Die Rolle des heiligen Bernhard
Spiritueller Vater der Tempelritter
Die Entstehung des Templerordens ist untrennbar mit einer der bedeutendsten Gestalten des Hochmittelalters verbunden: dem heiligen Bernhard von Clairvaux. Als charismatischer Reformabt der Zisterzienser, geistlicher Vordenker seiner Zeit und wortgewaltiger Verteidiger des Glaubens hatte Bernhard entscheidenden Anteil daran, dass aus einer kleinen Gruppe von frommen Rittern eine geistlich anerkannte, päpstlich bestätigte und europaweit einflussreiche Ordensgemeinschaft wurde.
Freundschaft und Einfluss: Bernhard und die Templergründer
Bereits Hugo de Payens, der erste Großmeister des Templerordens, unterhielt enge Kontakte zu Frankreich. Besonders intensiv war seine Verbindung zu zwei Männern, die in der Frühzeit des Ordens eine herausragende Rolle spielten: Hugo von Champagne, der sich 1124 dem Orden anschloss, und Bernhard von Clairvaux, dem aufstrebenden jungen Abt des Zisterzienserklosters Clairvaux.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese drei Männer bereits in den 1120er-Jahren gemeinsam an einer Ordensregel arbeiteten, die das Leben der Templer geistlich strukturieren und kirchlich legitimieren sollte.
Das Konzil von Troyes – Bernhards Durchsetzungskraft
Im Jahr 1127 reiste Hugo de Payens gemeinsam mit vier seiner Ordensbrüder zurück nach Frankreich. Ihr Ziel: die offizielle Anerkennung des neuen Ritterordens durch die Kirche. Bernhard von Clairvaux unterstützte dieses Vorhaben mit aller Kraft. Mit seiner Autorität als Abt und seinem engen Kontakt zur Kurie konnte er entscheidenden Einfluss auf den Verlauf des Konzils von Troyes im Januar 1129 nehmen.
Am 13. Januar 1129 bestätigte Papst Honorius II. den Templerorden, seine Regel und weitreichende Privilegien. Diese Sonderrechte, etwa das Recht auf eigene Priester oder Steuerfreiheit, sorgten später immer wieder für Spannungen mit der Amtskirche – doch sie wären ohne Bernhards Fürsprache kaum durchsetzbar gewesen.
„De laude novae militiae“ – Das geistliche Manifest der Templer
Um dem neuen Orden auch im Volk und unter der Ritterschaft ein positives, glaubwürdiges Bild zu verleihen, verfasste Bernhard eines seiner bekanntesten Werke: „De laude novae militiae“ – „Vom Lob der neuen Ritterschaft“. In dieser Schrift stellte er den Templerorden als eine neue Form christlicher Kriegsführung dar, in der asketische Spiritualität und kriegerische Tapferkeit vereint seien. Für Bernhard waren die Tempelritter keine gewöhnlichen Soldaten, sondern „Streiter Christi“, die mit Schwert und Gebet zugleich gegen das Böse kämpften.
Diese Schrift war ein propagandistisches Meisterwerk und ein theologisch überzeugender Versuch, Krieg und Glauben miteinander zu versöhnen – ein Gedankengang, der in der damaligen Zeit revolutionär war.
Bernhards geistliche Handschrift
Der Einfluss Bernhards blieb auch nach der Gründungsphase spürbar. Die asketische Lebensweise der Templer, ihr Gelübde der Keuschheit, Armut und des Gehorsams, aber auch ihr starker innerer Zusammenhalt und ihre Disziplin lassen deutliche parallelen zur Zisterzienserregel erkennen. Auch die tief verwurzelte Marienverehrung der Templer dürfte auf Bernhards Spiritualität zurückgehen – hatte er doch selbst die Zisterzienser als „Mönche Mariens“ geprägt.
Fazit
Der heilige Bernhard war kein Tempelritter, aber ohne ihn hätte es den Templerorden in dieser Form wohl nie gegeben. Er war Mentor, Vordenker und geistlicher Vater der Tempelritter – ein Mann, der mit visionärer Kraft und tiefem Glauben das Bild des christlichen Ritters neu definierte.
Seine Rolle war nicht militärisch, sondern geistlich – und doch war sie entscheidend.
Durch Bernhards Wirken wurde aus einer kleinen Bruderschaft eine der mächtigsten geistlichen Ritterorden des Mittelalters.