✠ Blog des ALTEN SOUVERÄNEN TEMPLER ORDENS (ASTO) ✠

Das sollten Sie über Antibiotika-Resistenzen wissen

Wenn wir zu oft Antibiotika nehmen, fördert das die Bildung von resistenten Bakterien. Was bedeutet das für dich und können wir dagegen etwas tun?

Darum geht’s:
Bakterien können eine Behandlung mit Antibiotika überleben
Vor fast 100 Jahren machte der englische Bakteriologe Alexander Fleming eine revolutionäre Entdeckung für die Medizin: Das erste Antibiotikum – Penicillin. Er fand heraus, dass Schimmelpilze Stoffe produzieren, die Bakterien abtöten können. Das und die darauffolgende Entwicklung wirksamer Medikamente revolutionierten die damalige Medizin.

Bakterien können Antibiotika austricksen
Heute produzieren Pharmaunternehmen Antibiotika im Labor. Denn eine bakteriell ausgelöste Krankheit kann man sich schnell einfangen, zum Beispiel schon durch einen Insektenstich. Die Arzneimittel sind verschreibungspflichtig und wirken über verschiedene Mechanismen. Sie können zum Beispiel verhindern, dass Bakterien eine funktionsfähige Zellwand aufbauen. Und sie greifen in den bakteriellen Stoffwechsel ein oder schädigen das Erbgut des Erregers. So können Antibiotika Bakterien in deinem Körper eigentlich gut bekämpfen. Aber: Bakterien können auch Resistenzen ausbilden – die Antibiotika wirken dann schlechter oder sogar gar nicht mehr.

Resistenzbildung ist gelebte Evolution
Nehmen wir Antibiotika zu oft oder falsch ein, erhöht das den Selektionsdruck, der auf den Mikroorganismen lastet. Sprich: Die stärksten, also die resistenten Bakterien, überleben und können ihre neu erworbene Fähigkeit weitervererben. Weil sich Bakterien schnell vermehren, und sie zudem die Fähigkeit haben z. B. ganze Bereiche ihres Erbguts auszutauschen, verläuft ihre Evolution äußerst effektiv.

Resistenzen bilden sich aber auch natürlich. Das zeigte auch ein kanadisch-amerikanisches Forschungsteam, das fast 100 unterschiedliche Bakterienstämme aus einer Tropfsteinhöhle in New Mexico untersuchte. Mit dem Ergebnis, dass 14 dieser Stämme gegen gängige Antibiotika resistent waren, obwohl sie nie mit Medikamenten in Berührung gekommen sind.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir darüber reden:
Darum müssen wir darüber reden:
Immer mehr Bakterien sind resistent
In den vergangenen Jahrzehnten haben Ärzt:innen Antibiotika zu häufig und zu breit eingesetzt. Das führte dazu, dass sich bei einigen Erregern ausgeprägte Resistenzen entwickelt haben. In Deutschland führen Krankenhäuser deswegen regelmäßig Proben durch, um zu schauen, wie resistent Bakterien gegenüber Antibiotika sind.
Die ermittelten Resistenzraten liegen in Deutschland aktuell im Bereich von zwei bis 20 Prozent. Der Maximalwert von 20 Prozent bezieht sich auf Enterococcus faecium, ein Bakterium, das natürlicherweise im Darm vorkommt. Die Resistenz betrifft das Antibiotikum Vancomycin.

Das bedeutet für eine Enterokokkeninfektion, dass 80 von 100 Bakterienstämmen auf das Antibiotikum ansprechen, 20 jedoch nicht. Das Bakterium ist dann ein VRE und gehört zu den Vancomycin-resistenten Enterokokken. Laut dem Robert Koch Institut sind die Resistenzraten der sechs häufigsten Bakterienarten mit Resistenzbildung in Deutschland aber auf relativ stabilem Niveau.
Um gezielt zu behandeln, muss man den Infektionserreger kennen
Allein aufgrund von Resistenzraten von „Problemkeimen“ zu sprechen, wäre jedoch falsch. Dr. Dr. Katja de With, Leiterin des Zentralbereichs Klinische Infektiologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden sagt: „Infektionserreger sind hinsichtlich ihrer Häufigkeit und ihrer Pathogenität unterschiedlich einzuschätzen.“

Eine Enterokokkeninfektion kann eine Blutvergiftung sein, die Bakterien können aber auch das Herz befallen. Die Krankheiten sind sehr verschieden. Je nachdem wo sich die Bakterien im Körper befinden, ist es unterschiedlich schwer, sie zu identifizieren. So ist ein Erreger, der oberflächlich auf der Haut etwa in einer eitrigen Wunde sitzt, leichter zu finden als ein Erreger, der beispielsweise die Lunge befallen hat.

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Erschwerend kommt hinzu, dass aus Urinproben oft mehrere Bakterien nachgewiesen werden können. „Wenn Patienten mit resistenten Bakterien besiedelt sind, dann heißt das nicht zwangsläufig, dass sie auch daran erkrankt sind.“, so de With. Den Verursacher der Krankheit zu finden ist also gar nicht so einfach.

Eine Behandlung, vor allem im Krankenhaus kann aber oft nicht warten. Deshalb wird dann oft mit einem Medikament behandelt, das gegen mehrere Bakterien wirkt, einem Breitband-Antibiotikum. Problem: Das fördert aber die Resistenzbildung.

De With kennt dieses Dilemma der Klinikärzte und rät: „Als Infektiologin muss ich deutlich sagen, dass in Fällen, in denen man den Erreger nicht kennt, an Tag Drei der Antibiotikagabe klar sein muss, ob die Behandlung etwas bringt oder nicht.“ Denn hier gilt wieder: Eine Behandlung mit einem Antibiotikum, dass nicht zielgenau wirkt, fördert die Resistenzbildung.

