Die Templer in Augsburg
Mythos, Chroniken und ungelöste Rätsel
Die mögliche Existenz einer Templerkomturei in Augsburg gehört zu den spannenden, aber auch umstrittenen Kapiteln der Stadtgeschichte. Während es Hinweise in mittelalterlichen Chroniken gibt, fehlen bis heute eindeutige archivarische Belege für eine Niederlassung des Templerordens in Augsburg. Die Übertragung von Templergütern an die Dominikaner sowie der mysteriöse Grabstein aus dem Jahr 1759 werfen Fragen auf, die Historiker bis heute beschäftigen.
Die Chroniken: Hinweise auf die Templer in Augsburg
Die Zingg-Chronik (15. Jahrhundert)
Die erste Erwähnung einer möglichen Präsenz der Templer in Augsburg findet sich in der Chronik des Augsburger Kaufmanns Burkhard Zingg aus dem 15. Jahrhundert. Zingg berichtet:
„Anno 1270 jar do komen auff die weissen münch mit den roten creutzen (= die weißen Mönche mit den roten Kreuzen).“
Diese Beschreibung lässt sich auf die charakteristische Ordenstracht der Templer beziehen: weißer Mantel mit rotem Kreuz. Der Herausgeber der Chronik im 19. Jahrhundert interpretierte diese Passage als Hinweis auf eine Templerniederlassung in Augsburg.
Die Chronik von Clemens Sender (16. Jahrhundert)
Ein weiteres Indiz liefert die Chronik von Clemens Sender aus dem 16. Jahrhundert. Dort heißt es:
„Dieser templierherrn hie gütter und zins und behaussung hat bischoff Degenhard geben den minchen sant Dominicus.“
Laut Sender sollen also Immobilien und Einkünfte der Templer nach der Auflösung des Ordens an das Dominikanerkloster in Augsburg übergegangen sein. Allerdings gibt es ein Problem:
- Bischof Degenhard starb bereits 1307 – im Jahr, als die Verhaftung der Templer in Frankreich begann.
- Die Auflösung des Templerordens erfolgte jedoch erst 1312 durch Papst Clemens V.
Diese zeitliche Diskrepanz legt nahe, dass entweder ein Fehler in der Chronik vorliegt oder dass die Übertragung durch einen anderen Bischof vorgenommen wurde.
Bäumers Theorie (1828)
Der Historiker Bäumer nennt als Verantwortlichen für die Übertragung der Templergüter Bischof Friedrich Speth von Thurnegg, liefert jedoch keine weiteren Belege.
Das Dominikanerkloster und die Templerbesitztümer
Das Dominikanerkloster in Augsburg befand sich zwischen Vorderem Lech und Predigerberg. Laut den Chroniken sollen die Dominikaner nach der Aufhebung des Templerordens dessen Besitz übernommen haben.
Ein einmaliger Fall?
Die Übertragung von Templergütern an die Dominikaner wäre eine einzigartige Besonderheit im Vergleich zu anderen Städten Europas. Üblicherweise gingen die Besitztümer des Templerordens an die Johanniter (Malteserorden) über, nicht jedoch an einen Bettelorden wie die Dominikaner.
Fehlende Archivalien
Im Stadtarchiv Augsburg konnten bislang keine Dokumente oder Archivalien gefunden werden, die eine Templerniederlassung in Augsburg bestätigen würden. Die historischen Quellen stützen sich ausschließlich auf die erwähnten Chroniken und späteren Interpretationen.
Der mysteriöse Grabstein von 1759
Ein weiteres interessantes Indiz ist der Grabstein, der im Jahr 1759 unter der steinernen Treppe im Kreuzgang des Dominikanerklosters entdeckt wurde. Der Stein trug die eingemeißelte Inschrift:
„F. Fridericus Zipelins“
Darüber hinaus zeigte der Grabstein eine Rittergestalt mit Mantel und zwei Schwertern – ein typisches Symbol für die Templer.
Historische Fragen zum Grabstein:
- Handelte es sich tatsächlich um das Grab eines Templers?
- Warum wurde der Grabstein gerade in einem Dominikanerkloster gefunden?
- Ist der Grabstein möglicherweise ein späterer Versuch, die Anwesenheit der Templer in Augsburg nachträglich zu „belegen“?
Der Grabstein ist inzwischen verschollen, und seine genaue Herkunft bleibt ein Rätsel.
Analyse: Gab es eine Templerkomturei in Augsburg?
Pro-Argumente:
- Die Zingg-Chronik erwähnt Templer in Augsburg.
- Laut Clemens Sender gingen Templergüter an die Dominikaner über.
- Der mysteriöse Grabstein von 1759 trägt templerische Symbole.
Kontra-Argumente:
- Fehlende Archivalien im Stadtarchiv Augsburg.
- Die zeitlichen Unstimmigkeiten in den Chroniken.
- Die ungewöhnliche Übertragung von Templergütern an die Dominikaner statt an die Johanniter.
Mögliche Erklärungen
- Templer als Gäste in Augsburg:
Vielleicht besaßen die Templer keine eigene Komturei in Augsburg, sondern hielten sich lediglich temporär in der Stadt auf, möglicherweise als Gäste des Bischofs oder anderer kirchlicher Institutionen. - Falsche Zuschreibung:
Es ist möglich, dass die in den Chroniken beschriebenen „weißen Mönche mit roten Kreuzen“ gar nicht die Templer, sondern Mitglieder eines anderen Ordens waren. - Geheimhaltung und Verschleierung:
Die Templer könnten in Augsburg gewirkt haben, ohne eine formelle Komturei zu unterhalten, wodurch Dokumente und klare Nachweise fehlen.
Fazit: Zwischen Mythos und Realität
Die Frage, ob es in Augsburg eine Templerkomturei gab, bleibt ungelöst. Während die Chroniken von Zingg und Sender interessante Hinweise liefern und der Grabstein von 1759 Raum für Spekulationen lässt, fehlt eine solide archivarische Grundlage für diese Behauptungen.
Was bleibt?
- Eine faszinierende Legende um weiße Mönche mit roten Kreuzen.
- Ein mysteriöser Grabstein mit einem Ritterbildnis.
- Eine historische Unklarheit, die weiterhin Stoff für Forschung und Spekulation bietet.
Augsburg bleibt somit ein weiterer Schauplatz in der langen Geschichte der Templerlegenden – ein Ort, an dem Geschichte und Mythos miteinander verschmelzen.