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Die Templerkomturei Balantrodoch

Geschichte, Konflikte und das architektonische Erbe in Schottland

Einleitung

Die kleine schottische Ortschaft Temple, rund 18 Kilometer südlich von Edinburgh am Fluss Esk gelegen, trägt bis heute den Namen, der an ihre Vergangenheit als Templerkomturei Balantrodoch erinnert. In unmittelbarer Nähe zur sagenumwobenen Rosslyn Chapel war Balantrodoch ein wichtiges Zentrum der Templer in Schottland. Die Geschichte dieser Komturei erzählt von wirtschaftlicher Macht, rechtlichen Konflikten und dem Niedergang des Templerordens, während ihre Ruinen stumme Zeugen einer vergangenen Epoche geblieben sind.


Bauliche und territoriale Entwicklung

Gründung und frühe Entwicklung

Die Niederlassung Balantrodoch wurde vermutlich in den 1170er Jahren gegründet. Obwohl manche Quellen von einer Gründung durch König David I. im Jahr 1128 sprechen, gibt es dafür keine historischen Belege. Eine erste verbriefte Erwähnung stammt aus einer Urkunde, in der ein „frater Alanus Preceptor“ genannt wird.

Ein weiteres Dokument aus dem Jahr 1237 bestätigt die Existenz von Balantrodoch als Komturei, als eine Vereinbarung über Landbesitz und Salinen zwischen den Abteien von Newbattle und Holyrood festgehalten wurde.

Die Kapelle von Balantrodoch

Die Templer errichteten eine Kapelle, die möglicherweise bereits im 13. Jahrhundert gotische Umbauten erfuhr oder im 14. Jahrhundert neu gebaut wurde. Balantrodoch entwickelte sich zu einem wichtigen Verwaltungszentrum des Templerordens in Schottland, und es wird vermutet, dass der schottische Provinzmeister oft hier residierte.

Ob das Amt des Provinzmeisters stets in Personalunion mit dem des Komturs von Balantrodoch besetzt war, bleibt aufgrund der lückenhaften Quellenlage unklar.

Zerstörung und Niedergang

Nach der Aufhebung des Templerordens 1312 fiel Balantrodoch an die Johanniter. In einer Bestandsaufnahme aus dem Jahr 1338 heißt es, dass aufgrund der andauernden schottisch-englischen Kriege fast alle Besitzungen der Templer in Schottland „zerstört, verbrannt und vernichtet“ seien. Die genaue Besitzverteilung und die Einkünfte von Balantrodoch lassen sich aufgrund fehlender Dokumente nicht rekonstruieren.


Beziehungen und Konflikte: Der Fall Esperston

Der Streit um das Hofgut Esperston

Ein bemerkenswerter Rechtsstreit aus dem Jahr 1354 gibt Einblicke in die komplexen Besitzverhältnisse der Templer und die Konflikte mit lokalen Adligen. Der Konflikt drehte sich um ein Hofgut in Esperston, das die Templer in den 1290er Jahren widerrechtlich angeeignet haben sollen.

  • Das Gut war ursprünglich von William an die Templer übertragen worden, im Gegenzug für persönlichen Unterhalt auf Lebenszeit.
  • Nach seinem Tod beanspruchte seine Witwe Christiane das Land für sich und ihre drei Kinder zurück.
  • Der damalige Komtur, Brian de Jay, soll Christiane und ihre Kinder gewaltsam vertrieben haben.
  • Während der gewaltsamen Vertreibung soll Christiane an einen Türpfosten geklammert haben, wobei ihr ein Bewaffneter angeblich die Finger abschlug.

Später wurde ihr Gut durch königliches Dekret zurückerstattet, aber während der Kriege erneut verloren. Nach der Auflösung des Templerordens wurde das Gut an Alexander Simple übertragen, dessen Sohn Robert Simple später ein Verfahren anstrengte, um die Besitzrechte endgültig zu klären.

Ein moralisches Urteil, kein historisches Beweisstück?

Das Urteil des Johanniter-Provinzmeisters Thomas de Lindesay sprach Robert Simple das Gut zu. Allerdings bleibt unklar, wie viel Wahrheit in dieser Geschichte steckt. Die Quellenlage ist fragil, und die dramatische Erzählung weist literarische Motive auf, die an symbolische Metaphern für den Konflikt zwischen England und Schottland erinnern.


Der Ruf der Templer in Schottland

Ein Mönch aus der nahegelegenen Abtei Newbattle äußerte sich in seiner Aussage vor Gericht kritisch über die Templer:

„Die Templer sind vielfach berüchtigt für ihre ungerechten Aneignungen, denn sie streben rücksichtslos danach, sich die Besitztümer ihrer Nachbarn anzueignen, ob auf legalem oder illegalem Wege.“

Solche Aussagen trugen zur düsteren Nachbetrachtung des Ordens bei, spiegeln aber auch die komplexen und oft konfliktbeladenen Beziehungen zwischen den Templern und der lokalen Bevölkerung wider.


Architektonische Überreste

Die Kapelle von Balantrodoch

  • Die Kapelle ist ein einschiffiger gotischer Bau mit angrenzendem Friedhof.
  • Die Mauern sind teilweise erhalten geblieben.
  • Nach der Reformation wurde die Kapelle weiter als Pfarrkirche genutzt, bevor sie im 19. Jahrhundert verfiel.

Weitere Funde und Überreste

1928 wurden bei Bauarbeiten Fundamente weiterer Gebäude der Komturei entdeckt. Diese wurden jedoch nicht dauerhaft freigelegt und sind heute nicht mehr sichtbar.

Der Übergang an die Johanniter und der Niedergang

Die Johanniter hielten Balantrodoch bis zur Reformation im 16. Jahrhundert. Danach wurde der Besitz in eine weltliche Herrschaft umgewandelt, die später unter dem Titel Lord Torphichen bekannt wurde.


Die Bedeutung von Balantrodoch

Die Templerkomturei Balantrodoch war:

  • Ein spirituelles Zentrum mit einer Kapelle und regelmäßigen Gottesdiensten.
  • Ein wirtschaftliches Zentrum mit Landbesitz, Mühlen und landwirtschaftlicher Produktion.
  • Ein politisches Zentrum, das wahrscheinlich als Sitz des schottischen Provinzmeisters diente.

Die dramatische Geschichte um den Hof von Esperston zeigt die oft problematische Beziehung zwischen den Templern und der lokalen Bevölkerung. Gleichzeitig verdeutlicht sie die weitreichenden Konflikte, die nach der Auflösung des Ordens entstanden.


Fazit: Ein Ort zwischen Geschichte und Legende

Balantrodoch, heute bekannt als Temple, bleibt ein faszinierendes Beispiel für die Präsenz der Templer in Schottland. Die architektonischen Überreste der Kapelle und die Geschichten über Machtkämpfe, Vertreibungen und Rechtsstreitigkeiten spiegeln die vielschichtige Geschichte dieser Komturei wider.

Obwohl viele Dokumente durch Krieg und Zeit verloren gingen, bleibt Balantrodoch ein wichtiger Bestandteil der Templerforschung und ein Symbol für das komplexe Zusammenspiel von Macht, Religion und Politik im Mittelalter. Die stillen Ruinen erzählen noch heute Geschichten von Glauben, Konflikten und einer längst vergangenen Ära.

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