+ Syrischer Erzbischof sprach über Angst und Hoffnung
Die Situation der Christen in Syrien und dem Irak war ein zentrales Thema der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, die vom 10. bis 13. März 2025 im Kloster Steinfeld stattfindet. Im Rahmen eines Pressegesprächs unter dem Titel „Zwischen Angst und Hoffnung: Zur Lage der Christen zwischen Damaskus und Bagdad“ sprach Erzbischof Jacques Mourad, syrisch-katholischer Erzbischof von Homs, über die aktuellen Entwicklungen in Syrien.
Auf eine Frage von Radio Vatikan/Vatican News nach Neuigkeiten zum Verbleib des 2013 entführten italienischen Jesuiten Pater Paolo Dall’Oglio, äußerte Erzbischof Jacques Mourad vorsichtige Hoffnung: „Zwei Wochen nach dem Sturz des Assad-Regimes habe ich mit einem jungen Priester gesprochen. Am letzten Sonntag hat dieser Priester mich kontaktiert und mir ein Video gezeigt, in dem ein mitentführter Mitbruder zu sehen war. Deshalb bin ich voller Hoffnung für das Schicksal von Pater Dall’Oglio.“
Mourad, der selbst 2015 von Dschihadisten entführt und fünf Monate lang festgehalten wurde, schilderte die ambivalente Stimmung in der Bevölkerung nach dem unerwarteten Sturz des Assad-Regimes: „Das gesamte syrische Volk war über die Befreiung erfreut. Doch nun sehen wir, dass sich die Gefängnisse wieder füllen, besonders mit Alawiten. Die neue Regierung besteht ausschließlich aus Sunniten, und es gibt ernsthafte Bestrebungen, die Scharia als Grundlage der Gesetzgebung zu etablieren. Dies gefährdet das syrische Mosaik aus Religionen und Ethnien.“
Während die Freude über das Ende einer jahrzehntelangen Diktatur groß war, wächst nun die Sorge vor einem zunehmend islamistischen Staat. Mourad betonte, dass die Vielfalt Syriens – mit Christen, Alawiten, Drusen, Kurden und weiteren Minderheiten – eine zentrale Stärke des Landes sei und auch künftig geschützt werden müsse.
Erzbischof Udo Markus Bentz, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Kommission Weltkirche, berichtete von seinem jüngsten Besuch im Irak. Dort sei die Lage der Christen weiterhin angespannt. „Die Christen im Nahen Osten sehen sich als ‚Christen des Orients‘ und nicht nur als eine fremde Minderheit. Doch die Rahmenbedingungen verschlechtern sich zunehmend“, so Bentz.
Besonders besorgniserregend sei die Freilassung islamistischer Kämpfer in Syrien, was auch den Irak destabilisieren könnte. Bentz wies zudem auf den wachsenden Einfluss Irans hin und kritisierte den Stopp der USAID-Hilfen für den Nahen Osten. Trotz der schwierigen Lage habe die christliche Gemeinschaft eine herausragende Rolle in der humanitären Hilfe. Dank internationaler Unterstützung, darunter auch aus Deutschland, konnten Kirchen in der Ninive-Ebene wieder aufgebaut werden.
Bischof Bertram Meier, Vorsitzender der Kommission Weltkirche, wies darauf hin, dass Syrien erneut in den Schlagzeilen steht. Die Sorge vor einer erneuten Verfolgung von Christen sei groß, insbesondere nach jüngsten Massakern. „Die Angst vor einer neuen islamistischen Regierung ist berechtigt. Die letzten Ereignisse lassen die Alarmglocken läuten“, so Meier.
Mourad appellierte an die internationale Gemeinschaft, sich aktiv am Wiederaufbau Syriens zu beteiligen. Besonders wichtig seien Verfassungsreformen, freie Wahlen unter UN-Aufsicht sowie Investitionen in Bildung und Gesundheit. Er schlug zudem vor, dass europäische Länder Fertighäuser für Vertriebene bereitstellen, um die akute Wohnungsnot zu lindern.
Jüngste Massaker an Alawiten und Verantwortung der Regierung
Erzbischof Mourad sprach auch über die Massaker an Alawiten, die sich in den vergangenen Tagen ereignet hatten. Dabei nahm er kein Blatt vor den Mund: „Die direkte Verantwortung für diese Gräueltaten trägt die derzeitige Regierung.“ In Syrien seien seit Jahren alle religiösen Gruppen Opfer von Gewalt geworden, aber der jüngste Terror gegen die Alawiten sei besonders besorgniserregend.
Syrien und die Zukunft der Rückkehrer
Ein weiteres Thema war die Frage nach der Rückkehr syrischer Flüchtlinge aus Deutschland. Mourad erklärte, dass er keine direkten Informationen über aktuelle Abschiebungen habe. Grundsätzlich sei es aber eine gute Idee, wenn Syrien stabiler werde und eine Zusammenarbeit mit Deutschland entstehen könne. „Wenn Syrien ein sicheres Land wird, könnten auch syrische Flüchtlinge, die in Deutschland ausgebildet wurden, helfen, das Land wiederaufzubauen“, so der Erzbischof.
Er forderte zudem verstärkte Investitionen in Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur, um den Menschen im Land eine Perspektive zu geben. Besonders die Schaffung von Unterkünften für Rückkehrer und Vertriebene sei dringend notwendig. Mourad schlug vor, dass europäische Länder Fertighäuser bereitstellen, um temporäre Wohnlösungen zu schaffen, bis zerstörte Städte wieder aufgebaut sind.
Christen als Brückenbauer in schwierigen Zeiten
Trotz aller Herausforderungen sehen die Kirchenvertreter in Syrien und dem Irak weiterhin eine Zukunft für das Christentum im Nahen Osten. Mourad betonte, dass die Kirche eine Schlüsselrolle in der Versöhnung und im sozialen Zusammenhalt spielen könne: „Die christlichen Gemeinden dienen als Brückenbauer. Es braucht mehr Orte der Begegnung, die zu Oasen des Friedens werden.“
Die Deutsche Bischofskonferenz unterstrich ihre Solidarität mit den Christen im Nahen Osten und betonte, dass die Unterstützung fortgesetzt werde. Doch klar sei auch: Die Zukunft der christlichen Gemeinden in Syrien und dem Irak hängt maßgeblich von politischen Entwicklungen und internationaler Hilfe ab.