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Kritische Ausbildung im Stift Heiligenkreuz

Zwischen Theologie, Einfluss und Ideologie

Das Stift Heiligenkreuz bei Wien ist eines der ältesten Zisterzienserklöster Europas – und zugleich eines der konservativsten. Besonders in den letzten Jahrzehnten ist es durch eine markante theologische Ausrichtung und ein starkes mediales Auftreten ins Blickfeld gerückt. Eine zentrale Figur dieser Entwicklung ist Pater Karl Wallner, OCist, der seit über 30 Jahren eine Schlüsselrolle in der theologischen Ausbildung junger Kleriker spielt.

Ein Professor mit langem Schatten

Pater Karl Wallner lehrt seit 1993 an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz. Seine Schwerpunkte – Dogmatik und Sakramententheologie – betreffen jene Felder, in denen Lehre und kirchliche Macht besonders eng miteinander verknüpft sind. Als Professor und später Rektor der Hochschule (1999–2017) hatte Wallner direkten Einfluss auf die theologische Prägung von mehreren tausend Studenten, von denen viele heute in Österreich, Deutschland und international als Priester tätig sind.

Sein Zugang ist traditionsgebunden, medienwirksam und häufig klar ideologisch. In zahlreichen öffentlich zugänglichen Kanälen, darunter YouTube-Auftritte, Interviews und Bücher, vertritt Wallner eine ultrakonservative Linie, die nicht selten mit demokratiekritischen und kulturkämpferischen Tönen durchsetzt ist.

Ein Mann der Medien – und der Macht

Wallner war über Jahre hinweg auch für die Öffentlichkeitsarbeit des Stifts zuständig und hat Heiligenkreuz über Medienplattformen weit über den kirchlichen Raum hinaus bekannt gemacht. Seit 2007 leitet er den Be&Be-Verlag, der nicht nur theologische Literatur, sondern auch stark meinungsgeprägte Inhalte veröffentlicht.

Papst Franziskus ernannte ihn zudem 2016 zum Nationaldirektor von missio-Österreich, womit Wallner auch in der kirchlichen Entwicklungshilfe Verantwortung trägt. Die Kombination aus theologischer Lehre, Medieneinfluss und finanzieller Steuerung kirchlicher Mittel ist bemerkenswert – und macht ihn zu einem der einflussreichsten Ordensmänner Österreichs.

Kritik an theologischer Verengung und antidemokratischem Einfluss

Doch mit der Sichtbarkeit wächst auch die Kritik. Beobachter werfen Wallner seit Jahren vor, ein elitäres und autoritäres Kirchenbild zu propagieren, das sich gegen Pluralismus, Offenheit und moderne theologische Forschung stellt. Besonders kritisch wird gesehen, wie stark dieser Geist über Jahrzehnte hinweg an eine neue Generation von Klerikern weitergegeben wurde.

Auch sein Mitbruder Pater Edmund Waldstein, Professor am selben Haus, steht in der Kritik. Ihm werden Verbindungen zu antidemokratischen Netzwerken nachgesagt. Noch brisanter: Waldstein hat sich öffentlich für die Todesstrafe für Häretiker ausgesprochen – ein Standpunkt, der selbst im konservativen Spektrum des Katholizismus heute als extrem gilt.

Vatikan reagiert mit Visitation

Erst jetzt scheint der Vatikan auf die Entwicklungen im Stift zu reagieren. Eine Apostolische Visitation – eine offizielle Untersuchung durch Vertreter des Heiligen Stuhls – wurde angekündigt. Offiziell wurde zunächst behauptet, man kenne den Grund der Visitation nicht. Doch die vatikanische Erklärung nennt explizit Führungsstil, Missbrauchsvorwürfe und strukturelle Defizite als Anlass.

Dass es in einem solch einflussreichen Zentrum der Priesterausbildung über Jahrzehnte hinweg möglich war, problematische theologische und politische Tendenzen nahezu unbehelligt zu verbreiten, wirft ernste Fragen auf – über Kontrolle, Verantwortung und den innerkirchlichen Umgang mit Macht.

Fazit

Die theologische Ausbildung im Stift Heiligenkreuz war über Jahrzehnte nicht nur akademisch, sondern ideologisch geprägt – mit klar konservativer Handschrift und wachsendem medienpolitischem Einfluss. Die aktuelle Visitation durch den Vatikan könnte ein erster Schritt sein, um diesen Kurs zu überprüfen – und vielleicht auch zu korrigieren.

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