✠ Blog des ALTEN SOUVERÄNEN TEMPLER ORDENS (ASTO) ✠

Kirchen und Judentum erschüttert über AfD-Wahlerfolg

Erschütterung und große Sorge prägen die ersten Reaktionen aus der jüdischen Welt und aus den Kirchen auf die AfD-Erfolge bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Bei einer Landtagswahl in Deutschand ist dort erstmals die AfD stärkste Kraft geworden. Als „zutiefst deprimierend” bewerten Holocaust-Überlebende die Ergebnisse.

In Thüringen ist die AfD stärkste Kraft. Sie kommt dort auf 32,8 Prozent der Wählerstimmen, gefolgt von der CDU mit 23,6 Prozent. In Sachsen liegt die AfD mit 30,6 Prozent auf Rang zwei hinter der CDU (31,9 Prozent).

„Unsere freie Gesellschaft darf nicht fallen, gerade im Angesicht des islamistischen Terrors”, forderte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, angesichts des Ergebnisses: „Ungeschminkte Wahrheiten – Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit – sind gefragt, keine populistischen Scheinantworten radikaler Parteien”, schrieb er in einem Gastkommentar für „Bild.de.” Immer mehr Menschen wählten die AfD aus politischer Überzeugung, aus „durch Protest manifestierter rechtsextremer Ideologie”, fügte er hinzu. Und ein populistisches BSW lasse noch vieles unbekannt, „aber das, was wir von dieser neuen Partei und ihrem Spitzenpersonal wissen, lässt nichts Gutes erahnen”.

Rechtsextremismus erstarkt
Eine Abkehr von der bisherigen politischen Kultur der Bundesrepublik sieht die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. Deutschland drohe ein anderes Land zu werden. Niemand solle jetzt noch von Protestwählern sprechen „oder andere Ausflüchte suchen”, mahnte die frühere Präsidentin des Zentralrats: „Die zahlreichen Wähler haben ihre Entscheidung bewusst getroffen, viele wollten die Extremisten an den Rändern in Verantwortung bringen.”

„Die zahlreichen Wähler haben ihre Entscheidung bewusst getroffen, viele wollten die Extremisten an den Rändern in Verantwortung bringen“

Nicht nur Minderheiten müssten sich jetzt fragen, was diese Entwicklung für jede und jeden Einzelnen bedeute.

Demokratie verteidigen – Mehr Dialog
Die Entwicklung erschwere Holocaust-Überlebenden das Vertrauen, „das sie Deutschland mittlerweile wieder entgegenbringen”, sagte der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner. Bislang sei es unvorstellbar gewesen, dass gerade hierzulande „so viele Menschen einer Partei vertrauen, die mehr als braun gesprenkelt ist und sogar von anderen rechtsextremen Parteien in Europa als zu vergangenheitsbelastet ausgegrenzt wird”. Heubner rief die Mehrheit auf, die Demokratie zu verteidigen.

Caritas: Keine Zeit für Schockstarre
Der Deutsche Caritasverband appellierte nach den Wahlen an die Verantwortlichen in den demokratischen Parteien, konstruktiv nach arbeitsfähigen Lösungen für die Regierungsbildung zu suchen. Dessen Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa erklärte in einer Pressemitteilung vom Montag: „Uns in der Caritas steckt der Schrecken in den Knochen. Die AfD ist eine Partei, die unsere Werte mit Füßen tritt. Für Schockstarre ist jedoch keine Zeit. Es braucht jetzt Zukunftsmut und Lösungsorientierung. Wer genau hinhört, spürt ein großes Bedürfnis nach Sicherheit – gerade auch nach sozialer Sicherheit. Hier hat die Landespolitik eine besondere Verantwortung. Als Wohlfahrtsverbände brauchen wir auf allen Ebenen verlässliche Partner in der Politik, mit denen wir gemeinsam daran arbeiten können, den Menschen die Ängste und Unsicherheiten zu nehmen.“

„Als Wohlfahrtsverbände brauchen wir auf allen Ebenen verlässliche Partner in der Politik, mit denen wir gemeinsam daran arbeiten können, den Menschen die Ängste und Unsicherheiten zu nehmen“

Welskop-Deffaa ergänzt mit Blick auf die Wirkung der Wahlen über die Landesgrenzen hinweg: „Die Landtagswahlen dieses Herbstes sind von großer bundespolitischer Bedeutung. Wenn Demokratie hinter den Erwartungen der Menschen zurückbleibt, haben die Feinde der Demokratie ein leichtes Spiel. Ein starker Sozialstaat, der verlässlich die Nöte der Menschen absichert, ist auf das Miteinander aller staatlichen Ebenen ebenso angewiesen wie auf das gute Miteinander von Öffentlicher und Freier Wohlfahrtspflege.“

Kirchen für Weltoffenheit
Der für Thüringen zuständige evangelische Landesbischof Friedrich Kramer erklärte: „Wir haben uns in den letzten Monaten mit vielen Partnern zusammen für ein weltoffenes Thüringen engagiert. Das werden wir fortsetzen. Wir werden weiterhin viel miteinander im Gespräch sein müssen. Dafür werden Kirche und Diakonie Verständigungsorte anbieten.”
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), Thorsten Latzel, bezeichnete die Wahlergebnisse als „erschreckend”. Die evangelische Kirche werde sich „weiter für eine offene Gesellschaft und die Stärkung der Demokratiefähigkeit engagieren”, sagte der leitende Geistliche der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland dem „Kölner Stadt-Anzeiger”. Die Politik müsse Probleme angehen; zudem brauche es „mehr Dialog und klare Abgrenzung gegen Hass und Hetze”.

„Mehr Dialog und klare Abgrenzung gegen Hass und Hetze“

Viel Zuspruch für AfD unter jungen Leuten
Die Amadeu Antonio Stiftung mahnte mit Blick auf die anstehenden Regierungsbildungen die Parteien: „Jede Spekulation über eine Zusammenarbeit mit der AfD trägt zur weiteren Normalisierung des Rechtsextremismus bei. Bis jetzt hat die Brandmauer erheblich dazu beigetragen, die Entwicklung des parteiförmigen Rechtsextremismus zu hemmen.” Besonders besorgniserregend sei der hohe Zuspruch der AfD unter jungen Menschen. „Das zeigt, dass wir in der Schul- und Jugendsozialarbeit sowie in der Prävention noch viel mehr tun müssen, um Jugendliche vor rechtsextremen Einflüssen zu schützen.”

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