Sukzession bei den Kirchenvätern
Die apostolische Sukzession ist ein zentrales Thema der frühchristlichen Theologie und Kirchengeschichte, das die Kontinuität der christlichen Lehre und Führung über die Generationen hinweg gewährleisten soll. Die Kirchenväter, besonders jene, die im 2. und 3. Jahrhundert wirkten, spielten eine wichtige Rolle in der Ausformulierung und Verteidigung dieses Konzepts.
Der Erste Klemensbrief
Der Erste Klemensbrief, der um das Jahr 96 n. Chr. verfasst wurde, ist einer der frühesten Hinweise auf die kirchliche Sukzession. In diesem Brief verteidigt Klemens, ein Bischof von Rom, die Autorität und Legitimität der Bischöfe, die nach den Aposteln eingesetzt wurden. Er beschreibt, wie die Apostel, um zukünftige Konflikte um die Bischofswürde zu vermeiden, vertrauenswürdige Männer auswählten und ihnen die Aufgabe übertrugen, die Leitung der Kirche zu übernehmen. Es wird betont, dass diese Auswahl unter Zustimmung der ganzen Gemeinde stattfand.
In diesem Brief wird deutlich, dass die apostolische Sukzession eine Art Gewährleistung für die Rechtmäßigkeit der kirchlichen Führung darstellt. Auch wenn der Brief keine direkte Aussage über eine ununterbrochene Kette von Handauflegungen trifft, wird die Zustimmung der Gemeinde als entscheidender Teil des Einsetzungsprozesses eines Bischofs hervorgehoben. Dennoch ist die Vorstellung einer apostolischen Kette schon hier implizit vorhanden.
Frauenordination und Sukzession
Ein wesentliches Thema im Zusammenhang mit der apostolischen Sukzession ist die Frage der Frauenordination. In der Tradition der Alten Kirche war das Weihesakrament ausschließlich Männern vorbehalten. Dies wurde von den großen vorreformatorischen Kirchen – der römisch-katholischen, der orthodoxen und den altorientalischen Kirchen – stets so praktiziert. Frauen konnten somit kein Bestandteil einer gültigen Sukzessionslinie sein. Auch heute noch halten viele dieser Kirchen an dieser Praxis fest.
In protestantischen Traditionen jedoch, besonders in der anglikanischen Kirche und einigen altkatholischen Kirchen, ist die Frauenordination verbreitet. In diesen Kirchen gibt es auch Frauen, die das Bischofsamt ausüben. Das führt zu einer teilweise wechselseitigen Anerkennung, aber auch zu Konflikten zwischen den Kirchen, die nur männliche Bischöfe als Teil der apostolischen Sukzession anerkennen, und den Kirchen, die auch Frauen in der Sukzession zulassen.
Hegesippus und die Überlieferung der Lehre
Ein wichtiger Zeuge für die apostolische Sukzession ist der Kirchenvater Hegesippus, der im 2. Jahrhundert lebte. Hegesippus unternahm Reisen zu verschiedenen Gemeinden und berichtete, dass er überall dieselbe Lehre vernahm. Dies betrachtete er als Beweis für die Kontinuität der Glaubensüberlieferung, die auf die Apostel zurückgeht. Er widersprach damit den gnostischen Lehren, die behaupteten, eine geheime Lehre Christi zu besitzen, die den regulären Gemeinden unbekannt sei.
Hegesippus erstellte zudem eine Bischofsliste, die die Nachfolge von Simon Petrus bis Anicetus, einem Bischof von Rom, aufzeigt. Diese Liste ist eine der frühesten ihrer Art und könnte später von Kirchenhistorikern wie Eusebius von Caesarea und Irenäus von Lyon übernommen worden sein.
Irenäus von Lyon und die Verteidigung der apostolischen Sukzession
Der Kirchenvater Irenäus von Lyon war einer der schärfsten Gegner der gnostischen Bewegungen des 2. Jahrhunderts. In seinem Hauptwerk “Adversus Haereses” (Gegen die Häresien) argumentierte er gegen die gnostische Behauptung, dass es eine verborgene, esoterische Lehre Christi gebe, die nur bestimmten Eingeweihten zugänglich sei. Stattdessen betonte er, dass die gesamte Lehre Christi den Aposteln offenbart und von diesen an die Gemeinden weitergegeben wurde.
Um diese Kontinuität zu verdeutlichen, stellte Irenäus eine Liste der Bischöfe auf, die sich von den Aposteln bis zu seiner Zeit erstreckt. Obwohl der historische Wert dieser Liste nach heutigen Maßstäben als begrenzt angesehen wird, hatte sie in der theologischen Argumentation von Irenäus eine wichtige Funktion: Sie sollte die ungebrochene Überlieferung der wahren Lehre durch die offizielle Kirche aufzeigen und somit den Anspruch der Gnostiker widerlegen.
Der Patrologe Norbert Brox bemerkte dazu, dass die Bischofsliste bei Irenäus weniger auf historischen Forschungen beruhte, sondern vielmehr auf theologischen Vorstellungen. Für Irenäus war es entscheidend, zu zeigen, dass die christliche Lehre in einer ununterbrochenen Linie von den Aposteln überliefert wurde – und dass dies ein wesentliches Kriterium für die Echtheit und Unverfälschtheit der Lehre war.
Wechselseitige Anerkennung und Auseinandersetzungen
Die Frage der apostolischen Sukzession ist bis heute ein Thema, das die Konfessionen trennt und verbindet. Während die vorreformatorischen Kirchen die Sukzession weitgehend wechselseitig anerkennen, gibt es Differenzen in der Anerkennung der Sukzession der anglikanischen Kirche und der Kirchen, die Frauen zum Bischofsamt zulassen. So erklärte Papst Leo XIII. 1896 in seiner Bulle Apostolicae curae, dass die anglikanischen Weihen ungültig seien, was bis heute eine offizielle Trennungslinie zwischen den katholischen und anglikanischen Kirchen darstellt.
Die Sukzession bleibt somit ein zentraler Bezugspunkt in der Ökumene, da sie einerseits die gemeinsame Vergangenheit der Kirchen unterstreicht, aber andererseits auch ein Mittel zur Abgrenzung und Definition konfessioneller Identität darstellt.
Fazit
Die Sukzession bei den Kirchenvätern ist sowohl ein Ausdruck des Wunsches nach Kontinuität in der Lehre als auch ein Abwehrmechanismus gegen Häresien, besonders die Gnosis. Während die historischen Grundlagen mancher Sukzessionslisten hinterfragt werden können, war für die Kirchenväter wie Irenäus von Lyon die theologische Bedeutung dieser Kontinuität entscheidend. Sie sahen in der apostolischen Sukzession den Garant für die Bewahrung der wahren christlichen Lehre und die Legitimität der kirchlichen Führung.