Macht euch die Erde untertan …
Von der Herrschaft zur Hüterschaft
Die Worte aus dem Buch Genesis – „Macht euch die Erde untertan und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alles Getier, das sich regt auf Erden“ – sind seit Jahrhunderten zum Leitsatz menschlicher Zivilisation geworden. Doch wie oft wurden sie missverstanden? Wurden sie als göttliche Legitimation missbraucht, um Raubbau, Zerstörung und Ausbeutung zu rechtfertigen?
In einer Zeit, in der 75 % der Insekten verschwunden sind, in der die Zahl der Brutvogelpaaren um fast die Hälfte geschrumpft ist und in der invasive Arten das natürliche Gleichgewicht zerstören, stellt sich eine drängende Frage: Hat der Mensch den Auftrag Gottes verdreht? Statt zu hüten, hat er begonnen zu herrschen – und die Schöpfung leidet.
Das Missverständnis der Herrschaft
Das hebräische Wort, das in der Bibel mit „untertan machen“ übersetzt wird, kann auch „in Verantwortung nehmen“ bedeuten. Es spricht nicht von Tyrannei, sondern von Fürsorge. Der Mensch sollte Gärtner sein, nicht Despot; Hüter, nicht Zerstörer.
Doch unsere Zivilisation las im Auftrag die Lizenz zur Ausbeutung. Wälder wurden vernichtet, Flüsse vergiftet, Tiere ausgerottet. Wo einst Vielfalt blühte, herrscht heute Monotonie. Die saubere Windschutzscheibe ist zum Symbol des stillen Sterbens geworden.
Die Sprache der Schöpfung
-
Die Insekten: winzige Wesen, doch Träger des Lebens. Ohne sie keine Bestäubung, ohne Bestäubung kein Brot, kein Wein, keine Frucht.
-
Die Vögel: Boten der Freiheit, Sänger der Morgenstille. Ihr Verschwinden ist ein Alarmsignal, dass das Gleichgewicht kippt.
-
Die fremden Arten: nicht selbst Schuldige, sondern Symptom menschlicher Eingriffe. Sie zeigen uns, wie verletzlich jedes Ökosystem ist.
Die Schöpfung spricht – doch der Mensch hat verlernt, auf sie zu hören.
Neue Lesart: Partnerschaft statt Dominanz
Wir Templer glauben: Der Satz „Macht euch die Erde untertan“ muss neu verstanden werden – nicht als Erlaubnis zur Beherrschung, sondern als Auftrag zur Bewahrung. Wer herrscht, zerstört; wer hütet, erhält.
Vier Wege zur wahren Hüterschaft:
-
Nachhaltige Landwirtschaft – weniger Gifte, mehr Vielfalt. Felder, die summen und blühen, statt zu schweigen.
-
Naturschutz – Reservate, Wälder, Flüsse als heiliger Raum, in dem das Leben frei atmen darf.
-
Bildung und Bewusstsein – Kinder, die lernen, dass ein Schmetterling mehr ist als Dekor, sondern ein Glied in der Kette des Lebens.
-
Nachhaltige Städte – Lebensräume, die Natur einbeziehen: Dachgärten, Biotope, Grünachsen statt Betonwüsten.
Die spirituelle Verantwortung
Es ist kein Zufall, dass die Bibel den Menschen am sechsten Tag erschuf – als Krone der Schöpfung, aber auch als ihren Diener. Wer als Ebenbild Gottes handelt, darf nicht zerstören, was Gott selbst „sehr gut“ nannte.
Die Templer verstanden ihre Mission immer als Dienst am Höheren. Auch in dieser Frage gilt: Wahre Herrschaft ist Dienen, wahre Macht ist Bewahren.
Schlussgedanke
„Macht euch die Erde untertan“ – das bedeutet heute: Erkennt eure Verantwortung! Nicht Unterwerfung der Natur, sondern Unterwerfung des Menschen unter das Gesetz der Bewahrung.
Die Erde ist kein Besitz, den wir plündern dürfen, sondern ein Heiligtum, das uns anvertraut ist.
Wenn wir sie zerstören, verraten wir nicht nur uns selbst, sondern auch den, der sie geschaffen hat.
Die Zukunft gehört nicht dem, der nimmt, sondern dem, der bewahrt.
