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„Er stinkt schon“ – Das Wunder von Lazarus und die Kirche unserer Tage

Es gibt Werke der Kunstgeschichte, auf denen man sieht, wie Christus den toten Lazarus ins Leben zurückruft. Doch während das Wunder geschieht, halten sich einige der Umstehenden die Nase zu. Ein scheinbar nebensächliches Detail – und doch weist es auf die Realität hin, die das Johannesevangelium ausdrücklich erwähnt: „Es ist schon der vierte Tag; er stinkt schon“ (Joh 11,39, Lutherübersetzung).

Dieses Bild bringt die ganze Dramatik der Szene zum Ausdruck: Das Wunder der Auferweckung geschieht nicht im Verborgenen, nicht unter idealisierten Umständen – sondern mitten in der Realität der Verwesung, mitten in dem, was den Menschen abstößt und zurückweichen lässt.

Das Wunder im Gestank des Lebens

Jesus ruft Lazarus nicht im Glanz und in der Reinheit, sondern im Gestank des Todes zurück ins Leben. Damit wird deutlich: Gnade und Auferstehung ereignen sich dort, wo menschliche Möglichkeiten längst zu Ende sind.

Die Botschaft ist klar:

  • Auch wenn alles verloren scheint, ist Christus größer.

  • Auch wenn das Leben „stinkt“, kann Er neues Leben schenken.

  • Das Licht Gottes dringt gerade in die dunkelsten Kammern des Daseins.

Diese Erzählung ist mehr als ein Wunderbericht – sie ist ein Bild für die Kirche selbst. Auch sie ist nicht frei von menschlichen Schwächen, Skandalen und Brüchen. Doch mitten im Gestank menschlicher Begrenztheit geschieht immer wieder etwas Neues: Gemeinschaft, Hoffnung, Gnade.

„Die Kirche ist besser als ihr Ruf“

Aktuell erinnert uns daran auch Josef Grünwidl, der neue Apostolische Administrator der Erzdiözese Wien. Seit dem 22. Jänner 2025 trägt er diese Verantwortung – als Nachfolger von Kardinal Christoph Schönborn.

In einem Gespräch mit Johannes Kaup sagte er den bemerkenswerten Satz:
„Die Kirche ist besser als ihr Ruf.“

Damit knüpft er an die uralte Erfahrung an: Die Kirche ist nie makellos. Aber sie bleibt ein Ort der spirituellen Grundversorgung, ein Raum, in dem Menschen Gemeinschaft erfahren, Trost finden und einander im Glauben stärken.

In einer Welt, die durch politische Gräben gespalten ist, kann die Kirche – wenn sie Christus treu bleibt – eine Brücke des Miteinanders sein.

Templische Reflexion

Für uns Templer hat dieses Zusammenspiel von Auferweckung und Realität eine tiefe Bedeutung:

  • Wir wissen, dass Gottes Wunder nicht dort geschehen, wo schon alles glänzt, sondern dort, wo Verwesung, Verzweiflung und Verfall herrschen.

  • Wir erkennen, dass die Kirche – so menschlich und fehlerhaft sie ist – dennoch Gefäß der Gnade bleibt.

  • Wir bezeugen, dass Christus uns ruft wie Lazarus: „Komm heraus!“ – heraus aus den Banden des Todes, der Angst, des Misstrauens.

Fazit – Hoffnung mitten im Gestank der Welt

Die Lazarus-Szene und das Wort des Apostolischen Administrators weisen auf dieselbe Wahrheit: Das Göttliche zeigt seine Kraft nicht, indem es die Wirklichkeit übergeht, sondern indem es sie verwandelt.

So wie Lazarus im Gestank seiner Grabkammer auferweckt wurde, so darf auch die Kirche – und jeder Einzelne von uns – hoffen, dass Gott Leben schenkt, wo wir nur Tod und Dunkelheit sehen.

Die Kirche ist besser als ihr Ruf – nicht weil sie fehlerlos wäre, sondern weil Christus selbst in ihr wirkt.

Und darin liegt das eigentliche Wunder:
Dass Gott mitten in unserer Schwäche Leben, Hoffnung und Zukunft hervorruft – selbst am vierten Tag.

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