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Begriff „Gerechter Krieg“ wird überarbeitet

Der vatikanische Chefdiplomat, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, hat daran erinnert, dass der von der Kirche jahrhundertelang genutzte Begriff vom „Gerechten Krieg“ in Überarbeitung ist. Die heute verfügbaren Waffen machten das Konzept schwierig, so Parolin am Dienstagabend am Rand einer

Kardinal: Es gäbe keine Kriege, wenn die Mächtigen nur wollten
Mit Blick auf die Ukraine und den Nahen Osten sagte er vor Medienschaffenden, ein Krieg sei niemals gerecht. „Wir wissen, dass es heute viele Diskussionen über den Begriff des gerechten Krieges gibt, der gerechte Krieg ist der Verteidigungskrieg. Aber mit den Waffen, die uns heute zur Verfügung stehen, wird es sehr schwierig, dieses Konzept zu verwenden“, so Parolin. „Ich denke, es gibt noch keine endgültige Position, aber es ist ein Konzept, das gerade überarbeitet wird.“ Kürzlich hatte die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden des Heiligen Landes ein Dokument verbreitet, das den Missbrauch des Begriffs „gerechter Krieg” im Zusammenhang mit der Gewalt in Gaza anprangert.

Der Begriff „gerechter Krieg” stammt aus der Theologie. Namentlich der hl. Thomas von Aquin entwickelte genau umrissene Bedingungen, unter denen ein Krieg als „gerecht” gelten kann. Sie gingen auch in den Katechismus der Katholischen Kirche ein. Papst Franziskus hat in seiner Enzyklika Fratelli tutti ein Überdenken des Begriffs gefordert.

Libanon braucht dringend einen Präsidenten
Israels Nachbarstaat Libanon, den Parolin soeben besucht hat, brauche am dringendsten einen neuen Präsidenten, um seine institutionelle Krise zu überwinden, erklärte der päpstliche Chefdiplomat. Er hoffe auf eine aktive Rolle der Christen. Kardinal Bechara Boutros Rai sei diesbezüglich aktiv, „er hat immer versucht, die Christen zu einen, und es scheint eine Bereitschaft der christlichen Parteien zu geben, zusammenzuarbeiten und einen oder mehrere gemeinsam akzeptierte Kandidaten vorzuschlagen”.

Mit der schiitischen Seite gebe es viel Dialog, das Problem liege „hauptsächlich auf der Seite der Hisbollah“. Diese wird von vielen Ländern als Terrororganisation eingestuft. Parolin sagte, es gehe darum, einen Präsidentschaftskandidaten zu finden, „der von allen Parteien akzeptiert wird”.

„Soweit ich weiß, haben sich die Ukrainer bisher immer geweigert“

Parolin äußerte sich auch zum Krieg in der Ukraine, namentlich zu dem Vorschlag des ungarischen Premiers Viktor Orbán an den ukrainischen Präsidenten Selenskij, umgehend einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zuzulassen. „Soweit ich weiß, haben sich die Ukrainer bisher immer geweigert”, sagte der Kardinalstaatssekretär. Ohne Garantien von russischer Seite könne die ukrainische Regierung ein solches Angebot als bloße Gefechtspause interpretieren, an deren Ende Russland „in einer noch gröberen und härteren Weise“ mit den Kriegshandlungen fortfahre.

„Wir hoffen wirklich, dass es zu einem Waffenstillstand und dann zu Verhandlungen kommen kann”, wiederholte Parolin die Position des Heiligen Stuhles, die sich an diesem Punkt mit jener Orbáns deckt. Der ungarische Ministerpräsident hatte die Ukraine in seiner Eigenschaft als amtierender EU-Ratspräsident besucht.

Gefangenenaustausch: Da ist Spielraum
Im Punkt Gefangenenaustausch, bei dessen Zustandekommen der Heilige Stuhl helfen konnte, hält Parolin weitere Freilassungen für möglich. Der Gefangenenaustausch gehorche einem funktionierenden Mechanismus. Komplexer sei die Rückholung der nach Russland entführten ukrainischen Kinder, denn daran seien mehrere Stellen beteiligt. „Im Fall der Gefangenen handelt es sich im Wesentlichen um einen Austausch von Listen, die den beiden Parteien übergeben werden. Ich kann mir also vorstellen, dass diese Aktivität noch ein wenig fortgesetzt wird, was meiner Meinung nach sehr positiv ist und Bedingungen schaffen kann, die auch den Frieden und mögliche Verhandlungen begünstigen könnten”.

Parolin äußerte sich in der italienischen Botschaft beim Heiligen Stuhl am Rand der Verleihung des Literaturpreises der Botschafter beim Heiligen Stuhl. Der diesjährige Preis ging an den RAI-Journalisten Piero Damosso für ein Buch mit dem Titel „Kann die Kirche den Krieg beenden? Eine Untersuchung sechzig Jahre nach Pacem in Terris”. Bei der Feier anwesend waren neben dem Gastgeber, dem italienischen Botschafter beim Heiligen Stuhl Francesco Di Nitto, unter anderem die Botschafterin der Europäischen Union beim Heiligen Stuhl, Alexandra Valkenburg, die Präsidentin der Luiss School of Law, Paola Severino, Juristin und Anwältin. Das Buch versammelt zahlreiche Interviews zum Thema, eines davon mit der auch von Papst Franziskus geschätzten Auschwitz-Überlebenden Edith Bruck aus Ungarn, die seit Jahrzehnten in Rom lebt.

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