5 Stufe des Glaubens: Der verbindende Glaube
>(Selten vor der Lebensmitte erreicht – typisch ab etwa 40–50 Jahren oder später)
Wenn Glaube zur Weisheit wird
Die fünfte Stufe des Glaubens ist selten – nicht, weil sie unerreichbar wäre, sondern weil sie eine tiefe innere Reife voraussetzt, die meist nur durch gelebtes Leben, Krisen, Erkenntnisse und inneres Reifen entsteht. Diese Stufe markiert den Übergang vom suchenden, hinterfragenden Glauben hin zu einem integrierten, weiten und verbindenden Bewusstseinszustand, der nicht mehr in Gegensätzen denkt, sondern das Ganze zu erfassen beginnt.
Der Mensch hat auf dieser Stufe gelernt, dass Wahrheit mehrdimensional ist – dass es nicht „richtig oder falsch“ gibt, sondern dass verschiedene Perspektiven Aspekte des Göttlichen widerspiegeln können.
Er beginnt zu erkennen: Gott ist größer als jede Lehre, tiefer als jede Religion, lebendiger als jedes Dogma.
Merkmale des verbindenden Glaubens
Diese Glaubensstufe ist geprägt von einer inneren Synthese. Der Mensch hat die bisherigen Stufen nicht verlassen oder verworfen – sondern in sich integriert.
Er kann:
-
das kindliche Vertrauen wieder spüren (Stufe 1),
-
in Geschichten und Symbolen Wahrheit erkennen (Stufe 2),
-
Zugehörigkeit leben ohne Abgrenzung (Stufe 3),
-
reflektieren und zweifeln ohne Verzweiflung (Stufe 4) –
und dennoch aus einem tiefen inneren Zentrum heraus handeln, das nicht mehr zwischen „mein Glaube“ und „dein Glaube“ unterscheidet, sondern das Göttliche im Anderen erkennt.
Weitere Merkmale:
-
Toleranz, Weite und innerer Friede bestimmen das Glaubensleben.
-
Es entsteht eine authentische spirituelle Autorität, die nicht belehrt, sondern inspiriert.
-
Der Mensch erkennt Zusammenhänge zwischen Religionen, Weisheitstraditionen und innerem Erleben.
-
Es besteht ein tiefes Bedürfnis, zu dienen, zu heilen, zu verbinden, nicht aus Pflicht, sondern aus Liebe.
-
Der Mensch erkennt das Göttliche nicht nur im Gebet oder in heiligen Texten – sondern im Alltag, im Gegenüber, in sich selbst.
Die Sprache des Herzens
Der verbindende Glaube verlässt zunehmend die Sprache des Dogmas. Worte wie „richtig“, „wahr“, „falsch“, „allein selig machend“ verlieren an Bedeutung. Stattdessen spricht dieser Glaube die Sprache des Herzens – einfühlsam, respektvoll, geistig wach.
Ein solcher Mensch kann:
-
mit einem Muslim beten,
-
in einer buddhistischen Meditation Frieden finden,
-
im Evangelium Kraft spüren
– ohne den eigenen Weg zu verlieren. Denn sein innerer Glaube ist nicht an äußere Formen gebunden, sondern in der Essenz des Göttlichen verwurzelt.
Der Glaube wird gelebte Einheit
Diese Stufe ist zutiefst spirituell, aber nicht „abgehoben“. Menschen mit verbindendem Glauben sind oft unauffällig, wirken aber durch Tiefe, Präsenz und Mitgefühl. Sie brauchen keinen Titel, kein Amt, keine Bühne – sie sind einfach da, wo das Leben sie braucht.
Sie leben in einer bewussten Verbindung mit dem Göttlichen, ohne es ständig erklären zu müssen. Sie wirken durch das, was sie ausstrahlen, nicht nur durch das, was sie sagen. Ihr Leben wird zur Botschaft – still, aber kraftvoll.
Chancen und Herausforderungen
Chancen:
-
Tiefer innerer Frieden und spirituelle Reife, die nicht mehr erschüttert werden kann.
-
Versöhnung mit früheren Lebensphasen, mit Zweifeln, Brüchen und Umwegen.
-
Verbindung mit dem Göttlichen in allen Dingen – auch im Leiden, im Alltag, im scheinbar Profanen.
-
Das Bedürfnis, zu dienen und Brücken zu bauen, ohne sich selbst zu verlieren.
Herausforderungen:
-
Diese Stufe wird oft nicht verstanden – sie kann einsam machen, weil sie sich dem üblichen Schwarz-Weiß-Denken entzieht.
-
Es kann geschehen, dass andere Menschen diesen Glauben als „zu weich“, „unklar“ oder „unkonventionell“ ablehnen.
-
Die Verbindung mit bestehenden religiösen Institutionen ist nicht immer einfach, da diese oft auf Stufe 3 oder 4 stehen bleiben.
Die Templerperspektive auf diese Stufe
In der Templertradition entspricht der verbindende Glaube dem inneren Meister, demjenigen, der gelernt hat, Kampf, Zweifel, Suche und Erkenntnis zu transzendieren – nicht durch Flucht, sondern durch gelebte Durchdringung.
Der verbindende Glaube ist das, was in der esoterischen Templerschulung oft als „Tempel im Herzen“ beschrieben wird:
Ein Ort innerer Stille, Klarheit und lichtvoller Verbundenheit, der alle Formen durchdringt und verwandelt.
Der wahre Templer erkennt, dass sein Dienst nicht im Kämpfen, sondern im Stillwerden, Dienen, Verbinden liegt. Nicht mehr das Trennen, sondern das Überwinden der Trennung steht im Zentrum.
Fazit: Die Rückkehr zur Einheit
Die fünfte Stufe – der verbindende Glaube – ist keine intellektuelle Leistung, kein moralischer Triumph. Sie ist Frucht eines langen inneren Weges, oft durch Schmerz, Zweifel, Aufbruch und Versöhnung hindurch.
Es ist die Stufe, auf der Gott nicht mehr erklärt, sondern erlebt wird.
Nicht als „Er“, nicht als „Sie“, sondern als das unaussprechlich Lebendige, das in allem wohnt und durch alles wirkt.
Und wer auf dieser Stufe wandelt, wird selbst zum Tempel – nicht aus Stein, sondern aus Licht.