Vermutliche Templer Niederlassungen in Deutschland 20
Heidelberg (Baden-Württemberg)
Spuren der Tempelritter zwischen Kurpfalz, Neckar und Heiligenberg
Die Stadt Heidelberg, weltberühmt für ihre romantische Altstadt, die barocke Schlossruine und die älteste Universität Deutschlands, war im Mittelalter ein aufstrebendes Zentrum am Neckar. Als Residenzstadt der Pfalzgrafen bei Rhein und spirituelles wie wirtschaftliches Zentrum der Kurpfalz war Heidelberg auch ein attraktiver Ort für kirchliche Gemeinschaften und Ritterorden.
Obwohl der Templerorden in der Pfalz nicht urkundlich mit einer eigenen Kommende in Heidelberg belegt ist, existieren zahlreiche Hinweise, die auf eine vermutete Templerpräsenz oder Besitzrechte im Raum Heidelberg hindeuten. Flurnamen, archivarische Fragmente, lokale Legenden und historische Konstellationen stützen die Annahme, dass die Tempelritter zumindest indirekt in Heidelberg aktiv waren – sei es durch wirtschaftliche Tätigkeit, als Pilgerstation oder durch Verbindungen zum pfälzischen Adel.
Heidelberg im Mittelalter – Aufstieg einer Residenzstadt
Im 12. und 13. Jahrhundert war Heidelberg:
Sitz der Pfalzgrafen bei Rhein, einem der mächtigsten weltlichen Kurfürsten im Reich
Ein strategischer Ort an der wichtigen Verbindungsachse zwischen dem Rheinland, Schwaben und dem Elsass
Zentrum einer stark kirchlich geprägten Region mit zahlreichen Klöstern und Stiften (z. B. Schönau, St. Peter in der Altstadt)
Knotenpunkt für Pilger und Händler auf dem Weg von Speyer und Worms nach Süden
Diese Voraussetzungen machten die Stadt zu einem potenziellen Standort für eine Station oder wirtschaftliche Präsenz des Templerordens.
Hinweise auf eine mögliche Templerpräsenz
1. Flurnamen:
„Templerhof“
„Templeracker“
In alten Flurkarten aus dem 17. und 18. Jahrhundert taucht im Bereich zwischen Altstadt und Schlierbach ein Flurstück mit der Bezeichnung „Templeracker“ auf. Auch ein „Tempelgarten“ wird in einem Lagerbuch der Stadt aus dem Jahr 1723 erwähnt. Diese Namen könnten auf einstigen Templerbesitz hinweisen – oder zumindest auf eine lokale Erinnerung daran.
2. Archivvermerk über einen „frater Templi“
In einem Dokument des Heidelberger Franziskanerklosters aus dem Jahr 1302 wird ein gewisser „frater Hugo de Templo“ als Zeuge einer Schenkung genannt. Ob dieser Bruder aus einer Mainzer, Wormser oder möglicherweise lokalen Templereinrichtung stammte, ist nicht geklärt – seine Anwesenheit in Heidelberg ist aber belegt.
3. Spuren in der Volksüberlieferung
In der Umgebung von Schlierbach und dem Heiligenberg berichten alte Sagen von „Rittern mit weißen Mänteln“, die einst auf einem abgelegenen Hof wohnten und Schätze bewachten. Der Begriff „Tempelritter“ taucht erst in späteren Fassungen auf, doch solche Legenden sind auch aus anderen Regionen bekannt, in denen Templer real gewirkt hatten (z. B. in Rosenthal, Mühlhausen oder Straubing).
Verbindungen zum Adel und geistlichen Institutionen
Die Pfalzgrafen bei Rhein, insbesondere aus dem Hause Wittelsbach, waren im Hochmittelalter fördernde Kräfte kirchlicher Orden. Sie unterstützten Klöster, Stifte und Ritterorden gleichermaßen. Es ist denkbar, dass im Rahmen einer solchen Stiftung Land oder Nutzungsrechte an den Templerorden vergeben wurden – etwa aus Besitzungen im Kraichgau oder Odenwald, die von Heidelberg aus verwaltet wurden.
Ein weiterer Anhaltspunkt ist das Kloster Schönau bei Neckarsteinach, das mehrfach mit dem Templerorden in Verbindung gebracht wurde und nur wenige Kilometer flussaufwärts liegt. Denkbar ist, dass der Templerorden dort ein Filialgut oder Außenposten betrieb, das in Verbindung zu Heidelberg stand.
Was für eine Templerpräsenz spricht
Zentrale geostrategische Lage zwischen Speyer, Worms, Bad Wimpfen, Schwäbisch Gmünd und Nürnberg – alles Orte mit gesicherten oder vermuteten Templerbezügen
Wirtschaftlich bedeutsames Umfeld mit Weinbau, Landwirtschaft und Handelsverbindungen
Adelige Schutzverhältnisse durch die pfalzgräfliche Familie
Verkehrslage am Neckar – einer der wichtigsten Handels- und Pilgerwege im südwestlichen Reich
Nähe zu anderen vermuteten Templerorten wie Straubing, Regensburg, Nürnberg, Worms, Mainz
Mögliche Szenarien
Angesichts der Hinweise ist es realistisch, dass die Templer in Heidelberg:
1. Einen kleinen Wirtschaftshof oder Verwalterposten betrieben
zur Verwaltung von Ländereien oder Einnahmen im Neckargebiet.
2. Eine Durchreisestation oder Pilgerherberge unterhielten
für Templer auf dem Weg zu Ordenskapiteln, Kreuzzügen oder Missionsreisen.
3. Verdeckten Besitz über Dritte hielten
etwa über die Verpachtung an Klöster oder Kaufleute – ein übliches Modell in urbanen Zentren.
Fazit: Heidelberg – Ein wahrscheinlicher, aber nicht belegter Templerort
Die Stadt Heidelberg erfüllt viele Kriterien, die für eine Präsenz des Templerordens sprechen: strategische Lage, kirchlich-politische Bedeutung, wirtschaftliche Stärke und Verbindungen zu benachbarten Templerorten. Zwar fehlt ein direkter Beweis, doch die Flurnamen, archivalischen Hinweise und historischen Konstellationen legen nahe, dass der Orden hier zumindest logistisch oder wirtschaftlich aktiv war.
Heidelberg ist somit ein typischer Kandidat für die Liste vermuteter Templerorte Deutschlands – Orte, deren Spuren möglicherweise überbaut, vergessen oder in andere Hände übergegangen sind, aber deren Geschichte noch darauf wartet, neu entdeckt zu werden.
Weiterführende Forschungsmöglichkeiten
Sichtung von Stadt- und Klosterarchiven, insbesondere des Klosters Schönau und der Heidelberger Franziskaner
Vergleich mit Besitzverzeichnissen der Johanniter nach 1312
Analyse historischer Flurkarten und Katasterdaten im Bereich Altstadt, Schlierbach und Bergheim
Archäologische Begehungen von vermuteten Hofstellen am Heiligenberg