✠✠✠✠✠✠ ASTO TEMPLER-BLOG ✠✠✠✠✠✠

Gedanken am 19. Oktober

Der Mythos von guten und schlechten Gefühlen

Es gibt einen weitverbreiteten Mythos, der uns lehrt, Emotionen in »gute« und »schlechte« zu unterteilen. Liebe, Freude und Frieden gelten als Tugenden – als Kräfte, die wir willkommen heißen und fördern sollen. Zorn, Eifersucht oder Traurigkeit hingegen werden oft als Laster betrachtet, als dunkle Schatten, die es zu meiden oder zu verdrängen gilt.

Doch dies ist eine Täuschung, geboren aus einem kindlichen Irrglauben, Gut und Böse seien so leicht voneinander zu unterscheiden wie verschiedenfarbige Kieselsteine. In Wahrheit sind Gefühle keine Feinde, sondern Boten – Lehrer, die uns den Weg zu tieferer Selbsterkenntnis und geistigem Wachstum weisen.

Zorn – die Stimme der Grenze

Ohne Zorn hätten wir kaum die Fähigkeit entwickelt zu spüren, wann unsere Grenzen verletzt werden. Zorn ist ein Signal, das uns zur Wachsamkeit ruft. Er kann uns antreiben, uns selbst zu schützen, Verantwortung zu übernehmen oder notwendige Konsequenzen zu ziehen. In seiner reinen Form ist er kein Laster, sondern ein Weckruf.

Eifersucht – der Schatten der Freude

Die Qualen der Eifersucht scheinen zerstörerisch, doch gerade sie lehren uns eine kostbare Tugend: Mitfreude. Wer einmal den Schmerz der Eifersucht durchlitten hat, weiß, wie befreiend es ist, zu lernen, sich über das Glück anderer aufrichtig zu freuen. Eifersucht zeigt uns, wo wir innerlich noch festhalten – und ruft uns zugleich dazu auf, das Herz zu weiten.

Traurigkeit – die Lehrerin der Vergänglichkeit

Die Traurigkeit über die Unbeständigkeit aller Dinge offenbart uns eine tiefe Wahrheit: Alles auf Erden ist vergänglich. Ohne diesen Schmerz hätten wir keinen Antrieb, den Weg zu suchen, der uns über die Vergänglichkeit hinausführt – den Heimweg zu Gott. Traurigkeit ist damit nicht nur Verlust, sondern ein Anstoß zur spirituellen Sehnsucht.

Gefühle als Lehrer, nicht als Waffen

Gefühle gehören zu unseren wertvollsten Lehrmeistern. Doch sie verlieren ihre Kraft, wenn wir sie als Rechtfertigung für unseren Standpunkt missbrauchen. Wer Zorn, Eifersucht oder Traurigkeit als Waffe einsetzt, um andere zu verletzen oder das eigene Ego zu stärken, missversteht ihre Botschaft. Wer sie aber als Spiegel betrachtet, erkennt: Jedes Gefühl weist uns auf eine tiefere Wahrheit hin.

Die Templerhaltung gegenüber den Emotionen

Als Templer lernen wir, Gefühle weder zu verurteilen noch zu verherrlichen, sondern sie in das Gebet und die innere Arbeit einzubinden. Zorn wird zur Erinnerung an die Kraft des Schutzes, Eifersucht zur Übung in Mitfreude, Traurigkeit zum Ruf nach der göttlichen Heimat.

So verwandeln sich Emotionen von Stolpersteinen in Wegmarken, die uns näher zu Christus führen.

Tägliche Templerarbeit

  • Verweile einige Minuten im Gebet der Sammlung oder in der Shamatha-Vipassana-Meditation.

  • Rufe dir ins Gedächtnis, wie du gestern deine Gefühle erlebt und ausgedrückt hast.

  • Frage dich: Habe ich sie als Lehrer betrachtet – oder als Belege für die Richtigkeit meines Standpunktes?

  • Bitte den Erzengel Raphael um Hilfe, falls es dir schwerfällt, Gefühle als Wegweiser zu sehen.

  • Sei wachsam: Achte heute besonders darauf, wie du deine Gefühle ausdrückst und was deine wahre Absicht dabei ist.

Schlussgedanke

Es gibt keine »guten« und »schlechten« Gefühle – nur Erfahrungen, die uns formen. Jedes Gefühl ist ein Tor zur Selbsterkenntnis und zur Begegnung mit Gott. Der Templer lernt, nicht gegen seine Emotionen zu kämpfen, sondern sie in den Dienst seines geistigen Wachstums zu stellen.

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