Die Notwendigkeit neuer Wirkstoffe
Es gibt auch sogenannte multiresistente Bakterien, die gegen mehrere Arten von Antibiotika resistent sind. Gegen diese Erreger muss dann mit speziellen Reserve-Antibiotika therapiert werden. Auch neue Antibiotika, mit vielleicht ganz neuen Wirkmechanismen könnten hier helfen. Seit Jahren kommen aber kaum neue Antibiotika auf den Markt.

Denn Medikamente zu entwickeln, die nur als Reserve im Schrank liegen, ist natürlich wenig lukrativ. Zudem ist die Entwicklung neuer Wirkstoffe langwierig und teuer. Mit etwas Glück kann man bekannte Antibiotika weiterentwickeln und so Resistenzen umgehen.
Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
Eine gute Strategie zur Vermeidung von Resistenzen ist komplex
Laut einer Lancet-Studie von 2022 stehen jährlich fast 1,3 Millionen Todesfälle weltweit in direktem Zusammenhang mit Antimikrobieller Resistenz. Das zeigt: Hier muss etwas passieren. Wie das aussehen sollte, erklärt de With: „Der Handlungsbedarf, den wir in Deutschland haben, bezieht sich auf das Verstehen von Infektionskrankheiten in Bezug auf: Mit welcher Infektion und mit welchem Erreger haben wir es zu tun und wie läuft dann die Antibiotikatherapie möglichst zielgenau ab.“
Das Problem dabei: Eigentlich bräuchte man dafür viel mehr Infektiolog:innen. Aber erst seit zwei Jahren gibt es überhaupt die Möglichkeit sich als Fachärztin oder Facharzt in diesem Gebiet ausbilden zu lassen. Infektionen werden also meistens von allen Ärzt:innen behandelt. Und die geben häufig zu schnell ein Antibiotikum oder sie geben das falsche, und dann noch eins, wenn das erste nicht gewirkt hat.

In Deutschland gibt es seit über 10 Jahren Bestrebungen, den Gebrauch von Antibiotika zu verringern. 2019 lag Deutschland in einem Vergleich der OECD-Länder mit 8,4 Tagesdosen pro 1000 Personen im unteren Bereich. Spitzenreiter war Australien mit 27,1 Tagesdosen pro 1000 Personen. Das wirkt sich auch auf die Bildung von Resistenzen aus: Für einige Erreger (z. B. E. coli-Resistenz gegen Ampicillin/Amoxicillin) liegen diese bei über 50 Prozent.
Aber auch wir können wir noch mehr tun. Denn es geht nicht nur darum, die Arzneimittel seltener einzusetzen. „Oft wird auch innerhalb der Ärzteschaft nicht gut genug kommuniziert. Kommt ein Patient zu uns ins Krankenhaus steht im Arztbrief dann oft nur: Erreger wurde mit adäquater Antibiose behandelt.“ Eine Information über die Infektion, die Art des Erregers, verwendetes Arzneimittel und Dauer der Gabe sollte viel genauer dokumentiert werden, damit weiterbehandelnde Ärzt:innen möglichst zielgenau therapieren können.

Artikel Abschnitt: Und jetzt?
Und jetzt?
Auch du kannst etwas gegen Resistenzen tun
Handlungshinweise für Ärzt:innen stehen schon in Strategieprogrammen wie z. B. „DART 2030“ oder dem „Antibiotic Stewardship“. Die Programme richten sich an Mediziner:innen. Darin steht, dass man bei kindlichen Erkältungskrankheiten eher engmaschig kontrollieren sollte, als gleich ein Antibiotikum zu verschreiben („Wait and Watch“).
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Diese Programme müsste man dringend auch in anderen Teilen der Welt etablieren, denn in manchen Ländern sind Antibiotika tatsächlich noch frei erhältlich. Darüber ist auch die Infektiologin de With besorgt: „In Ländern wie beispielsweise Indien liegen die Resistenzen zum Teil bei 80 Prozent. Dort sollte man unbedingt Stewardship-Programme etablieren. Und den Menschen Leitlinien für einen guten Umgang mit Antibiotika an die Hand geben.“

Handlungsempfehlungen für Patient:innen

Auch Patient:innen kann man raten, sich an die ärztliche Verordnung eines Antibiotikums zu halten. Das bedeutet:

Das Medikament nicht selbstständig runter zu dosieren oder gar abzusetzen
Die Therapie auch nicht abbrechen, wenn man den Eindruck hat, dass sich die Symptome etwas verbessern
Wachsam sein, wenn Hausärzt:innen bei jedem Schnupfen antibiotisch behandeln
Mithelfen kann aber auch jede:r, indem man einfach versucht Infektionen zu vermeiden. Dazu gehören das einfache Händewaschen oder die Impfung. Im Umgang mit vulnerablen Gruppen z. B. bei Besuchen im Pflegeheim oder im Krankenhaus sollte man sich die Hände desinfizieren.

Neues aus der Forschung
Gute Nachrichten gibt es auch: In der geplanten EU-Pharma-Reform sind Extra-Anreize für neue Antibiotika vorgesehen. Und die Phagentherapie ist bei Forschenden beliebt geworden. Bakteriophagen sind spezielle Viren und die natürlichen Feinde der Bakterien. Sie können Bakterien gezielt abtöten. Also quasi Biokeule anstatt Chemiekeule. Ein Lösungsansatz, der punktuell wirkt, denn man muss den Erreger sehr genau kennen. Eine schnelle Lösung nach dem Gießkannenprinzip gibt es leider nicht.

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