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Sind die Götter noch in unserem kollektiven Unbewussten und beeinflussen sie auch Nichtgläubige?

Die Vorstellung von Göttern, göttlichen Wesen und archetypischen Figuren ist tief in der menschlichen Kulturgeschichte verwurzelt. Selbst in einer zunehmend säkularen Welt, in der viele Menschen dem traditionellen Glauben an Götter den Rücken gekehrt haben, stellt sich die Frage, ob diese uralten Bilder und Symbole weiterhin in unserem kollektiven Unbewussten verankert sind und uns auf unbewusster Ebene beeinflussen – sogar dann, wenn wir uns selbst als Nichtgläubige betrachten.

Das kollektive Unbewusste und Archetypen

Carl Gustav Jung, der Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie, führte den Begriff des kollektiven Unbewussten ein. Er postulierte, dass es neben dem persönlichen Unbewussten eine tiefere Schicht gibt, die alle Menschen miteinander verbindet und in der universelle Symbole, Mythen und Archetypen gespeichert sind. Diese Archetypen – wie der Held, die Mutter oder der Trickster – sind Grundbausteine des menschlichen Denkens und Fühlens. Sie tauchen in Mythen, Träumen, Kunst und Religionen weltweit auf und haben eine tiefgreifende Wirkung auf das menschliche Bewusstsein.

Zu diesen Archetypen gehören auch Götterfiguren. Die Götter der alten Kulturen, wie Zeus, Odin oder Isis, verkörpern archetypische Kräfte, die das menschliche Erleben beeinflussen. Ein Gott wie Mars, der Gott des Krieges, steht symbolisch für Aggression, Konflikt und Machtstreben, während eine Göttin wie Aphrodite für Liebe, Schönheit und Kreativität steht. Diese Archetypen, so Jung, wirken weiterhin auf uns ein, selbst wenn wir ihre mythologischen Ursprünge vergessen haben.

Einfluss auf Nichtgläubige

Auch wenn moderne Gesellschaften weitgehend von Wissenschaft und Rationalität geprägt sind, haben religiöse und mythische Symbole nach wie vor eine enorme psychologische Macht. Viele Menschen, die sich als nicht religiös bezeichnen, sind dennoch von Symbolen und Vorstellungen beeinflusst, die aus religiösen Traditionen stammen. Diese Symbole prägen nicht nur die Kultur, sondern auch die persönliche Psyche – oft unbewusst.

Ein Beispiel hierfür ist die anhaltende Präsenz religiöser Motive in der Kunst, Literatur und Popkultur. Heldenfiguren in modernen Filmen und Büchern tragen oft archetypische Züge, die auf uralte Göttergestalten zurückzuführen sind. Sie verkörpern Tugenden wie Mut, Gerechtigkeit oder Opferbereitschaft, die in religiösen Mythen verankert sind. Menschen, die diesen Figuren folgen oder sich mit ihnen identifizieren, tun dies oft, ohne sich der tieferen, mythischen Wurzeln bewusst zu sein.

Auch in der psychologischen Praxis zeigen sich diese Einflüsse. Jungianische Therapeuten arbeiten oft mit Träumen, in denen göttliche Figuren oder archetypische Symbole auftauchen. Diese Symbole sind nicht nur für gläubige Menschen relevant; sie wirken auf alle Menschen ein, da sie Teil des kollektiven Unbewussten sind.

Götter als psychologische Kräfte

Es lässt sich argumentieren, dass Götter in der modernen Welt weniger als übernatürliche Wesen verstanden werden, sondern vielmehr als psychologische Kräfte, die in uns wirken. In diesem Sinne könnten Götter als Manifestationen von inneren Dynamiken oder Konflikten gesehen werden. Wenn jemand beispielsweise von intensiven Wutgefühlen oder einem tiefen Drang nach Zerstörung ergriffen wird, könnte man dies mit dem archetypischen Bild des Kriegsgottes Mars in Verbindung bringen. Ähnlich kann die Sehnsucht nach Liebe und Schönheit als Ausdruck der Aphrodite-Archetyp interpretiert werden.

Obwohl diese Personen nicht an die realen Götter glauben, erleben sie dennoch die archetypischen Kräfte, die in den alten Mythen verkörpert wurden. Diese Kräfte sind ein integraler Bestandteil des menschlichen Geistes und haben daher Einfluss auf das Verhalten, die Emotionen und die Träume jedes Menschen.

Fazit: Der unbewusste Einfluss der Götter

Auch in einer säkularen Welt, in der viele Menschen den Glauben an Götter verloren haben, sind diese archetypischen Figuren noch tief in unserem kollektiven Unbewussten verwurzelt. Die Götter wirken heute vielleicht nicht mehr als übernatürliche Wesen, denen man opfert oder die man anbetet, aber ihre Symbole und die von ihnen verkörperten Kräfte beeinflussen uns weiterhin – unabhängig davon, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Sie sind Teil der Struktur unserer Psyche und formen unser Verhalten, unsere Träume und unsere Kultur auf subtile und tiefgreifende Weise.

In diesem Sinne sind die Götter weiterhin in unserem kollektiven Unbewussten lebendig und haben Einfluss auf uns, egal ob wir gläubig sind oder nicht. Sie sind nicht nur Überreste vergangener Religionen, sondern Ausdruck universeller menschlicher Erfahrungen und Emotionen, die uns auch heute noch begleiten und prägen.

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