✠ Blog des ALTEN SOUVERÄNEN TEMPLER ORDENS (ASTO) ✠

Das Grabtuch von Turin

Ob das heute als Grabtuch von Turin (=Ganzkörperbild) bekannte Objekt mit dem als Mandylion von Edessa (=Kopfbild) bekannten identisch ist, wie erstmals Wilson (1978) behauptete, oder ob es sich hier um Original und zu einem Zeitpunkt angefertigte Kontaktreliquie/Kopie handelt, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Das Grabtuch tauchte Mitte des 14. Jhs. im Besitz einer Familie Charny auf, die es ohne weitere Angaben als „geschenkt“ (conquis/acquis sind im Altfranzösischen synonym) deklarierte.

Fest steht auch, dass das Mandylion aus Edessa im Jahre 944 nach Konstantinopel überführt wurde. In den folgenden Jahrhunderten werden zumindest sowohl ein Mandylion als auch ein Grabtuch als unterschiedliche Reliquien in Konstantinopel aufgeführt: eine in der Farokapelle, eine im Blachernenpalast. Der Chronist Wilhelm von Tyrus vermerkt das Sindon um 1171 im „Palatium Constantinianum“, wo es gemeinsam mit anderen Reliquien dem König von Jerusalem Amalric ausgestellt wird. Der Chronist Robert de Clary berichtet nach dem 4. Kreuzzug, in der Blachernenkirche sei die sidoines, in die Christus bei seiner Grablegung gehüllt worden war, aufbewahrt gewesen – doch liegt hier unter Umständen eine Verwechslung mit einem ebenfalls sidoyne genannten wunderwirksamen Velum vor einer Ikone. Auf jeden Fall ist unbekannt, was nach der Eroberung Konstantinopels aus dem Grabtuch und/oder dem Mandylion wurde.
Das im sogenannten Chartularium Culisanense enthaltene Schreiben eines byzantinischen Prinzen namens Theodoros Angelos Komnenos an Papst Innozenz III. aus dem Jahr 1205, in dem er sich über den Verlust zahlreicher Kunstschätze und Reliquien – darunter das Grabtuch – beklagt, stellte sich als eine Fälschung aus dem 19. Jahrhundert heraus. Dies erwies eine philologische und diplomatische Analyse des nur als Abschrift erhaltenen Dokuments.

Diverse Autoren bemühen sich seit einigen Jahrzehnten, die Überlieferungslücke zu schließen und den Transfer des Grabtuchs nach Europa nachzuvollziehen. Vielfach wird hier der auch der Orden der Templer als missing link in Betracht gezogen. Die entsprechenden Thesen berufen sich dabei auf die Aussagen aus dem Templerprozess zu einem ominösen ‚Idol‘, die Namensgleichheit des letzten Templerprovinzmeisters der Normandie mit dem ersten bezeugten Besitzer des Grabtuches Mitte des 14. Jahrhunderts und ikonographische Relikte.

Aufgrund der vorhandenen Quellenlage zur Familie Charny aus Burgund und dem 1314 gemeinsam mit Jacques de Molay in Paris verbrannten Templerprovinzial Geoffroi de Charny ist keineswegs „mit Sicherheit” oder auch nur „mit großer Wahrscheinlichkeit” zu entscheiden, ob letzterer tatsächlich Mitglied dieser Familie gewesen ist, und ob die Templer irgendetwas mit dem Transfer des Grabtuchs nach Frankreich zu tun hatten. Die urkundlichen Belege sprechen sogar eher gegen eine Verwandtschaft.

