3 Stufe des Glaubens: Der synthetisch-konventionelle Glaube
(Typisch im Jugendalter, etwa zwischen 12 und 20 Jahren – kann aber bei manchen Erwachsenen lebenslang bestehen bleiben)
Der Glaube wird Teil der eigenen Identität
Mit dem Eintritt in die Pubertät und das Jugendalter beginnt eine Phase tiefgreifender Veränderungen – körperlich, emotional, sozial und geistig. Der junge Mensch beginnt, sich von seinen Eltern zu lösen, sich selbst zu finden, neue Beziehungen zu knüpfen und ein eigenes Weltbild zu entwickeln. In dieser Zeit erwacht das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Anerkennung und Orientierung im sozialen Gefüge.
Auch der Glaube verändert sich: Er wird nun nicht mehr nur übernommen, sondern emotional und sozial mit der eigenen Identität verknüpft. Wer bin ich – und was glaube ich? Und vor allem: Was denken andere über mich und meinen Glauben?
Merkmale des synthetisch-konventionellen Glaubens
Der Name dieser Stufe setzt sich aus zwei Teilen zusammen:
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„Synthetisch“, weil der Glaube nun nicht mehr aus Einzelstücken besteht (wie in der Kindheit), sondern zu einem zusammenhängenden Weltbild zusammengesetzt wird.
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„Konventionell“, weil dieses Weltbild sich meist stark an den Werten und Vorstellungen der Bezugsgruppe (Familie, Freunde, religiöse Gemeinschaft) orientiert – oft ohne tiefere Hinterfragung.
Typische Merkmale dieser Stufe:
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Der Glaube ist emotional stark eingebunden in das eigene Selbstbild („Ich bin Christ“, „Ich bin Templer“, „Ich gehöre dazu“).
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Die eigene religiöse Identität wird über Gruppenzugehörigkeit definiert.
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Es gibt den Wunsch nach Eindeutigkeit und Klarheit, auch wenn die Welt komplexer wird.
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Die Vorstellung von Gott ist oft personifiziert (z. B. als helfender Begleiter, moralische Instanz oder stiller Richter).
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Reflexion ist möglich, aber noch begrenzt – vor allem, wenn sie Unsicherheit oder Konflikt auslöst.
Der Blick nach außen – und der Einfluss von Autoritäten
In dieser Phase spielt die Meinung anderer Menschen eine zentrale Rolle. Der Jugendliche möchte dazugehören, nicht auffallen, ernst genommen werden. Darum neigt er dazu, sich an der Meinung von Autoritäten oder Gruppen zu orientieren, seien es Eltern, Lehrer, religiöse Leiter oder charismatische Vorbilder.
Es entsteht ein Glaube, der oft weniger hinterfragt als nachgeahmt wird. Die eigene Überzeugung ist noch stark abhängig vom sozialen Umfeld. Man glaubt, weil andere auch glauben – oder weil es zur eigenen Identität dazugehört.
Das kann sowohl stärkend als auch hemmend wirken:
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Stärkend, wenn das Umfeld liebevoll, offen und inspirierend ist.
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Hemmend, wenn Zweifel unterdrückt oder unkonventionelle Fragen nicht zugelassen werden.
Konflikte und erste Risse im Weltbild
Trotz des Bedürfnisses nach Stabilität können in dieser Stufe erste tiefere Zweifel auftauchen – besonders, wenn die Realität nicht mehr mit dem bisherigen Glaubensbild übereinstimmt. Warum passieren Ungerechtigkeiten? Warum erhört Gott nicht jedes Gebet? Warum gibt es verschiedene Religionen mit unterschiedlichen Wahrheiten?
Solche Fragen werden oft emotional erlebt, aber noch nicht intellektuell durchdrungen. Es besteht die Tendenz, sie zu unterdrücken – aus Angst, das eigene Glaubensgerüst zu verlieren. Einige Menschen bleiben deshalb ihr ganzes Leben auf dieser Stufe: Sie halten sich an vertrauten Formen fest, weil die Unsicherheit der tieferen Fragen bedrohlich erscheint.
Chancen und Gefahren dieser Stufe
Chancen:
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Diese Stufe bietet dem jungen Menschen eine stabile geistige und soziale Heimat.
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Der Glaube wird Teil der eigenen Persönlichkeit – nicht nur Theorie, sondern gelebte Identität.
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Sie ermöglicht erste bewusste Auseinandersetzung mit Werten, Moral und religiösem Leben.
Gefahren:
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Die Bindung an äußere Autoritäten kann die innere Reifung blockieren, wenn Widerspruch nicht erlaubt ist.
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Kritisches Denken wird oft vermieden, um Konflikte zu vermeiden.
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Wer in dieser Stufe stehen bleibt, riskiert einen starren, unflexiblen Glauben, der bei späteren Lebenskrisen brüchig wird.
Die Templerperspektive auf diese Stufe
In der Templertradition wird diese Phase als Zeit des inneren Ritters gesehen: Der Mensch sucht Wahrheit, Treue und klare Ordnung. Er kämpft für Ideale, will Gutes tun, sehnt sich nach Ehre und Zugehörigkeit. Doch der wahre Ritter lernt mit der Zeit, dass nicht alles äußerlich ist – sondern dass der tiefste Kampf im Inneren stattfindet: gegen Illusionen, Ängste und vorgefertigte Meinungen.
Ein Templer auf dieser Stufe wird ermutigt, Fragen zuzulassen, auch wenn sie unbequem sind. Denn nur wer fragt, kann den Weg zur nächsten Stufe beschreiten – zum individuierend-reflektierten Glauben, in dem der Mensch wirklich beginnt, seine eigene Wahrheit zu finden.
Fazit: Glaube als Selbstwerdung
Die synthetisch-konventionelle Stufe ist eine wichtige Phase in der spirituellen Entwicklung. Sie verbindet den Menschen mit einer spirituellen Heimat, gibt Halt und moralische Orientierung. Doch sie ist nicht das Ziel – sondern eine Übergangsphase, die vorbereitet auf eine tiefere, selbstverantwortete Form des Glaubens.
Ein reifer Glaube beginnt da, wo wir bereit sind, unsere Komfortzone zu verlassen. Dort, wo wir nicht mehr glauben, weil andere es tun – sondern weil wir es selbst erkannt und durchlebt haben.