Ohne Liebe sind wir nichts
Über die aufbauende Kraft der Liebe hat Papst Franziskus bei der Messe mit Zehntausenden Gläubigen an diesem Donnerstag in Singapur gesprochen. Es gebe ein noch größeres Wunder als alle von Menschenhand geschaffenen Bauwerke, und das seien „die Brüder und Schwestern, denen wir jeden Tag auf unserem Weg begegnen“, sagte der Papst in dem reichen Stadtstaat.
Die Eucharistiefeier fand im Nationalstadion statt, dessen 55.000 Plätze gefüllt waren. In einem gewaltigen Chor sangen – auf Englisch, Chinesisch, Tamil, Malayisch und Latein – hunderte Erwachsene und Kinder, nicht alle von ihnen katholisch. Die meisten Gläubigen trugen Kleidung in weißer oder gelber Farbe. Der Eindruck von gediegener Ordnung, der in Singapur allgegenwärtig ist, reichte tief in diese Feier hinein, und trotzdem fehlte es nicht an Schwung und Begeisterung der Menschen über den Papstbesuch. Franziskus führte den Vorsitz, am Altar zelebrierte Singapurs Erzbischof Kardinal William Goh. Anwesend waren auch Bischöfe aus Malaysia, Vietnam, Laos, Kambodscha, den Philippinen, Hongkong, Taiwan und Macau.
Singapurs Kirche sei so wie das Land selbst „reich an Gaben, lebendig, im Wachstum begriffen und in konstruktivem Dialog mit den verschiedenen anderen Konfessionen und Religionen, mit denen sie dieses wunderbare Land teilt“, würdigte der Papst die Ortskirche. In Erinnerung rufen wollte er inmitten dieser wohlhabenden Wolkenkratzer-Enklave im Südostasien, dass nicht Geld, Technik oder Ingenieurskunst am Ursprung alles Bleibenden stehe, sondern „die Liebe, die aufbaut“.
Das sei nicht naiv, sondern die Überzeugung der Kirche, fuhr der Papst fort: „Wenn es etwas Gutes gibt und es in dieser Welt bleibt, dann nur, weil in zahllosen und vielfältigen Umständen die Liebe über den Hass gesiegt hat, die Solidarität über die Gleichgültigkeit, die Großherzigkeit über den Egoismus.“ Hinter jedem noch so großartigen Werk stehe Liebe und gebe es daher auch „viele Geschichten der Liebe zu entdecken: von Männern und Frauen, die in einer Gemeinschaft miteinander verbunden sind, von Bürgern, die sich für ihr Land einsetzen, von Müttern und Vätern, die sich um ihre Familien sorgen, von Fachleuten und Arbeitern aller Art und jeden Grades, die sich rechtschaffen in ihren verschiedenen Rollen und Aufgaben einsetzen.“
Der Papst empfahl den Gläubigen, diese „Liebesgeschichten“ wahrnehmen zu lernen. Reichtum könne in dieser Hinsicht den Blick verstellen, „aber das Leben verweist uns letztlich zurück zu einer einzigen Tatsache: Ohne Liebe sind wir nichts.“ In den Augen Gottes sei „das schönste Gebäude, der wertvollste Schatz, die lohnendste Investition“ der Mensch: „geliebte Kinder desselben Vaters, die wir unsererseits gerufen sind, die Liebe weiterzugeben“, erklärte der Papst.
In Singapur stehen die Gläubigen der christlichen Konfessionen, darunter 3,5 Prozent Katholiken, gesellschaftlich in hohem Ansehen, weil sie viele Hilfsprojekte betreiben, unter anderem für die Wanderarbeiter, die unter prekären Umständen inmitten des reichen Staatstaates leben. So erinnerte denn Kardinal Goh, der erste Kardinal Singapurs, in seiner Grußadresse am Ende der Messe daran, wie häufig Papst Franziskus „im Namen der Stimmlosen, der Flüchtlinge und der Opfer von Krieg und Migration gesprochen“ habe. „Wir werden daran erinnert, dass wir berufen sind, eine Kirche der Armen und eine Kirche für die Armen zu sein“, so der Kardinal.
Singapur ist die letzte Station auf der Vierländerreise von Papst Franziskus. Er hatte sie in Indonesien begonnen und in Papua-Neuguinea sowie Osttimor fortgesetzt. Am Freitagabend wird Franziskus nach zwölf Tagen zurück in Rom erwartet.