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Gilgamesch-Epos die erste Geschichte der Menschheit?

Der Gilgamesch-Epos, eines der ältesten literarischen Werke der Menschheit, stammt aus dem alten Mesopotamien und erzählt die faszinierende Geschichte von Gilgamesch, dem König von Uruk. Es handelt sich um eine epische Dichtung, die etwa um 2100 v. Chr. entstand und auf jahrhundertealten Überlieferungen basiert. Viele fragen sich, ob der Gilgamesch-Epos die erste Geschichte der Menschheit ist. Doch um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig, einen genaueren Blick auf die Geschichte des Geschichtenerzählens und der Schrift zu werfen.

Der Gilgamesch-Epos: Ein Überblick

Der Gilgamesch-Epos besteht aus einer Serie von Tontafeln, die in Keilschrift verfasst sind. Die bedeutendste Version stammt aus der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal (7. Jahrhundert v. Chr.), basiert jedoch auf früheren Quellen, die teilweise bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurückreichen.

Die Geschichte erzählt von Gilgamesch, einem mächtigen, aber tyrannischen König, und seinem Freund Enkidu, der ursprünglich als wilder Mann in die Zivilisation eingeführt wurde. Gemeinsam erleben sie Abenteuer, darunter den Kampf gegen göttliche Kreaturen wie den Himmelsstier und den Riesen Humbaba. Nach Enkidus Tod begibt sich Gilgamesch auf die Suche nach Unsterblichkeit, nur um zu lernen, dass der Tod unausweichlich ist und dass der wahre Wert des Lebens darin besteht, die sterbliche Existenz mit Sinn zu füllen.

Ist der Gilgamesch-Epos die erste Geschichte?

Obwohl der Gilgamesch-Epos eines der ältesten schriftlich überlieferten Werke ist, gibt es Hinweise darauf, dass die Tradition des Geschichtenerzählens deutlich älter ist als das Epos selbst. Orale Traditionen, also mündlich überlieferte Geschichten, Mythen und Legenden, existierten lange bevor die Menschen begannen, Schrift zu entwickeln. Hier sind einige Gründe, warum der Gilgamesch-Epos zwar eine der ältesten geschriebenen Geschichten ist, aber wahrscheinlich nicht die erste Geschichte der Menschheit:

1. Mündliche Traditionen

Bevor die Menschen begannen, Geschichten schriftlich festzuhalten, wurden sie über viele Generationen mündlich überliefert. Mythen, Legenden und religiöse Erzählungen prägten das Weltbild früher Kulturen. Die alten Sumerer, die als erste die Schrift entwickelten, haben möglicherweise auf mündliche Überlieferungen zurückgegriffen, als sie den Gilgamesch-Epos aufzeichneten.

2. Frühere schriftliche Überlieferungen

Während der Gilgamesch-Epos als literarisches Meisterwerk gilt, gibt es noch ältere Texte, die allerdings kürzer und fragmentarischer sind. Zum Beispiel:

  • Die Keilschrifttexte der Sumerer enthalten Gebete, Hymnen und Mythen, die möglicherweise auf älteren mündlichen Traditionen basieren.
  • Die Liste der sumerischen Könige, ein historischer Text, der die Herrscher von Sumer auflistet, geht in Teilen auf ähnliche Zeiträume wie der Gilgamesch-Epos zurück.
  • Ägyptische Hieroglyphen-Texte, die auf die gleiche Zeit oder sogar früher datiert werden, erzählen ebenfalls Geschichten und Mythen.

3. Schöpfungsmythen und kosmologische Erzählungen

Viele frühe Zivilisationen entwickelten Schöpfungsmythen, die das Entstehen der Welt und der Menschheit erklärten. Ein bekanntes Beispiel ist das Enûma Eliš, ein babylonisches Schöpfungsepos, das ebenfalls sehr alt ist und vermutlich auf noch ältere sumerische Überlieferungen zurückgeht.

Diese Mythen waren oft Teil des kulturellen und religiösen Lebens der Menschen, bevor sie in Form von schriftlichen Texten festgehalten wurden. Sie wurden in Tempeln und bei religiösen Zeremonien rezitiert und über Generationen hinweg weitergegeben.

Warum ist der Gilgamesch-Epos so bedeutend?

Obwohl der Gilgamesch-Epos nicht die erste Geschichte der Menschheit ist, ist er von herausragender Bedeutung für das Verständnis der frühen menschlichen Kultur. Er bietet Einblicke in die Gedankenwelt der frühen Mesopotamier, ihre Religion, ihren Glauben an Götter und das Leben nach dem Tod sowie ihre Vorstellung von Königtum und Heldentum.

Die Themen des Epos – Freundschaft, Tod, der Wunsch nach Unsterblichkeit und die Suche nach dem Sinn des Lebens – sind universelle menschliche Fragen, die auch heute noch relevant sind. Die philosophischen Reflexionen über den Tod und das Leben machen den Gilgamesch-Epos zu einem der ersten Werke der Weltliteratur, das existenzielle Fragen behandelt.

Vergleich mit anderen frühen Geschichten

Der Gilgamesch-Epos wird oft in Zusammenhang mit anderen frühen Erzählungen der Menschheit diskutiert. Zwei wichtige Beispiele sind:

  • Das Enûma Eliš: Dieses babylonische Schöpfungsepos beschreibt den Kampf der Götter und die Entstehung der Welt. Es hat möglicherweise die Vorstellungen anderer Kulturen über Schöpfung und göttliche Macht beeinflusst.
  • Der Atrahasis-Mythos: Ein weiterer babylonischer Mythos, der eine große Flut beschreibt und dem Gilgamesch-Epos sowie der späteren biblischen Flutgeschichte nahekommt. Auch hier zeigt sich die Verbindung zwischen den frühesten Erzählungen und der späteren Weltliteratur.

Fazit

Der Gilgamesch-Epos ist zweifellos eines der ältesten schriftlich überlieferten Werke der Menschheitsgeschichte, aber nicht unbedingt die erste Geschichte. Die Tradition des Geschichtenerzählens reicht weit vor die Erfindung der Schrift zurück, und viele ältere mündliche Überlieferungen sind verloren gegangen oder wurden später schriftlich festgehalten. Was den Gilgamesch-Epos jedoch einzigartig macht, ist seine literarische Komplexität und seine thematische Tiefe, die ihn zu einem der bedeutendsten Werke der frühen Menschheit machen.

Obwohl er nicht die erste Geschichte war, markiert der Gilgamesch-Epos einen Meilenstein in der menschlichen Literatur, indem er die universellen Fragen des Lebens und Sterbens behandelt, die die Menschen seit Jahrtausenden beschäftigen.

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