6. Stufe des Glauben: Der universalisierende oder transformative Glaube
(Extrem selten – tritt meist nur bei spirituell hochentwickelten Menschen auf, oft erst im hohen Alter oder nach einem tiefgreifenden Wandlungsprozess)
Wenn der Glaube zur gelebten göttlichen Wirklichkeit wird
Die sechste Stufe des Glaubens wird als Höhepunkt spiritueller Reife beschrieben – doch nur sehr wenige Menschen erreichen diesen Zustand. Es ist der Glaube derer, die ihr gesamtes Leben, ihr Denken, Fühlen und Handeln in den Dienst einer höheren Wahrheit gestellt haben. Menschen auf dieser Stufe leben nicht nur im Glauben – sie sind Glaube.
Sie sind nicht mehr auf der Suche nach Gott – Gott wirkt durch sie. Sie sind nicht mehr Teil einer Glaubensgemeinschaft – sie sind selbst ein lebendiger Ausdruck des Heiligen. Sie haben das Ich überwunden, das trennt, wertet und sich abgrenzt – und ruhen in einem Bewusstsein universaler Liebe, Einheit und Hingabe.
Merkmale des transformierenden Glaubens
Diese Stufe ist nicht mehr psychologisch oder theologisch erklärbar. Sie überschreitet die gewöhnlichen Kategorien des Denkens und Glaubens und führt in ein mystisches Erleben der Einheit allen Seins.
Typische Merkmale sind:
-
Der Mensch lebt vollständig aus einem inneren Zentrum der göttlichen Gegenwart. Er handelt nicht aus sich selbst heraus, sondern als Werkzeug eines höheren Willens.
-
Es gibt keine Trennung mehr zwischen „ich“ und „du“, zwischen „Gott“ und „Mensch“, zwischen „heilig“ und „weltlich“ – alles ist Ausdruck des Einen.
-
Dieser Glaube ist radikal inklusiv, überwindet alle Grenzen von Religion, Ethnie, Ideologie oder Zugehörigkeit.
-
Die Person wird zum lebendigen Symbol universeller Liebe und Hingabe – ihr ganzes Leben wird zur Verkörperung einer spirituellen Wahrheit.
-
Schmerz, Verlust und Leid werden nicht mehr als Gegensatz zum Göttlichen gesehen, sondern als Teil eines umfassenderen Wandlungsprozesses.
Beispiele für Menschen auf dieser Stufe
Historisch und spirituell gesehen gibt es nur wenige, die diese Stufe vollständig verkörpert haben. Oft sind es Mystiker, Heilige, Weise, die selbst von jenen, die sie bewundern, nicht vollständig verstanden werden.
Beispiele wären:
-
Franz von Assisi, der die göttliche Gegenwart in allen Geschöpfen sah.
-
Mahatma Gandhi, der Gewaltlosigkeit und Wahrheit als spirituelle Lebenshaltung verkörperte.
-
Teresa von Ávila oder Johannes vom Kreuz, die das mystische Einswerden mit Gott beschrieben.
-
Martin Luther King Jr., dessen Kampf für Gerechtigkeit auf einer tiefen spirituellen Vision der Einheit beruhte.
Diese Menschen haben keine Agenda mehr – sie sind Botschaft. Sie leben in einem Zustand, der sich dem rationalen Denken weitgehend entzieht. Es ist nicht mehr der Glaube „an“ etwas – es ist die vollständige Durchdringung des Selbst mit dem Göttlichen.
Herausforderungen dieser Stufe
Diese Stufe ist nicht erstrebbar im herkömmlichen Sinne. Sie entsteht nicht durch Anstrengung, sondern durch innere Reifung, Hingabe und oft durch tiefgreifende Transformationen, die mit dem Verlust des Egos, mit Leid, Selbstentäußerung oder mystischem Tod verbunden sind.
Herausforderungen:
-
Menschen auf dieser Stufe können einsam wirken, weil sie über konventionelle Sprache und Kategorien hinausgehen.
-
Sie sind oft ihrer Zeit voraus – missverstanden, verkannt oder verehrt, aber selten wirklich erkannt.
-
Sie leben nicht mehr für sich, sondern sind vollständig zum Gefäß göttlicher Wirksamkeit geworden – was auch völlige Hingabe, Selbstverzicht und geistige Nacktheit bedeutet.
Die Templerperspektive auf Stufe 6
In der esoterischen Templerschulung würde diese Stufe dem entsprechen, was man als „Vollendung des inneren Weges“ bezeichnet: Die Rückkehr zur Quelle, zur Lichtheimat, zur völligen Vereinigung mit dem göttlichen Ursprung – Aziluth, das Reich jenseits der Trennung.
Hier geht es nicht mehr um Wissen, Praxis oder Lehre – es geht um Sein. Der Templer auf dieser Stufe hat den inneren Tempel nicht nur betreten – er ist selbst zum Tempel geworden.
Er ist nicht mehr Schüler, nicht mehr Ritter, nicht einmal mehr Lehrer – er ist ein lebendiges Licht in der Welt, eine Quelle stiller Kraft, eine Brücke zwischen den Welten.
Diese Stufe wird auch als Zustand des Verklärungsleibes beschrieben – in Anlehnung an alchemistische, gnostische und mystische Traditionen. Der Mensch wird zum reinen Spiegel des Göttlichen, jenseits aller Formen und jenseits des Ich.
Fazit: Das Ziel jenseits aller Ziele
Die sechste Stufe des Glaubens ist kein erreichbares Ziel, sondern ein Geschenk der Gnade, der Hingabe und der Vollendung. Sie ist das, was im Christentum als Theosis, in der Alchemie als Magnum Opus, in der Mystik als Unio Mystica bezeichnet wird.
Der universalisierende Glaube ist der Glaube, der nicht mehr unterscheidet, sondern verbindet – alles mit allem, alle mit allem, alles mit Gott.
Und wer diese Stufe erreicht, stellt keine Fragen mehr – weil er selbst zur Antwort geworden ist.