Die Legende der Päpstin
Bei Päpstin Johanna handelt es sich um einen Legendenstoff, der von einer sich als Mann ausgebenden gelehrten Frau erzählt, die als Papst amtiert haben soll – in der kulturellen und kulturhistorischen Betrachtung zumeist identifiziert mit Johannes VIII. im 9. Jahrhundert.
Die heutige Geschichtswissenschaft geht jedoch davon aus, dass es kein reales historisches Vorbild für Johanna gab.
Die Legende um die Päpstin Johanna ist seit dem 13. Jahrhundert überliefert und erlangte im Spätmittelalter große Popularität und weite Verbreitung. Die ursprünglichen Formen der Sage berichteten von einer namenlosen Päpstin, die gegen Ende des 11. Jahrhunderts amtiert haben soll; so berichten es die Chronica universalis Mettensis des Jean de Mailly (lat. Iohannes de Malliaco[1][2]) und der Tractatus de diversis materiis predicabilibus des Stephan von Bourbon um die Mitte des 13. Jahrhunderts.
Der Dominikaner Martin von Troppau verlegte diese Legende in seiner 1277 veröffentlichten Chronik dann in das 9. Jahrhundert und ergänzte sie um die Schwangerschaft und Niederkunft der Päpstin während einer Prozession. Von Martins Erzählung hängen alle späteren ab. Zwei Versionen von Martins Fassung beschreiben entweder den Tod der Päpstin und ihres Kindes bei dieser Geburt oder ihre Verbannung in ein Kloster. Spätere Überlieferungen der Legende schmücken meist die erste Version weiter aus, und der Päpstin werden andere Namen gegeben. Martins Version der Legende bildet auch die Basis der Version in der Schedelschen Weltchronik, die ebenfalls weite Verbreitung fand. Auch erwähnt Bartolomeo Platina sie 1479.
Quellen für die Legende, die vor das 13. Jahrhundert datiert werden können, sind nicht bekannt.
Erste ernsthafte Zweifel an der Historizität der Legende, die lange Zeit sogar von manchen Päpsten für glaubwürdig gehalten wurde, finden sich schon bei dem reformierten Kirchengeschichtler David Blondel (1590–1655). Die moderne Forschung geht, ungeachtet des Eindrucks, den manche populärwissenschaftliche Veröffentlichung erweckt, praktisch einhellig davon aus, dass die Geschichte eine freie Erfindung ist.
Eine Päpstin Johanna wird in verschiedenen historischen, aber unzuverlässigen und nicht zeitgenössischen Quellen erwähnt, bis ins 17. Jahrhundert auch in kirchlichen Texten.
Eine der am häufigsten genannten Quellen ist der Liber Pontificalis des früheren Gegenpapstes Anastasius Bibliothecarius, der ein Zeitgenosse der Päpstin gewesen wäre. Jedoch findet sich die entsprechende Angabe ausschließlich in dem Manuskript, das sich in der vatikanischen Bibliothek befindet, und nicht in denen an anderen Orten. Die Bemerkung zur Päpstin ist in der Handschrift überdies erst von einem späteren Schreiber als Glosse nachgetragen worden. Dieser Nachtrag wird durch die Analyse des Handschriftenstils auf das späte 13. oder 14. Jahrhundert datiert, dürfte unter dem Einfluss der Chronik Martins von Troppau entstanden sein und gilt daher nicht als zeitgenössischer Beleg. Gleiches gilt für die Manuskripte des Chronicon des Marianus Scotus. Während das Werk selbst im 11. Jahrhundert entstanden ist, werden alle Manuskripte, die einen Verweis auf eine Päpstin enthalten, auf ein späteres Datum als Martins Chronik datiert. Frühere Abschriften von Scotus’ Werk enthalten diese Hinweise nicht.
Legenden
Als eine typische Version sei hier der Text der Version aus der spätmittelalterlichen Schedelschen Weltchronik (1493) wiedergegeben:
„Johannes auß engelland erlanget mit bösen künsten das babstthumb. dann wie wol sie ein weipliche person was so wanndert sie doch in gestalt vnnd geperde eins mannßpilds. vnd zohe noch also iung mit irem liebhaber eim gelerten mann gein Athenas. alda wardt sie der schrift also hohgelert das sie gein rom komende wenig ir gleiche in der heilligen schrift het. Nw erlanget sie mit lesen vnd scharpffem disputiren in scheyn eins mans vnder der verborgenheit irer weiplichkeit zu rom solche gutwilligkeit vnd glawbwirdigkeit das sie nach absterben Leonis an sein stat (als martinus spricht) mit allermenigclichs willen zu babst erkorn wardt. Aber sie wardt nachfolgend von eim irer diener geschwengert. vnnd als sie den leib ettwielang getragen het vnd eins tags in sant Johanßen lateranensischen kirchen geen wolt. do wardt sie zwischen der wunderburg vnd sandt Clementen mit ween befangen vnd gepare vnd starb an derselben statt. Ettlich schreiben wenn ein babst zu der benanten sant Johanßen kirchengeen wöll. vnd an dasselb end do das beschehen sey kome. so vermeyde der babst denselben weg in verschmehlicher gedechtnus solcher geschichten: zum andern wenn ein erwelter babst erstlich in sannt Peters. darzu gelöcherten stul gesetzt werdt so pflege der letst dyacon zu vermeyden der gleichen künftiger irrung dem babst seine manliche gepurt glyder durch denselben gelöcherten stul zeberüren.“
(aus der Schedelschen Weltchronik)
Zweifel: In einer Zeit, bevor Bücher gedruckt werden konnten und Schriftstücke aus Pergament abgekratzt und überschrieben wurden, wäre es sehr einfach gewesen, das Todesjahr von Leo von 853 auf 855 zu ändern – Johanna soll von 853 bis 855 regiert haben – um es aussehen zu lassen, als wäre Papst Leo IV.
Es gibt aber eine Reihe von Dokumenten, die die Regierungszeit von Papst Leo IV bestätigen. Zum Beispiel wird er in offiziellen Kirchenchroniken, wie den “Annales Ecclesiastici” von Cesare Baronio, als Papst erwähnt und seine Regierungszeit wird auf acht Jahre datiert.