Die gefährlichste aller Religionen: Staatsgläubigkeit
Eine kritische Betrachtung inspiriert von Larken Rose
Der US-amerikanische Autor, Freiheitsdenker und Gesellschaftskritiker Larken Rose ist bekannt für seine unkonventionellen, aber prägnanten Analysen über Macht, Autorität und die Rolle des Staates im Leben des Einzelnen. In seiner Kernthese geht er davon aus, dass die gefährlichste aller Religionen nicht im klassischen Sinne eine Glaubensrichtung ist, sondern die Staatsgläubigkeit – der Glaube, dass eine zentrale Autorität in Form eines Staates notwendig, legitim und moralisch gerechtfertigt sei, um Ordnung, Sicherheit und Gerechtigkeit zu garantieren.
Diese Überzeugung – so Rose – sei gefährlicher als jede organisierte Religion, weil sie tief in den Köpfen der Menschen verankert ist, oftmals unhinterfragt bleibt und gerade in Zeiten der Krise ihre zerstörerischste Wirkung entfaltet. Wenn Menschen beginnen zu glauben, dass Gehorsam gegenüber der staatlichen Autorität eine moralische Pflicht ist – selbst wenn dies mit Gewalt, Krieg oder Unterdrückung einhergeht –, dann geschieht oft das Schlimmste. Geschichte und Gegenwart liefern dafür zahlreiche Belege.
Die Bilanz der Nationalstaaten: Gewalt, Krieg und Tod
Mit dem Aufkommen der modernen Nationalstaaten, insbesondere ab dem 19. und 20. Jahrhundert, begann ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte – eines, das von zentralisierter Macht, Bürokratie und technisierter Kriegsführung geprägt ist. Während frühere Epochen von regionalen Konflikten und feudalen Auseinandersetzungen bestimmt waren, ermöglichten die modernen Staaten durch industrielle Infrastruktur und ideologische Mobilisierung eine völlig neue Dimension von Gewalt.
Die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts – darunter zwei Weltkriege, der Holocaust, der Gulag, der „Große Sprung nach vorn“ in China und zahlreiche weitere Genozide – fanden nicht trotz, sondern wegen staatlicher Machtkonzentration statt. Regierungen waren die treibenden Kräfte, welche die Mittel besaßen, systematisch Millionen von Menschenleben zu vernichten – im Namen von Ordnung, Sicherheit oder ideologischer Reinheit.
Rudolph Rummels Werk: Zahlen, die erschüttern
Ein bedeutendes Werk, das diese Zusammenhänge dokumentiert, ist das Buch „Death by Government: Genocide and Mass Murder Since 1900“ des Politikwissenschaftlers Rudolph Joseph Rummel. Rummel prägte den Begriff „Demozid“ – die Tötung von Menschen durch ihre eigene Regierung – und legte akribisch dar, dass Regierungen im 20. Jahrhundert über 260 Millionen Menschen ermordet haben. Diese Zahl übertrifft bei Weitem die Opferzahlen aller Kriege desselben Zeitraums.
Rummels Zahlenwerk ist ein unerschütterliches Zeugnis dafür, wie gefährlich staatliche Macht werden kann, wenn sie nicht begrenzt, kontrolliert oder grundsätzlich hinterfragt wird. Es zeigt, dass die größten Gefahren für das menschliche Leben nicht von Anarchie oder Gesetzlosigkeit ausgehen, sondern von überbordender Staatsmacht und der blinden Loyalität der Bevölkerung gegenüber dieser Macht.
Der Glaube an den Staat – eine säkulare Religion?
Wenn man betrachtet, wie viele Menschen bereit sind, im Namen des Staates zu töten, zu sterben oder sogar andere zu denunzieren, wird deutlich, dass hier ein quasireligiöser Glaube im Spiel ist. Der Staat wird zur obersten moralischen Instanz erhoben, seine Gesetze als heilig betrachtet, seine Führer als unfehlbar oder zumindest alternativlos. Dieser Glaube wird bereits im Kindesalter durch Schulbildung, Rituale (Hymnen, Fahnen, Gelöbnisse) und gesellschaftliche Narrative tief verankert.
Larken Rose argumentiert, dass diese Art der Staatsverehrung nichts anderes ist als ein moderner Götzendienst – eine Religion, die mehr Leid verursacht hat als jede andere Glaubensrichtung der Geschichte.
Schlussgedanken
Es bedarf keiner Anarchie, um den Staat zu kritisieren. Aber es braucht Mut, die eigene Konditionierung zu hinterfragen. Die Thesen von Larken Rose und die Daten von Rummel sind unbequeme Spiegel, in denen wir erkennen können, dass Gehorsam gegenüber Autorität nicht gleichbedeutend mit Moral ist – im Gegenteil: oft ist ziviler Ungehorsam die einzig moralisch vertretbare Haltung.
Staatsgläubigkeit als Religion zu entlarven, bedeutet nicht, jede Form von Gemeinschaftsorganisation abzulehnen. Es bedeutet vielmehr, die Verantwortung für das eigene Denken und Handeln nicht länger an eine vermeintlich höhere Instanz abzugeben. Nur so können wir die wiederkehrenden Tragödien der Geschichte durchbrechen.