Zur Gefahr der Mythisierung von Politikern
Nach der Geiselfreilassung:
Die Nachricht von der Freilassung der Geiseln brachte in Israel wie in der ganzen Welt große Erleichterung und Freude. Doch zugleich entzündete sich eine Debatte, die weit über den politischen Moment hinausweist. Worte des Lobes auf den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, die ihn in eine Linie mit Kyros dem Großen stellten, werfen Fragen auf, die Theologen und geistliche Lehrer gleichermaßen beunruhigen.
Politische Tat oder heilsgeschichtliches Ereignis?
Der Sprecher der israelischen Knesset, Amir Ohana, erklärte, Trump sei nicht nur ein amerikanischer Präsident, sondern „eine Größe der jüdischen Geschichte“, vergleichbar mit Kyros, dem Befreier der Israeliten aus dem babylonischen Exil.
Solche Vergleiche erheben politische Entscheidungen in den Rang heilsgeschichtlicher Ereignisse. Sie übertragen den Glanz biblischer Verheißungen auf einen einzelnen Menschen, der – wie jeder Herrscher – den Begrenzungen und Schwächen irdischer Macht unterworfen ist.
Warnung der Theologen
Die Grazer Alttestamentlerin Irmtraud Fischer sieht darin eine gefährliche Vermischung: „Die Häufung der biblischen Bezüge auf die Trump-Administration ist mehr als fragwürdig. Die fundamentalistische Unterfütterung politischer Handlungen mit religiöser Sprache ist für den Erhalt der Demokratie brandgefährlich.“
Auch Oliver Dyma aus Münster warnt: Das Jesajabuch bezeichnet Kyros als „Gesalbten, als Messias“. Evangelikale Strömungen hätten längst begonnen, diesen Vergleich mit Trump zu kultivieren. Doch diese Politik sei weniger am Judentum interessiert als an endzeitlichen Vorstellungen vom Wiederkommen Christi.
Hier zeigt sich die Gefahr: Wer aktuelle Politiker mit biblischen Gestalten gleichsetzt, öffnet dem ideologischen Missbrauch von Religion Tür und Tor.
Die Stimme aus Gaza
Auch aus der Region selbst meldeten sich warnende Stimmen. Ein Pfarrer aus Gaza sprach von „Freude und Angst zugleich“. Freude über die Rückkehr der Geiseln, aber auch die Sorge, dass Israel mit der Dankbarkeit für diese Tat zugleich in eine Abhängigkeit von kolonialer Politik gedrängt werden könnte.
Templerische Betrachtung
Wir Templer sehen in solchen Entwicklungen ein Muster, das die Geschichte durchzieht: die Versuchung, irdische Herrscher in Messiasgestalt zu verklären. Schon im Altertum erhoben sich Könige, die sich göttliche Attribute zuschrieben – doch stets führte dies in Knechtschaft, nicht in Befreiung.
Die Schrift lehrt uns: „Setzt nicht euer Vertrauen auf Fürsten, auf Menschenkinder, bei denen keine Rettung ist“ (Psalm 146,3). Die wahre Befreiung kommt nicht durch die Hand von Politikern, sondern allein durch den Höchsten.
Schlusswort
Dankbarkeit für eine Tat mag berechtigt sein – doch Anbetung gebührt allein Gott. Wo politische Entscheidungen mit religiöser Sprache verklärt werden, da droht der Missbrauch des Heiligen.
Der Tempelritter ist gerufen, wachsam zu bleiben, Wahrheit von Ideologie zu unterscheiden und jede irdische Macht an den Maßstab des Ewigen zu binden. Denn nicht Kyros, nicht Trump, nicht irgendein Fürst bringt die endgültige Erlösung, sondern allein der Christus, das wahre Licht der Welt.
