Auch die Kirchen haben profitiert
Evangelische und katholische Kirche im „Dritten Reich“
Beide großen Kirchen – die evangelische wie auch die katholische – haben sich während der NS-Zeit nicht grundsätzlich gegen das NS-Regime gestellt. Einzelne Personen oder Gruppen taten dies zwar (z. B. Dietrich Bonhoeffer, Bischof von Galen), doch als Institutionen verhielten sich die Kirchen weitgehend loyal oder opportunistisch gegenüber dem Regime.
Nutzung von Zwangsarbeitern
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Zwangsarbeiter auf kirchlichen Ländereien: In Klöstern, kirchlichen Landwirtschaftsbetrieben und anderen Einrichtungen kamen Zwangsarbeiter aus Polen, der Sowjetunion und anderen besetzten Ländern zum Einsatz.
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Beispiele aus Archiven: In verschiedenen deutschen Diözesen (z. B. Münster, Paderborn, Bayern) sind Belege erhalten, dass fremdländische Zivilarbeiter oder Kriegsgefangene in der Landwirtschaft kirchlicher Einrichtungen arbeiten mussten.
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Kirchliche Unternehmen und Werke, darunter Druckereien, Heime und Bauprojekte, nutzten vereinzelt ebenfalls Zwangsarbeiter.
Aufarbeitung und Entschädigung
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In den 1990er- und 2000er-Jahren begann die Kirche in Deutschland verstärkt mit der Aufarbeitung dieser Vergangenheit.
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Die katholische und evangelische Kirche beteiligten sich an der „Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ), die Entschädigungszahlungen für ehemalige Zwangsarbeiter leistete.
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Viele Bistümer und Landeskirchen haben unabhängige Historikerkommissionen eingesetzt, um die Rolle der Kirchen in der NS-Zeit wissenschaftlich untersuchen zu lassen.
Die Kirchen in Deutschland haben zumindest in Teilen direkt von Zwangsarbeit profitiert. Gleichzeitig gab es auch kirchliche Stimmen des Widerstands – aber diese blieben die Ausnahme. Die institutionelle Kirche hat sich während der NS-Zeit nicht eindeutig gegen Zwangsarbeit oder andere Verbrechen des Regimes gestellt.
Umfang und Einsatz
Zahl der Zwangsarbeiter in kirchlichen Einrichtungen
Historische Forschungen gehen von etwa 12.000–15.000 Zwangsarbeitern aus, die zwischen 1939 und 1945 in katholischen und evangelischen Einrichtungen eingesetzt wurden – das entspricht etwa 0,1 % der insgesamt rund 12 Millionen Zwangsarbeiter
Für die katholische Kirche konkret dokumentiert: 4 829 Zivilarbeiter und 1 075 Kriegsgefangene in 776 kirchlichen Einrichtungen (v. a. Landwirtschaft, Krankenhäuser, Klöster)
Geographische Verteilung & Art der Arbeit
Viele Zwangsarbeiter waren in Westfalen, Rheinland tätig; Schwerpunkte waren land- und hauswirtschaftliche Arbeiten sowie diakonische Einrichtungen
Konkrete Beispiele aus Archiven
Friedhofsarbeiten in Berlin
Im Sommer 2000 machte eine Untersuchung der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg publik, dass 26 evangelische und 2 katholische Gemeinden in Berlin Lagereinrichtungen unterhielten und Zwangsarbeiter für Friedhofspflege nutzten (knapp 100 Personen)
Spitalstiftung Horb (katholisch)
In kirchlichen Spitalbetrieben und landwirtschaftlichen Höfen (wie z. B. Horb) wurden Zwangsarbeiter systematisch eingesetzt – Beispielhafte Untersuchungen wurden dokumentiert
Fall Kloster Arnstein
Pater Alfons Spix erlaubte polnischen Zwangsarbeitern, an Gottesdiensten teilzunehmen und im Kloster zu frühstücken – dafür wurde er von der Gestapo 1941 verhaftet und starb 1942 im KZ Dachau
Das zeigt: die Kirchenleitung duldete zwar Zwangsarbeit, aber einzelne Geistliche widersetzten sich aus moralischen Gründen.
Behandlung der Zwangsarbeiter
Die Arbeits- und Lebensbedingungen waren geprägt von strengen rassistischen Auflagen. Zwangsarbeiter wurden getrennt untergebracht, durften keine deutsche Kleidung tragen, nicht am sozialen Leben teilnehmen, und standen unter permanenter Kontrolle
Berichte dokumentieren harte Disziplinarmaßnahmen, manchmal auch Prügel oder Gefängnis, auch an kirchlichen Arbeitsstätten .
Aufarbeitung und Rechtsfolgen nach 2000
Entschädigungsfonds der katholischen Kirche
Im August 2000 richtete die Deutsche Bischofskonferenz einen eigenen Fonds ein („Entschädigungsfonds für Zwangs- und Fremdarbeiter in kirchlichen Einrichtungen“). Bis Ende 2004 erhielten 587 von 1 417 identifizierten Betroffenen Einmalzahlungen (je ca. 2.556 €), insgesamt etwa 1,5 Millionen Euro
Versöhnungsfonds & Erinnerungsarbeit
Die katholische Kirche legte außerdem einen kleinen Versöhnungsfonds auf (2,71 Mio €) und gründete 2007 die Maximilian‑Kolbe‑Stiftung für Erinnerungsarbeit
Die EKD beteiligte sich 2006 mit 10 Mio DM an der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“
Untersuchungsergebnisse
Forschungen der EKD/Diakonie zeigen, dass etwa 12.000–15.000 Zwangsarbeiter eingesetzt wurden
Bild: Bekennerschreiben der katholischen Bischöfe Österreichs