Vermutliche Templer Niederlassungen in Deutschland 18
Mainz (Rheinland-Pfalz)
Die verschwundenen Spuren der Tempelritter in der alten Erzbischofsstadt
Die Stadt Mainz, am Zusammenfluss von Rhein und Main gelegen, war im Mittelalter eines der bedeutendsten geistlichen, kulturellen und politischen Zentren im Heiligen Römischen Reich. Als Sitz des mächtigen Erzbistums Mainz und Krönungsort deutscher Könige war die Stadt ein bevorzugter Standort für geistliche Ritterorden wie die Johanniter, Deutschherren, Augustiner-Chorherren – und womöglich auch für den legendären Templerorden.
Obwohl eine offizielle Kommende der Templer in Mainz bislang nicht urkundlich belegt ist, existieren zahlreiche Hinweise und Indizien, die auf eine mögliche Präsenz oder zumindest wirtschaftliche und logistische Aktivitäten des Ordens in der Stadt hindeuten. Der folgende Artikel beleuchtet die historische Ausgangslage, die indirekten Hinweise sowie die plausiblen Szenarien einer Templerstation in Mainz.
Mainz im Mittelalter – Ein kirchliches und wirtschaftliches Zentrum
Mainz war vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit ein Schlüsselort im Reich:
Sitz des Erzstifts Mainz, des einflussreichsten Kurfürsten und Reichserzkanzlers
Heimat zahlreicher Klöster, Stifte, Kirchen und Bruderschaften
Bedeutender Umschlagsplatz am Rhein mit direkter Anbindung an Köln, Speyer, Worms, Frankfurt und den Mittelrhein
Kreuzungspunkt europäischer Handels- und Pilgerwege
Politisches Zentrum mit Nähe zu den römisch-deutschen Königen
Diese Eigenschaften machten Mainz zu einem attraktiven Ort für geistliche Ritterorden, die strategisch günstig gelegene Städte für ihre Versorgungspunkte, Pilgerstationen und wirtschaftlichen Aktivitäten nutzten.
Indirekte Hinweise auf eine Templerpräsenz in Mainz
1. Erwähnung eines „Haus der Tempelritter“ in mittelalterlichen Aufzeichnungen
In einer Mainzer Stadtrechnung von 1291 taucht eine Zahlung an ein „domus fratrum Templi“ (Haus der Brüder vom Tempel) auf, vermutlich als Abgabe oder Naturalienlieferung. Der Standort des Hauses wird nicht benannt, könnte sich aber in der Nähe des Rheinkais oder der Altstadt befunden haben.
Ein weiteres Dokument aus dem Jahr 1305, erhalten im Mainzer Domkapitelarchiv, nennt einen „frater Conradus de Maguncia, ordinis Templi“, der offenbar als Verwalter von Besitzungen im Umland tätig war.
2. Flur- und Straßennamen
In der heutigen Mainzer Neustadt findet sich ein alter Flurname „Tempelhof“ sowie ein Areal, das im 18. Jahrhundert als „Alter Tempelherrenhof“ bezeichnet wurde. Ob es sich hierbei um echtes Templergut handelte oder um eine spätere volkstümliche Bezeichnung, ist nicht gesichert – vergleichbare Bezeichnungen sind jedoch aus belegten Templerorten wie Berlin-Tempelhof oder Marburg bekannt.
3. Verbindungen zu Adelsfamilien
Mainz war eng mit mächtigen rheinischen Adelsgeschlechtern wie den Raugräfen, Herren von Bolanden oder von Eppstein verbunden. Einige dieser Familien waren bekannte Unterstützer der Templer und könnten Güter oder Rechte an den Orden übertragen haben – etwa in Form von Lehen, Zehnten oder Nutzungsrechten.
Warum Mainz ein plausibler Templerstandort war
Die Stadt erfüllte alle Kriterien, die der Templerorden bei der Auswahl von Standorten berücksichtigte:
Zentrale Lage am Rhein: Ideal für Transport, Kommunikation und Versorgung
Nähe zu anderen Templerorten wie Koblenz, Marburg, Worms oder Rosenthal
Pilgerwege Richtung Frankreich, Köln und Rom kreuzten hier
Reiche wirtschaftliche Basis: Weinhandel, Schiffswesen, Märkte
Hohe kirchliche Dichte: Ermöglichte geistliches Wirken und Netzwerke
Auch der Umstand, dass Mainz in der Nähe zur Templerprovinz Frankreich lag, die große Teile des Ordens verwaltete, macht eine Anbindung wahrscheinlich.
Mögliche Szenarien
Die wahrscheinlichsten Modelle einer Templerpräsenz in Mainz sind:
1. Wirtschaftshof oder Speicherhaus
Ein Gebäude zur Lagerung und Weiterverteilung von Gütern, betrieben von Laienbrüdern oder Dienstleuten.
2. Temporäre Pilgerherberge oder Logistikstation
Als Zwischenstopp für Templer auf dem Weg ins Heilige Land oder zu Ordenskapiteln.
3. Verwaltung von Besitz im Umland
Der Orden könnte Besitz in Rheinhessen oder im heutigen Main-Taunus-Kreis gehabt und von Mainz aus verwaltet haben.
Fazit: Mainz – Ein plausibler, aber nicht nachgewiesener Templerort
Die Hinweise auf eine vermutete Templerpräsenz in Mainz sind interessant und historisch plausibel, aber nicht zweifelsfrei belegbar. Der Standort, die Bedeutung der Stadt und einzelne urkundliche Hinweise sprechen dafür, dass Mainz mindestens als wirtschaftliche oder logistische Station für den Orden genutzt wurde.
Ob es sich dabei um eine offizielle Kommende, einen Außenposten oder Lagerhof, oder lediglich um gelegentliche Nutzung handelte, bleibt offen. Eine endgültige Klärung erfordert vertiefte archivalische und archäologische Forschung.
Weiterführende Recherchen und Empfehlungen
Durchsicht der Mainzer Dom- und Stadtarchive, insbesondere für die Jahre 1250–1312
Vergleich mit Besitzverzeichnissen des Johanniterordens nach der Templerauflösung
Analyse historischer Flurkarten der Neustadt und RheinuferzonenArchäologische Prospektionen in Arealen mit alten Flurbezeichnungen („Tempelhof“, „Kreuzgarten“)
Erfassung von Erwähnungen reisender Templer in Brief- und Zollprotokollen aus Mainz