✠✠✠✠✠✠ ASTO TEMPLER-BLOG ✠✠✠✠✠✠

Wenn Religion politisiert wird: Die Gefahr der Verfälschung

Wenn die Religion politisiert wird, dann wird sie verfälscht. Ein Glaube, der nicht in Demut und Zweifel verankert ist, sondern sich als politische Vollstreckung einer eindeutigen religiösen Idee versteht, verkommt zur Ideologie. Eine solche ideologisierte Religion sieht sich nicht als wahrheitssuchend an, sondern setzt die vermeintliche Wahrheit durch. Hier wird unter dem Deckmantel der Religion eine Ideologie durchgesetzt, die jede politische Entscheidung religiös deuten will – mit der Geste, dass nicht sie, sondern der eine Gott selbst hier am Werk ist. Damit wird dem pluralen Raum einer politischen Streitkultur jede Legitimität entzogen.

Diese Zweckentfremdung der Religion darf nicht hingenommen werden. Wir benötigen die Einsicht, dass wir uns als Menschen nicht von einer Ideologie vereinnahmen lassen wollen, erst recht nicht, wenn sie im Namen der Religion geschieht. Doch der Glaube macht den Menschen nicht politisch impotent. Im Gegenteil. Der Glaube, der auch und insbesondere Sinn und Pflicht für die Gerechtigkeit bedeutet, soll zum friedlichen Zusammenhalt, zur Gestaltung einer sinnhaften, gerechten Mehrheitsgesellschaft inspirieren.

Sich politisch einzumischen heißt, wertebasiert für die Gestaltung einer gerechten und humanen Gesellschaft einzustehen. Es geht dabei um Werte wie Gerechtigkeit, Gleichheit und Barmherzigkeit, die aus religiöser Überzeugung hervorgehen können. Diese Werte müssen jedoch universelle Werte sein und keine Privatwerte einer bestimmten Weltanschauung, die den jeweils anderen ungleich behandelt.

Religion verpflichtet zur Mitmenschlichkeit. Sie erlaubt den Gläubigen nicht, die Ungerechtigkeiten der Welt zu ignorieren, sondern fordert eine mitfühlende Haltung, die die Frage aufdrängt, was es heißt, ein Mensch zu sein. Eine Religion, die im Namen der Gerechtigkeit handelt, wird nicht zur Ideologie, sondern bleibt eine Quelle der Inspiration und des moralischen Handelns.

Wenn Religion als Mittel zur politischen Macht benutzt wird, wird ihre spirituelle Essenz verdreht. Wahre religiöse Überzeugung basiert auf einer Suche nach Wahrheit, die immer auch Zweifel und Demut einschließt. Diese Suche widerspricht dem Absolutheitsanspruch einer politischen Ideologie. Der Glaube an eine höhere Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sollte vielmehr die Politik dazu anregen, humane und gerechte Entscheidungen zu treffen, anstatt sie zu instrumentalisieren.

Wir müssen wachsam sein gegenüber der Politisierung von Religion. Sie gefährdet den pluralen und demokratischen Diskurs und führt zu einer Verhärtung von Fronten, die das gesellschaftliche Zusammenleben bedroht. Eine wahrhaftige Religion inspiriert uns dazu, uns für eine gerechte und mitfühlende Gesellschaft einzusetzen, ohne dabei die Freiheit und die Würde des Einzelnen zu opfern.

Es ist unsere Aufgabe, den Glauben so zu leben und zu verstehen, dass er die Menschlichkeit in den Vordergrund stellt und die gesellschaftliche Vielfalt anerkennt. Wir sollten unsere religiösen Werte nutzen, um Brücken zu bauen und den Zusammenhalt zu stärken, anstatt sie als Werkzeug zur Durchsetzung politischer Macht zu missbrauchen. Nur so können wir sicherstellen, dass Religion ihre wahre Bestimmung erfüllt: ein Wegweiser für ein mitfühlendes und gerechtes Leben zu sein.

Schreibe einen Kommentar