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Polizeigewalt in Österreich?

Die wirksame Untersuchung der von Misshandlungsvorwürfen gegen die Polizei und der Schutz der Versammlungsfreiheit in Österreich sind für Amnesty International zentrale Anliegen. Anlässlich der Veröffentlichung eines Gutachtens über die Vorgänge bei der Mayday-Demo am 1. Mai 2021, bei der es zu massiven Vorwürfen von Polizeigewalt gegen Demonstrierende gekommen ist, erneuerte Amnesty International Österreich die langjährige Forderung und erinnerte die aktuelle Bundesregierung an ihr eigenes Vorhaben, eine solche einrichten zu wollen. Bereits die türkis-grüne Regierung kündigte im Regierungsprogramm an, eine Ermittlungs- und Beschwerdestelle zu schaffen, die Misshandlungsvorwürfe gegen die Polizei unabhängig untersuchen soll. Laut Aussage des damaligen Innenministers und jetzigen Bundeskanzlers Karl Nehammer hätte bis Herbst 2020 ein Konzept vorliegen sollen. Die Einbindung externer Expertise aus der Zivilgesellschaft in die Konzeption der Stelle sei angedacht. Bislang ist in der Öffentlichkeit davon jedoch noch nichts bekannt.

Polizei ermittelt gegen sich selbst
Das Gutachten, das Menschenrechtsexperte Philipp Sonderegger im Auftrag von Amnesty International über die Vorgänge bei der Mayday-Demo 2021 verfasst hat, zeigt massives Fehlverhalten der Polizei während des Einsatzes, aber auch eine fehlende Aufarbeitung der Geschehnisse und Vorwürfe durch die Behörden – ein Problem, das in Österreich regelmäßig vorkommt und System hat. Misshandlungsvorwürfe wurden nicht wirksam untersucht und die Behörden sind klaren Hinweisen auf Misshandlungen nicht nachgegangen. Wie konnte das passieren? Die Ursache dafür liegt auf der Hand: Für unabhängige Ermittlungen fehlt schlichtweg immer der noch der Rahmen. Die Polizei ermittelt nach wie vor gegen sich selbst. Das führt zu Interessenskonflikten und fehlender Unparteilichkeit der involvierten Beamt*innen. Auch ein starker Korpsgeist innerhalb der Polizei kann dazu verleiten, dass sich die Polizist*innen gegenseitig decken. So bleibt Polizeigewalt für die Täter*innen meist folgenlos. Wenn es überhaupt zu strafrechtlichen Ermittlungen kommt, verlaufen diese meist im Sand. Misshandlungsvorwürfe gegen Polizeibeamt*innen führen laut einer Studie von ALES (Austrian Center for Law Enforcement Sciences) in Österreich fast nie zu einer Anklage.

“Das Gutachten über die Mayday-Demo bestätigt leider, was wir seit vielen Jahren beobachten: Polizeigewalt in Österreich ist ein massives Problem. Aber fast noch mehr die Straflosigkeit, die diesem Fehlverhalten regelmäßig folgt”, sagt Teresa Exenberger, Juristin und Advocacy and Research Officer bei Amnesty International.

Mangelnde Transparenz
Das Gutachten zeigt auch „ein Bild mangelnder Transparenz und einer schwachen Fehlerkultur bei der Aufarbeitung der Ereignisse durch Polizei und Justiz“, wie Philipp Sonderegger erklärt. Für den Bericht wurden zwölf Personen detailliert befragt, zudem wurden behördliche Schriftstücke und Videos analysiert und Anfragen an die Polizei ausgewertet. „Letzteres war am schwierigsten, da ich keine oder sehr oberflächliche Antworten erhalten habe und das um Monate verspätet“, kritisiert Sonderegger die mangelnde Transparenz und „den Unwillen, den Einsatz ernsthaft auf Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten hin zu untersuchen“. Der Bericht analysiert in zwei Teilen sowohl die Verletzung des Misshandlungsverbot und deren fehlende Aufarbeitung durch die Behörden als auch die Einschränkung der Versammlungsfreiheit und das Versagen der Polizei, diese ausreichend zu schützen und zu gewährleisten. Im Gegenteil kam es zu unverhältnismäßiger Ausübung von Gewalt durch die Behörden gegenüber den Demonstrierenden.

Völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs

Mehrfach wurde Österreich von diversen internationalen Institutionen – etwa den Vereinten Nationen oder dem Europarat – gemahnt. Denn das Fehlen einer unabhängigen Ermittlungsstelle ist eine Verletzung des Verbots von Folter und unmenschlicher Behandlung, da die Opfer von Polizeigewalt sich nicht wirksam beschweren können und die Täter*innen oftmals nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

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