Diesbezügliche Recherchen in den burgundischen Archiven zeigen dies deutlich. Viele Orte in Frankreich, besonders im burgundischen Raum, tragen den Namen Charny oder Charnay. Die Familie des Grabtuchbesitzers Geoffroi I. de Charny war in Charny, Dép. Côte d’Or beheimatet. Der erste Herr von Charny war Pons, Sohn von Hugo de Mont-Saint-Jean und Elisabeth de Vergy. Pons de Charny (in den Urkunden wird sein Name Charnei geschrieben) war mit Sybille de Noyers verheiratet, die 1219 erstmals in einer Urkunde auftaucht, gemeinsam mit ihren Kindern Hugo, Polissa, Elisabeth, Agnes und Adela. Hugo (sein Name wird Charney, Charneyo oder Charnaio, ja sogar Charniaco geschrieben) erbte die Herrschaft. 1272 übernahm sein ältester Sohn Dreux das Lehen als Herr von Charny. Er starb wohl wenig später, offenbar ohne Nachkommen zu hinterlassen. Um 1294 taucht ein Jean de Charny auf, dessen Verwandtschaftsverhältnis zum Vorbesitzer des Lehens nicht geklärt ist. Jean de Charny hatte zwei Söhne, Dreux II. und Geoffroi, den späteren Eigentümer des Grabtuches. Dreux war Haupterbe von Charny ( sein Name wird Charny, Charnet, Charneyo geschrieben). Er starb bereits vor 1325. Irgendwelche Beziehungen dieser Familie zum Templerorden sind nicht nachweisbar.

Es ist möglich, daß das Grabtuch erst zu Beginn des 14. Jhs seinen Weg nach Frankreich antrat. Denn Jean de Charny, der Vater des Grabtuchbesitzers Geoffroi, begleitete im Jahre 1316 mit seinen beiden Söhnen Louis von Burgund auf dessen Feldzug nach Griechenland , wo Ferdinand von Mallorca unterstützt von den Katalanen seit 1315 die Macht usurpiert hatte. Auch dies ist aber lediglich eine Hypothese.

In einiger Quellen des Artikels und weiterführende Literatur wird auch immer wieder gern das vermeintliche Götzenbild der Templer, der „Baphomet“ als Hinweis auf einen Besitz des Grabtuchs Christi gewertet. Doch hält diese These einer näheren Überprüfung schon aufgrund der Inkohärenz der Quellen nicht stand: In den Anklagepunkten des französischen Königs Philipps IV., die er 1307 dem Verhaftungsbefehl aller Templer in seinem Reich beifügte, werden die Ordensbrüder noch ganz unspezifisch des Götzendienstes angeklagt. Der König folgte hierbei alttestamentlichen Klagen über die Untreue des Volkes Israel. Erst im weiteren Verlauf des Prozesses fanden detaillierte Beschreibungen dieses Götzenbildes Eingang in die Anklageschriften. Diese Beschreibungen, die die Aussagen einiger weniger Templer wiedergeben, stellen völlig unterschiedliche Objekte vor, von einem schwarzen Kalb bis hin zu einer antiken Götterstatuette (vgl. Artikel Baphomet). Diese Beschreibungen geben keine historische Wirklichkeit wieder, sondern orientieren sich an zeitgenössischen Vorstellung über heidnische oder „mohammedanische” Götzenbilder. Mit der Ansicht des Heiligen Grabtuches haben diese Beschreibungen nichts gemein, vor allem ein wesentliches Detail fehlt: der Hinweis, daß es sich um ein „Gemälde” oder ein „Götzenbild” auf Stoff gehandel habe. Die angeblich in den Protokollen von Carcassonne von Frale (2009) aufgefundenen ‚deutlichen Hinweise‘ sind eine bewusste Textfälschung. Ausgerechnet der immer wieder angeführte angebliche Überbringer des Grabtuches, der Provinzmeister Geoffroi de Charny, macht im Prozeß überhaupt keine wie auch immer gearteten Aussagen zu einem templerischen Götzenbild! Es existiert keine einzige Aussage aus den Prozessen, die einen Hinweis auf den angeblichen Besitz des Grabtuches durch die Templer gibt.

Das berühmte ‚Porträt von Templecombe‘, welches auch zahlreich als Abbild des Grabtuches bezeichnet wird und im 20. Jh. in einem mittelalterlichen Gebäude im englischen Templecombe entdeckt wurde, ist nicht eindeutig als Christusporträt identifizierbar und noch weniger ist eine Verbindung zu den Templern nachweisbar. Es wurde mittels der Radiocarbonmethode auf 1280-1310 datiert.

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