Geduld bedeutet, das Ziel im Auge zu behalten –
Ungeduld, die Bestimmung zu verfehlen
„Geduld bedeutet, daß man immer weitblickend das Ziel im Auge behält, Ungeduld bedeutet, daß man kurzfristig nicht die Bestimmung begreift.“
– Dschalāl ad-Dīn Rūmī (1207–1273)
Der Sufi und der Ritter
Rūmī, der große persische Mystiker, sah tiefer als viele seiner Zeit: Er erkannte, dass das menschliche Leben nicht in Momenten gemessen wird, sondern im Blick auf das Ganze, auf die Bestimmung des Seins. In seinen Worten schwingt eine Wahrheit, die auch für den Weg des Templers gültig ist: Geduld ist nicht bloß Warten – Geduld ist geistige Kraft.
Die Kraft der Geduld
Geduld bedeutet, den weiten Horizont zu sehen, auch wenn der Weg steinig ist. Sie bewahrt den Sucher davor, sich von Augenblicken blenden oder von Hindernissen entmutigen zu lassen. Der Geduldige erkennt: Das Ziel bleibt, auch wenn der Pfad sich windet.
Der Ungeduldige dagegen verliert den Blick für das Ganze. Er will Ernte, bevor er gesät hat. Er klagt, wenn der Weg nicht sofort Früchte trägt. So verfehlt er seine Bestimmung, weil er nur im Augenblick verharrt.
Geduld als ritterliche Tugend
Für den Ritter ist Geduld mehr als eine Haltung – sie ist eine geistige Waffe.
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Geduld lehrt uns, im Sturm standzuhalten.
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Geduld bewahrt uns vor falschen Entscheidungen.
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Geduld richtet unseren Blick stets auf das Höhere, das Ewige.
Ein Krieger ohne Geduld verzehrt sich im Zorn. Ein Ritter mit Geduld bleibt stark, auch wenn das Schwert ruhen muss.
Ungeduld – der Schleier der Blindheit
Ungeduld ist letztlich Blindheit. Sie sieht nicht die Bestimmung, sondern nur den Augenblick. Sie zerreißt Bande, bevor sie reifen. Sie zerstört Chancen, bevor sie Gestalt gewinnen.
Für den geistigen Sucher ist Ungeduld eine der größten Versuchungen: Sie flüstert, dass Gott zu lange schweigt, dass der Weg zu schwer ist, dass das Ziel zu fern liegt. Doch Ungeduld ist immer ein Irrtum, denn sie will das Werk des Ewigen in die Zeit des Menschen pressen.
Der templarische Blick
Als Templer lernen wir:
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Die Bestimmung liegt nicht im Heute, sondern im Ewigen.
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Geduld ist Treue – Treue zum Ziel, Treue zu Gott.
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Ungerührt bleiben vor Prüfungen ist die wahre Stärke.
Darum ist Geduld kein passives Warten, sondern ein aktives Vertrauen. Sie ist der Schild, der uns durch Dunkelheit trägt.
Fazit
Rūmīs Wort erinnert uns an eine Wahrheit, die größer ist als Zeit und Raum:
Geduld bedeutet, den Himmel im Auge zu behalten, während die Erde uns prüft.
Ungeduld bedeutet, im Staub der Stunden die Bestimmung aus den Augen zu verlieren.
Für den Ritter Christi ist Geduld der Beweis, dass er nicht für sich lebt, sondern für das Höhere Ziel, das Gott ihm gesetzt hat.
