⚔️ Gedanken am 8. April
Der Richter in uns – und die Kunst, ihn hinter sich zu lassen
In jedem von uns gibt es eine Stimme, die ständig denkt, beurteilt, vergleicht, analysiert und bewertet.
Diese Stimme nennen viele Traditionen einfach: das Ich – oder treffender: den inneren Richter.
Dieser Richter scheint niemals zu schlafen. Er ist immer da, immer bereit, eine Meinung zu äußern – über andere, über uns selbst, über das Leben. Und vor allem: über das, was „richtig“ und „falsch“ ist.
Der unermüdliche Richter
Das Ich liebt es zu urteilen. Es ist sehr clever, äußerst wortgewandt und emotional tief verankert.
Versuche, mit ihm zu diskutieren – und du wirst verlieren. Denn das Ich spielt auf seinem eigenen Spielfeld, und es wird dich dort immer überlisten.
Deshalb ist der Versuch, das Ich mit Logik oder Argumentation zu besiegen, zum Scheitern verurteilt.
Die einzige Möglichkeit ist nicht, es zu bekämpfen, sondern:
Es hinter sich zu lassen.
Die Weisheit der Wellen
Der tibetische Lama Sogyal Rinpoche vergleicht die Gedanken des Geistes mit den Wellen des Ozeans.
Sie gehören zur Natur des Geistes – genau wie die Wellen zum Meer.
Wir können den Ozean nicht davon abhalten, sich zu wellen – aber wir müssen nicht in jede Welle eintauchen.
„Lass die Wellen den Wellen – und du wirst den Ozean erkennen.“
– Sogyal Rinpoche
So auch mit dem Ich:
Du kannst seine Aktivitäten beobachten, ohne dich von ihnen mitreißen zu lassen.
Du kannst den Richter urteilen lassen, ohne selbst ins Urteil zu verfallen.
Templerarbeit: Der geistige Weg des Ausweichens
„Durch die Meditation erlernen wir die geistige Kampfkunst, die es uns ermöglicht, dem durchtriebenen Ich und seinen unablässigen Beurteilungen auszuweichen.“
Wie in der Kampfkunst besteht der Schlüssel nicht im Widerstand, sondern im nicht Angreifen, nicht Festhalten, nicht Reagieren.
Wir weichen aus, beobachten, lassen los.
Übung: Die Wellen den Wellen lassen
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Setze dich ruhig und aufrecht hin – in Würde und Stille.
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Richte deinen Blick leicht nach unten, ohne etwas zu fixieren.
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Spüre deinen Atem – den Ein- und Ausstrom, wie er dich durchströmt.
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Wenn Gedanken kommen – erkenne sie, benenne sie nicht, folge ihnen nicht.
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Sage innerlich:
„Das ist nur eine Welle.“ Und dann:
„Ich lasse sie die Welle sein, die sie ist.“ -
Bleibe fünf Minuten in dieser Übung – oder solange es dir möglich ist.
Im Alltag: Wenn der Richter zurückkehrt
Der Richter meldet sich oft im Laufe des Tages:
– Du urteilst über einen Kollegen.
– Du kritisierst dich selbst innerlich.
– Du denkst: „Das sollte anders sein.“
Dann halte kurz inne.
Sage still:
„Ach, da ist der Richter wieder.“
„Ich überlasse die Wellen den Wellen.“
Atme einmal tief durch – und kehre zurück zur Weite.
Fazit: Hinter dem Richter liegt der Frieden
Der innere Richter ist laut – aber er ist nicht du.
Er ist ein Teil des Ichs – klug, durchtrieben, aber nicht allmächtig.
Du musst ihn nicht besiegen. Du darfst nicht in den Kampf mit ihm treten.
Du brauchst ihn nur zu erkennen – und weiterzugehen.
Denn hinter dem Lärm des Ichs beginnt die Stille des Höheren Selbst.
Und in dieser Stille liegt der wahre Friede.
🕯️ Möge der Große Geist dich lehren, inmitten der Wellen den Ozean zu erkennen.
Möge dein Weg frei werden – nicht durch Kampf, sondern durch Klarheit.