Strafzölle hier, Mehrwertsteuer dort
Worüber regen wir uns eigentlich auf?
Ein Denkanstoß zur scheinbaren Empörung über US-Zölle und die stille Akzeptanz europäischer Steuerlasten.
Immer wieder sorgen sogenannte „Strafzölle“ aus den USA – aus der Ära Donald Trumps – für große Aufregung in Europa. Medien und Politik überschlagen sich förmlich mit empörten Kommentaren über die wirtschaftspolitische Dreistigkeit der Vereinigten Staaten, Zölle auf europäische Produkte zu erheben. Man spricht von „Wirtschaftskrieg“, „Handelshemmnissen“ und „Protektionismus“.
Doch bei all der Empörung stellt sich eine einfache Frage: Ist die Aufregung wirklich gerechtfertigt – oder lenkt sie nur von einem ganz anderen Thema ab, das uns hier in Europa weit direkter betrifft?
Ein Blick über den Atlantik: Die USA und ihre Steuern
Fakt ist: Die USA kennen keine landesweite Mehrwertsteuer wie wir sie in Europa gewohnt sind. Stattdessen gibt es eine Verkaufssteuer (Sales Tax), die auf Ebene der einzelnen Bundesstaaten, Countys oder Kommunen geregelt wird – und in mehreren Bundesstaaten sogar bei null Prozent liegt. Dort kann man also völlig legal und ganz normal einkaufen, ohne dass der Staat automatisch 20 % oder mehr mitverdient.
In den meisten Bundesstaaten liegt die Verkaufssteuer zwischen 4 und 7 Prozent, was für europäische Verhältnisse fast schon paradiesisch wirkt.
Die Realität in Österreich und Europa
Ganz anders sieht es dagegen bei uns aus: In Österreich beträgt die Mehrwertsteuer (MwSt.) inzwischen 20 Prozent – und auf bestimmte Produkte kommt noch die NOVA (Normverbrauchsabgabe) oben drauf, etwa beim Autokauf. In Ungarn ist die Mehrwertsteuer mit 27 Prozent sogar europaweit Spitzenreiter. Und selbst das Allernotwendigste bleibt davon selten verschont.
Kaum jemand erinnert sich noch daran, dass die Umsatzsteuer in Österreich einst bei 5,25 % lag – und das gar nicht so lange her. Schritt für Schritt wurde sie angehoben, mit der Begründung, damit staatliche Aufgaben besser finanzieren zu können. Die Folge? Ein Großteil des Nettolohns fließt über versteckte Konsumsteuern direkt wieder an den Staat zurück.
Wo bleibt die Aufregung?
Während wir uns also kollektiv über ein paar Prozent Importzoll auf ausgewählte Produkte aufregen, akzeptieren wir stillschweigend, dass wir auf fast jeden Einkauf ein Fünftel des Preises an den Staat zahlen – ganz gleich, ob wir wollen oder nicht.
Der Unterschied ist: Zölle sind punktuell, sichtbar, politisch inszeniert – Mehrwertsteuern dagegen sind systemisch, still und allgegenwärtig. Und genau darin liegt wohl auch der Grund, warum sich kaum jemand laut darüber beschwert.
Die wahre Abzocke?
Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Empörung besser zu kalibrieren. Trumps Zölle mögen politisch motiviert und wirtschaftlich fragwürdig sein – doch sie betreffen nur bestimmte Produkte und Industrien. Die Mehrwertsteuer, wie sie in Österreich, Ungarn und vielen anderen EU-Ländern praktiziert wird, betrifft dagegen jeden Bürger, jeden Tag, bei jedem Einkauf.
Statt also mit dem Finger über den Atlantik zu zeigen, sollten wir uns vielleicht ernsthaft fragen: Warum zahlen wir so viel – und wohin fließt dieses Geld eigentlich?