✠✠✠✠✠✠ TEMPLER-BLOG ✠✠✠✠✠✠

⚔️ Das Noviziat bei den Templern

 Ein Blick auf die Entwicklung und Bedeutung

26. Dezember 2024 – Ralph von Reichenberg

Das Noviziat war in vielen Ordensgemeinschaften des Mittelalters eine zentrale Phase der Vorbereitung und Bewährung für zukünftige Mitglieder. Doch wie sah diese Phase im mächtigen und geheimnisumwobenen Templerorden aus? Der folgende Artikel beleuchtet die Entwicklung, die Herausforderungen und die praktischen Gründe, warum das Noviziat im Templerorden schließlich aufgegeben wurde.


1. Die frühe Regel: Ein Noviziat als Probezeit

In der ursprünglichen lateinischen Fassung der Ordensregel des Templerordens, die auf das Jahr 1128 zurückgeht, war noch eine klare Probezeit vorgesehen. Diese Regelung entsprach den allgemeinen Gepflogenheiten anderer geistlicher Orden, die von ihren Anwärtern erwarteten, eine Phase der Vorbereitung und Bewährung zu durchlaufen, bevor sie ihre endgültigen Gelübde (Profess) ablegen durften.

Das Noviziat diente nicht nur der spirituellen Schulung, sondern auch dazu, sicherzustellen, dass der Kandidat den hohen Anforderungen des Ordens gewachsen war. Die Templer waren nicht nur Mönche, sondern auch Krieger – eine einzigartige und anspruchsvolle Kombination.


2. Die Papstbulle Omne datum optimum (1139)

Mit der päpstlichen Bulle „Omne datum optimum“ aus dem Jahr 1139 wurde die Rolle des Noviziats teilweise eingeschränkt. Papst Innozenz II. bestätigte viele Privilegien des Templerordens und legte fest, dass nur noch für die Kapläne des Ordens ein obligatorisches Noviziatsjahr vorgeschrieben war. Kapläne hatten eine besondere Rolle inne, da sie für die geistliche Betreuung der Brüder und die Durchführung der Sakramente verantwortlich waren.

Für die regulären Ritterbrüder, die kämpfenden Mitglieder des Ordens, wurde ein formelles Noviziat in der Bulle nicht mehr erwähnt. Dies legt nahe, dass bereits zu diesem Zeitpunkt praktische Überlegungen die ursprüngliche Ordensregel beeinflussten.


3. Berichte aus der Chronik von Michael dem Syrer

Ein interessanter Hinweis auf die Fortdauer des Noviziats im Templerorden stammt von Michael dem Syrer, einem bedeutenden Patriarchen und Historiker des 12. Jahrhunderts. In seiner Chronik, die gegen Ende des 12. Jahrhunderts entstand, wird noch von einem allgemeinen Noviziatsjahr im Templerorden berichtet.

Es scheint also, dass das Noviziat zwar nicht durchgehend praktiziert wurde, aber zumindest in einigen Regionen und für bestimmte Anwärtergruppen noch Bestand hatte. Diese Diskrepanz zwischen päpstlicher Regelung und praktischer Umsetzung deutet auf eine regionale Vielfalt in den Ordenspraktiken hin.


4. Das 13. Jahrhundert: Das Ende des Noviziats

Im Verlauf des 13. Jahrhunderts wurde das formelle Noviziat im Templerorden schrittweise aufgegeben. Der Grund dafür war wohl praktischer Natur: Der Bedarf an kampferprobten Soldaten für den Schutz der Heiligen Stätten im Heiligen Land war immens. Ein langes Noviziat, das den Eintritt neuer Mitglieder verzögerte, war kaum noch praktikabel.

Die Templer benötigten dringend Nachschub an kampffähigen Männern, um den Herausforderungen der immer aggressiveren Angriffe durch muslimische Heere zu begegnen. Das Noviziat wurde daher durch eine schnelle Integration und Professablage direkt beim Eintritt ersetzt.


5. Die Anklage gegen die Templer: Nichterfüllung des Noviziats

Während des Prozesses gegen den Templerorden zu Beginn des 14. Jahrhunderts war die Nichterfüllung eines Noviziatsjahres tatsächlich einer der Anklagepunkte. Die Ankläger sahen darin einen Beweis für die mangelnde Disziplin und Ernsthaftigkeit des Ordens.

Doch dieser Vorwurf ist im Kontext der damaligen Praxis zu sehen: Auch andere Ritterorden, wie die Johanniter oder der Deutsche Orden, hatten ähnliche Anpassungen vorgenommen und das Noviziat für ihre kämpfenden Mitglieder entweder verkürzt oder gänzlich abgeschafft.

Die Nichterfüllung eines Noviziats war also keineswegs eine Besonderheit der Templer, sondern vielmehr eine allgemeine Entwicklung im Kontext der militärischen Realitäten dieser Zeit.


6. Das Dilemma der Templer: Spiritualität vs. Praxis

Das Noviziat sollte ursprünglich nicht nur eine Phase des Lernens und der Reflexion sein, sondern auch dazu dienen, die geistige und moralische Eignung eines Kandidaten zu prüfen. Doch der praktische Druck des Heiligen Krieges zwang die Templer zu Kompromissen.

Das Aufgeben des Noviziats war ein pragmatischer Schritt, der die Templer jedoch angreifbar machte. Ihre Gegner nutzten diesen Punkt als ein weiteres Argument, um den Orden zu diskreditieren und zu zerschlagen.


7. Fazit: Ein pragmatisches Opfer für die Mission

Das Noviziat der Templer zeigt deutlich das Spannungsverhältnis zwischen den ursprünglichen spirituellen Idealen des Ordens und den harten Realitäten des militärischen und politischen Umfelds, in dem die Templer agieren mussten.

  • Die Abschaffung des Noviziats war eine praktische Notwendigkeit, die es den Templern ermöglichte, ihre militärische Stärke aufrechtzuerhalten.
  • Gleichzeitig bot sie späteren Kritikern eine Angriffsfläche, um die Disziplin und Authentizität des Ordens in Frage zu stellen.

Das Beispiel der Templer zeigt, wie stark äußere Umstände die Entwicklung eines geistlichen Ordens beeinflussen können – und welche Folgen solche Anpassungen langfristig haben können.

Schreibe einen Kommentar