz sowie unseren Kreislauf. Zudem sorgt es dafür, dass Talg- und Schweißdrüsen aktiviert sowie Verdauung und Körpertemperatur reguliert werden.
Wird nun zu viel oder zu wenig von den Schilddrüsenhormonen produziert, dann hat das Auswirkungen auf Körper und Psyche – und kann sogar zur Unfruchtbarkeit führen. Aber warum wird die Schilddrüse krank? Autoimmunkrankheiten, genetische Veranlagungen, aber auch ein Jodmangel beeinflussen, wie viele Schilddrüsenhormone hergestellt werden.
Das passiert bei einer Unterfunktion
Eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) drosselt Körper- und Hirnfunktion. So zeigten Patienten mit einem Mangel an Schilddrüsenhormonen Störungen in der Gedächtnisfunktion des Hippocampus, fühlen sich schwach und müde. Der Puls verlangsamt sich, es kann zu Kurzatmigkeit kommen.
Das Problem: Meist entwickelt sich eine Hypothyreose schleichend und macht sich erst bei einem stärkeren Mangel bemerkbar. Einmal festgestellt, kann der Mangel oft durch eine Hormonzufuhr ausgeglichen werden. Doch nimmt man zu viel, dann steigern sich die negativen Effekte ins andere Extrem.
Das passiert bei einer Überfunktion
Bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) laufen die Körperfunktionen unnötigerweise auf Hochtouren. Durch den gesteigerten Energieverbrauch kommt es zu Gewichtsverlust und Herzrasen.
„Gelegentlich nehmen junge Mädchen Pillen, um eine Überfunktion herbeizuführen und abzunehmen“, sagt Petersenn. Doch der Preis ist hoch. Menschen mit einer Überfunktion leiden an Durchfall, Zyklusstörungen, Haarausfall, innerer Unruhe und Nervosität.
Im Alltag sind Betroffene schneller aggressiv und übermäßig ängstlich. Nicht ohne Grund sind Medikamente mit Hormonen in Deutschland verschreibungspflichtig.
Was man bei Schilddrüsenhormonen für eine Schwangerschaft beachten muss
Sowohl eine Überfunktion als auch eine Unterfunktion können bewirken, dass das ersehnte Kind ausbleibt. Geraten die Schilddrüsenhormone aus dem Gleichgewicht, kann das Auswirkungen auf die Eizellreifung und den Zyklus haben. „Bei einem nicht erfüllten Kinderwunsch sollten Ärzte und Ärztinnen immer auch die Schilddrüse in Erwägung ziehen“, sagt Petersenn.
Eine nicht eingestellte Unter- oder Überfunktion kann das Risiko für Fehlgeburten erhöhen. Auch die neurokognitive Entwicklung des Babys kann beeinträchtigt sein. Untersuchungen brachten einen niedrigen Intelligenzquotienten bei Schulkindern mit einer Hypothyreose der Mutter während der Schwangerschaft in Zusammenhang.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Frauen in der Schwangerschaft die Einnahme von täglich 230 Mikrogramm Jod und in der Stillzeit von 260 Mikrogramm, denn während der Schwangerschaft scheiden Frauen auch vermehrt Jod aus – ein Mangel kann dadurch leichter entstehen.
Die Hormonschwankungen der Schilddrüse durch Schwangerschaft und Geburt haben noch einen anderen negativen Effekt. Sie erhöhen das Risiko für Frauen eine Postpartumthyreoiditis, eine autoimmune Schilddrüsenkrankheit, zu entwickeln.
Sie tritt meist sechs Wochen nach der Geburt auf und zeichnet sich unter anderem durch depressive Symptome aus. Bei anhaltender Abgeschlagenheit untersuchen Ärzte und Ärztinnen deshalb oft auch die Funktion der Schilddrüse.