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Anthropozän – Das Zeitalter des Menschen:

Wenn Wasser und Erde erzählen

Das Anthropozän ist ein Begriff, der in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Es beschreibt ein neues geologisches Zeitalter, in dem der Mensch den größten Einfluss auf die Erde ausübt und die Umwelt in einem nie dagewesenen Ausmaß verändert. Eine wichtige Rolle bei der Erforschung dieses Zeitalters spielen Sedimente in Gewässern und Erdschichten, die wie Geschichtsbücher fungieren und uns Einblicke in die Jahrhunderte alte Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt bieten.

Der Crawford Lake nahe der Großstadt Toronto wurde von der „Anthropocene Working Group“ als Haupt-Referenzpunkt für das Anthropozän ausgewählt. Dieser See wurde aufgrund seiner besonderen geologischen Eigenschaften ausgewählt, die es ermöglichen, den Einfluss des Menschen auf die Umwelt über die Jahrhunderte hinweg nachzuverfolgen. Der Seegrund besteht aus Kalkgesteinen, und die Wasserschichten vermischen sich nicht. Dadurch können Verbindungen und Sedimente durch die unvermischte Wassersäule des Sees absinken und sich über die Zeit hinweg ablagern. In den Kalzit-Kristallen, die sich in diesen Sedimenten bilden, sind Informationen über vergangene Einflüsse der Außenwelt gespeichert.

Die Sedimentschichten im Crawford Lake erzählen eine faszinierende Geschichte. Sie geben Aufschluss über die Präsenz indigener Gruppen im 13. Jahrhundert und die Auswirkungen der europäischen Kolonialisierung ab dem frühen 19. Jahrhundert. Ein weiteres bemerkenswertes Detail, das aus den Sedimentschichten abgelesen werden kann, ist das Vorhandensein des Radionuklids Plutonium 239. Dieses Element wurde bei oberirdischen Atombombentests nach dem Zweiten Weltkrieg freigesetzt und hat sich bis heute in den Sedimenten des Sees erhalten.

Nicht nur der Crawford Lake, sondern auch der Wiener Karlsplatz spielt eine wichtige Rolle bei der Erforschung des Anthropozäns. Über Jahrhunderte hinweg ist der Karlsplatz in Wien mehrere Meter in die Höhe gewachsen. Bei der Neugestaltung des Wien Museums am Karlsplatz wurden Gesteinsproben aus der Baustelle genommen, und auch hier konnte Plutonium in den Stadtsedimenten nachgewiesen werden. Dies zeigt, wie weitreichend der Einfluss des Menschen auf die Umwelt auch in urbanen Gebieten sein kann.

Ein weiteres Beispiel für die Nutzung von Sedimenten zur Erforschung des Anthropozäns bietet der „WasserCluster Lunz“. In Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich werden Schülern praktische Einblicke in wissenschaftliches Arbeiten im Freiland und im Labor vermittelt. Der Titel des Projekts, „Das Anthropozän lernen und lehren“, verdeutlicht die Bedeutung dieses Themas für die Bildung und die Sensibilisierung der jungen Generation für Umweltfragen.

Das Anthropozän ist ein Zeitalter, in dem der Mensch die Hauptrolle in der Veränderung der Erde spielt. Die Sedimente in Gewässern und Erdschichten dienen als wichtige Informationsquelle, um die Geschichte dieses Zeitalters zu entschlüsseln. Der Crawford Lake in Kanada und der Wiener Karlsplatz sind nur zwei Beispiele dafür, wie Sedimente uns Einblicke in die komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt bieten. Diese Forschung ist nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch von großer Bedeutung für unsere Verantwortung gegenüber der Erde und zukünftigen Generationen.

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