✠✠✠✠✠✠ ASTO TEMPLER-BLOG ✠✠✠✠✠✠

2 Stufe des Glaubens: Der mythisch-wörtliche Glaube

(Typisch für Kinder im Schulalter, etwa zwischen 7 und 12 Jahren)

Die Welt wird geordnet – und Gott bekommt Regeln

Mit dem Eintritt in das Schulalter beginnt eine neue Phase im geistigen und seelischen Leben des Menschen. Das Kind entwickelt nun die Fähigkeit, logische Zusammenhänge zu verstehen, Muster zu erkennen und eigene Gedanken in Worte zu fassen. Es verlässt allmählich die magische Welt der frühkindlichen Fantasie und sucht stattdessen Orientierung durch klare Strukturen, Regeln und Geschichten.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Glauben wider: Die mythisch-wörtliche Stufe ist geprägt von einem tiefen Vertrauen in überlieferte Erzählungen, aber nun mit einem stärkeren Bedürfnis nach Ordnung, Gerechtigkeit und Sinn.

Der Glaube wird „vernünftiger“, aber bleibt wörtlich

Das Kind auf dieser Stufe beginnt zu verstehen, was erzählt wird – aber es nimmt die Inhalte immer noch wörtlich. Biblische Geschichten, Gleichnisse, religiöse Symbole und Rituale werden nicht als Metaphern oder tiefere Wahrheiten verstanden, sondern als konkrete Tatsachen.
Beispiele:

  • Noah baut wirklich eine Arche für alle Tiere.

  • Mose teilt buchstäblich das Meer.

  • Engel sind leibhaftige Wesen mit Flügeln, die eingreifen können.

  • Gott belohnt die Guten und bestraft die Bösen – gerecht und nachvollziehbar.

In dieser Phase entsteht ein Weltbild mit klaren moralischen Kategorien: richtig oder falsch, gut oder böse, Himmel oder Hölle. Grauzonen gibt es kaum. Das Kind sucht nach Gerechtigkeit – auch in der göttlichen Ordnung.

Warum Geschichten so wichtig sind

Kinder in dieser Stufe lieben Geschichten, weil sie Ordnung geben. Mythen und religiöse Überlieferungen helfen, das Leben zu deuten, Ängste zu verarbeiten und den Platz im großen Ganzen zu verstehen.
Ein gutes Beispiel sind die biblischen Erzählungen:

  • Sie stiften Identität („Ich bin Teil einer größeren Geschichte“),

  • sie vermitteln Werte und Tugenden (Gehorsam, Mut, Vertrauen),

  • sie schaffen eine moralische Welt, die berechenbar wirkt.

Der Glaube wird dadurch zu einer Art Stütze, um die wachsenden Herausforderungen des Alltags zu bewältigen – Schule, Freundschaften, erste Konflikte mit Regeln oder Gerechtigkeit.

Die Bedeutung von Ritualen und Gruppen

In dieser Phase beginnt das Kind, religiöse Gemeinschaft bewusst zu erleben. Der sonntägliche Kirchgang, das gemeinsame Gebet, die Weihnachtsgeschichte, das Kreuzzeichen oder das erste Verständnis von Sakramenten bekommen Bedeutung – nicht nur, weil man sie macht, sondern weil sie Teil einer Ordnung und Zugehörigkeit sind.

Auch religiöse Gruppenstrukturen (Ministranten, Kinderkirche, Schulandachten etc.) wirken stärkend: Das Kind erfährt, dass es nicht allein glaubt, sondern eingebunden ist in ein Netz von Gleichgesinnten – was wiederum die Verankerung in der Glaubenswelt fördert.

Chancen und Gefahren dieser Stufe

Chancen:

  • Das Kind entwickelt ein stabiles religiöses Fundament, auf dem spätere Reflexion aufbauen kann.

  • Es erfährt Geborgenheit in einem geordneten moralisch-spirituellen Weltbild.

  • Es entwickelt ethische Unterscheidungsfähigkeit – was ist richtig, was ist falsch?

Gefahren:

  • Wird der Glaube zu starr oder angstbesetzt vermittelt, kann sich ein Schwarz-Weiß-Denken verfestigen.

  • Werden Widersprüche nicht erklärt (z. B. Warum hilft Gott nicht immer?), kann das zu späteren Brüchen führen.

  • Wenn symbolische Inhalte nur wörtlich verstanden werden, bleibt der tiefere spirituelle Sinn verschlossen.

Die Templerperspektive auf diese Stufe

Wir Templer sehen in dieser Phase einen wichtigen Übergang – vom kindlich-magischen Erleben zum ersten bewussten Denken im Glauben.
Der mythisch-wörtliche Glaube schafft eine erste innere Ordnung, auf der weitere Stufen aufbauen können. Er verankert den Menschen in einem moralischen Rahmen und bereitet ihn darauf vor, später selbstständig und kritisch zu glauben, ohne den Halt zu verlieren.

In der Templertradition wird dieser Abschnitt gern mit dem inneren Schülergrad verglichen: Der Mensch beginnt zu lernen, zu fragen, zu vertrauen – aber noch in festen Formen.
Die alten Gleichnisse, Symbole und Rituale bewahren ihre Kraft – doch es ist entscheidend, dass man sie später als Spiegel und nicht als endgültige Wahrheit zu erkennen lernt.

Fazit: Ein Glaube, der trägt – aber noch nicht hinterfragt

Die mythisch-wörtliche Stufe des Glaubens ist geprägt von einer kindlich-logischen Suche nach Ordnung, Gerechtigkeit und Sinn. Sie ist ein kostbarer Abschnitt des spirituellen Wachstums, der Halt, Identität und ethische Orientierung schenkt – aber noch nicht die Reife besitzt, tieferliegende Widersprüche oder Mehrdeutigkeiten auszuhalten.

In dieser Phase wird der Mensch geprägt – und es liegt an uns Erwachsenen, die Inhalte mit Liebe, Wahrhaftigkeit und Weite zu vermitteln, damit der Glaube später nicht zur Last wird, sondern zu einem lebendigen Strom innerer Entwicklung.

Schreibe einen Kommentar