Herzog von Berry Stundenbuch
AUGUST:
Die Falkenjagd war ein beliebtes, der höfischen Gesellschaft sehr
gemässes Vergnügen. Allein schon die Aufzucht und die Abrichtung
der Beizvögel, mit all den schwierigen, einen späteren
Erfolg verbürgenden Bedingungen, entsprachen in höchstem
Masse der Exklusivität der herrschenden Lebensart. Die Möglichkeit
eines fröhlich geselligen Beisammenseins, konnten doch
auch die Damen an der Vogeljagd teilnehmen, mag ein weiterer
Vorzug gewesen sein. Auf dieser Miniatur ist im Vordergrund
eine solche, zur Vogeljagd ausziehende Hofgesellschaft abgebildet.
Angeführt wird die Gruppe von einem Falkner zu Fuss,
dessen derberes Aussehen ihn in jeder Einzelheit als Diener
charakterisiert. Auf der ausgestreckten linken Hand hat er zwei
Falken sitzen, mit der rechten schleift er eine lange Stange nach,
die in den Jagdpausen den Beizvögeln als Sitzgelegenheit dienen
mochte. Auf dem ersten Pferd sitzt, gemeinsam mit seiner Dame,
ein Kavalier und lässt mit der linken Hand einen Falken los.
Es ist dies jener spannende Augenblick, von dem schon Friedrich
I I . in seinem berühmten Traktat schrieb, er stelle jeweils
den Geist des Menschen auf die Probe, dessen Triumph es sei,
sich das freieste aller Tiere, den Raubvogel, botmässig gemacht
zu haben, indem dieser nach erfülltem Auftrage freiwillig auf
die behandschuhte Hand seines Herrn zurückkehre. E i n Bild
für sich, strahlend in herrlichen Farben, erfüllt von der Pracht
des Daseins, ist der Anblick der nachfolgenden Reiterin, der
blaugekleideten Dame, auf dem rassig ausschreitenden Schimmel,
mit dem reichverzierten Zaumzeug und der roten, golddurchwirkten
Satteldecke. Vorschriftsgemäss führt sie mit der
rechten Hand den Zügel, auf der Linken aber spreitet abflugbereit
ein Falke die Schwingen. Während solcherart die feingekleidete
Hofgesellschaft zur Jagd reitet, sind die Bauersleute daran, das
letzte Getreide zu schneiden, in Garben zu binden und auf bereitstehende
Wagen zu verladen. Einige der Männer haben eine
Pause eingeschaltet, um sich durch ein kühlendes Bad zu erfrischen.
Köstlich ist es, zu beobachten, wie verschieden der
Künstler die Stellungen der Schwimmenden und deren Reflexe
im Wasser wiedergibt. Die Mitte des Hintergrundes nimmt
diesmal Etampes ein, ein Schloss, das der Herzog von seinem
Bruder, Ludwig von Anjou, erworben hatte.