Wie viel Zeit bleibt noch, den Klimawandel einzudämmen?
Die kurze Antwort: Die Uhr tickt – und zwar laut. Wenn wir die globale Erderwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzen wollen, können wir weltweit nur noch rund 200 Gigatonnen CO₂ ausstoßen. Das entspricht in etwa sieben Jahren bei unserem derzeitigen Emissionsniveau. Danach wäre das CO₂-Budget aufgebraucht, und drastische Maßnahmen wären unausweichlich.
Das verbleibende CO₂-Budget: Eine begrenzte Ressource
Das verbleibende CO₂-Budget beschreibt die Menge an CO₂, die wir noch in die Atmosphäre abgeben dürfen, um die globale Erwärmung auf einen bestimmten Temperaturanstieg zu begrenzen. Wenn wir auf dem derzeitigen Niveau weiter Emissionen verursachen, wäre das Budget für das 1,5-Grad-Ziel bis zum Sommer 2029 vollständig verbraucht. Danach müssten die Emissionen schlagartig auf null sinken – ein unrealistisches Szenario.
1,5 Grad: Ein kaum erreichbares Ziel
Der aktuelle Emissions Gap Report 2024 des Umweltprogramms der Vereinten Nationen zeigt: Die Chancen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, liegen bei nahezu null. Selbst wenn alle bisher eingereichten Klimaschutzbeiträge (NDCs) vollständig umgesetzt würden, steuern wir bis Ende des Jahrhunderts auf eine Erwärmung von 2,6 bis 3,1 Grad zu. Das würde katastrophale Folgen für Ökosysteme, Wirtschaft und menschliche Lebensräume haben.
CO₂-Emissionen steigen weiter an
Trotz Klimazielen und internationaler Abkommen erreichen die CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen 2024 ein neues Rekordhoch. Laut der Analyse des Global Carbon Project stiegen die Emissionen im Vergleich zum Vorjahr um weitere 0,8 Prozent. Mehr als 100 Wissenschaftler*innen analysieren jährlich die globalen Emissionen und deren Speicherung in natürlichen Senken wie Wäldern und Ozeanen. Die Ergebnisse sind eindeutig: Wir bewegen uns nicht schnell genug in die richtige Richtung.
Jedes Zehntel Grad zählt
Klimawissenschaftler*innen betonen, dass jedes Zehntel Grad, um das die Erwärmung reduziert wird, von enormer Bedeutung ist. Extremwetterereignisse wie die Flutkatastrophe in Valencia, die dreijährige Dürre am Horn von Afrika oder die verheerenden Waldbrände in Kanada 2023 sind deutliche Warnsignale. Laut Prof. Friederike Otto von der Universität Oxford macht jedes eingesparte Gramm CO₂ einen Unterschied – besonders im Hinblick auf Hitzewellen.
Die Hauptverursacher von CO₂-Emissionen
- China: 33 % der globalen Emissionen
- USA: 13 %
- Indien: 7 %
- EU: 7 %
- Deutschland: 1,8 %
Betrachtet man jedoch die Pro-Kopf-Emissionen, zeigt sich ein anderes Bild: In China liegt der jährliche Ausstoß pro Person bei 8,4 Tonnen CO₂, während er in Deutschland bei 7,1 Tonnen liegt. Obwohl China hohe Emissionen verursacht, treibt das Land den Ausbau erneuerbarer Energien massiv voran. Es wird erwartet, dass der Höhepunkt der Emissionen dort bereits vor 2030 erreicht wird.
Klimagerechtigkeit: Eine doppelte Ungerechtigkeit
Der globale Norden hat den Großteil der historischen Emissionen verursacht und dadurch wirtschaftlichen Wohlstand erlangt. Der globale Süden hingegen, der wenig zur Klimakrise beigetragen hat, trägt die Hauptlast der Folgen. Während die USA historisch gesehen für 25 % der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich sind, liegt Deutschland mit 94 Milliarden Tonnen auf Platz vier.
Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen
Laut Pariser Klimaabkommen sollten Industriestaaten jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimafinanzierung bereitstellen. Bis 2035 soll diese Summe auf 300 Milliarden US-Dollar steigen. Der tatsächliche Bedarf liegt jedoch bei bis zu 2,4 Billionen US-Dollar pro Jahr, um Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen wirksam umzusetzen. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 wurden weltweit 7 Billionen US-Dollar für die Subventionierung fossiler Brennstoffe ausgegeben.
Die größten Treibhausgas-Verursacher nach Sektoren
- Strom und Heizen: bis zu 75 % der Emissionen könnten eingespart werden, wenn fossile Brennstoffe vollständig durch erneuerbare Energien ersetzt würden.
- Verkehr: Autos, Busse und Motorräder verursachen 45 % der Verkehrsemissionen, gefolgt von LKWs (29 %), Flugverkehr (11 %) und Schifffahrt (10 %).
Besonders im Flug- und Schiffsverkehr bleibt die Dekarbonisierung eine große Herausforderung. Wasserstoff und Batterien bieten hier bislang keine ausreichende Lösung.
Methan: Das unterschätzte Klimagas
Methan ist 28-mal klimaschädlicher als CO₂. Hauptverursacher sind die Landwirtschaft (v.a. Viehhaltung und Reisanbau) sowie Erdgas- und Ölförderung. Durch Maßnahmen wie effizientere Wassernutzung im Reisanbau, weniger Viehhaltung und bessere Instandhaltung von Gasinfrastrukturen könnten die Methanemissionen um 45 % innerhalb eines Jahrzehnts gesenkt werden.
Technische Lösungen: CO₂-Entfernung
Neben Emissionsreduktionen wird es notwendig sein, CO₂ aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen – durch natürliche Senken wie Wälder und Böden oder technische Verfahren wie Direct Air Capture. Derzeit sind solche Technologien jedoch teuer und ihre Kapazitäten begrenzt.
Deutschland: Klimaziele in Gefahr
Deutschland wird seine Klimaziele für 2030 voraussichtlich verfehlen. Der Energiesektor bietet das größte Potenzial zur Reduzierung von Emissionen. Bis 2030 sollen 80 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Hierfür sind neue Speichertechnologien und flexible Stromnetze essenziell.
Ein Grund zur Hoffnung?
Trotz steigender Emissionen gibt es Lichtblicke:
- Investitionen in erneuerbare Energien übersteigen die in fossile Brennstoffe.
- Mehrere Länder – darunter Deutschland, Norwegen und die USA – zeigen, dass wirtschaftliches Wachstum auch bei sinkenden Emissionen möglich ist.
- Die globale Klimaprognose hat sich von 3,5 Grad auf 2,7 Grad Erwärmung verbessert.
Fazit: Die Zeit wird knapp, aber es gibt noch Handlungsspielraum. Jedes Zehntel Grad zählt, jede Emissionsreduktion hat einen Effekt. Was wir jetzt tun, entscheidet darüber, wie lebenswert unsere Zukunft und die unserer Kinder sein wird. Die Uhr tickt – es liegt an uns, sie nicht ablaufen zu lassen.