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Wundersame Klosterneuburger Unterwelt

Klosterneuburg birgt unter seinen Straßen und Häusern ein Geheimnis, das vielen verborgen bleibt: ein ausgedehntes System von Gängen, Kellern und Gewölben, die bis in die Jungsteinzeit zurückreichen sollen. Kaum jemand ahnt, dass die Stadt buchstäblich auf einer zweiten, verborgenen Welt steht.

Ein verschüttetes Erbe

Bereits bei Umbauarbeiten im Jahr 2009 stieß man unterhalb der Pestsäule auf einen Geheimgang samt Auffangbecken – selbst für die Stadtverwaltung eine Überraschung. Viele der unterirdischen Räume liegen sechs bis acht Meter, manche sogar bis zu zwölf Meter unter dem heutigen Straßenniveau. Ein beträchtlicher Teil der Altstadt ist doppelt oder dreifach unterkellert, doch die meisten dieser Zugänge sind verschlossen oder verschüttet.

Warum aber wurden viele dieser Anlagen Ende des 16. Jahrhunderts mit dem Albrechtsbach zugeschwemmt? Ein Hinweis findet sich in einer Anweisung von 1580: Man ordnete die Befüllung des Felskellers der sogenannten 12-Apostel-Zeche an, um die Räume „vor heidnischem Unfug“ und dem „Odem des Bösen“ zu bewahren. Offenbar fürchtete die Kirche, dass die Anlagen für geheime, unchristliche Praktiken genutzt würden – in einer Zeit, in der Inquisition und Hexenverfolgung ganz Europa prägten.

Forschung und Legenden

Das Grazer Forscher-Ehepaar Heinrich und Ingrid Kusch hat den geheimnisvollen Anlagen in seinem Buch „Versiegelte Unterwelt“ ein eigenes Kapitel gewidmet. Ihre Forschungen legen nahe, dass manche Gänge mindestens 1.800 Jahre alt sind, belegt durch römische Funde und ein Bad in rund zehn Metern Tiefe.

Eine besondere Sensation ist jedoch die Datierung eines Steinringes bei einem Einstiegsschacht: Wissenschaftler der Lomonossow-Universität in Moskau datierten ihn auf über 8.500 Jahre. Sollte das stimmen, befänden wir uns tatsächlich in der Jungsteinzeit – zu einer Zeit, als es Klosterneuburg noch gar nicht gab. Am Ufer der Donau könnten damals schon künstliche unterirdische Siedlungen bestanden haben.

Ein verborgenes Gangsystem

Nach Aussagen von Kusch existieren kilometerlange Kellersysteme, deren Ausdehnung kaum fassbar ist. Skizzen aus dem Klosterarchiv deuten auf ein unterirdisches Netz mit einem Radius von mindestens zehn Kilometern rund um Klosterneuburg hin.

Die 12-Apostel-Zeche selbst ist dabei eines der bekanntesten Objekte – ein verzweigtes System, das der Überlieferung nach als Treffpunkt von Handwerkszünften, vielleicht auch von Urchristen gedient haben könnte. Manche Forscher vermuten zudem ungewöhnliche energetische Phänomene wie starke elektromagnetische Felder in den Anlagen.

Private Initiative statt öffentlicher Förderung

Während die Stadtgemeinde eher zurückhaltend reagiert und auf den offiziellen Historienpfad verweist, wird die eigentliche Erforschung bislang vor allem von Privaten getragen. Besonders hervorzuheben ist die Familie Scherer-Ottenfels, die in jahrelanger Arbeit ihren Keller am Stadtplatz freigelegt hat. Dort finden sich urgeschichtliche Funde, Spuren eines römischen Bades, eine frühchristliche Kirche, ja sogar Hinweise auf eine „Alchemistenstube“.

Die Künstlerin Elisabeth-Joe Harriet einst Ehefrau unseres Ordensbruder Michael Herbe wiederum öffnet mit ihren Führungen unter dem Titel „Unbekanntes Klosterneuburg“ den Blick für die verborgene Welt unter der Stadt. Sie weist darauf hin, dass viel von der alten Bausubstanz oberirdisch längst verloren sei – doch unterirdisch noch wahre Schätze auf ihre Entdeckung warten.

Ein Abenteuer unter der Stadt

Wer sich in die Unterwelt Klosterneuburgs wagt, taucht ein in ein Abenteuer, das Geschichte und Legende, Archäologie und Geheimnis miteinander verbindet. Hier trifft man auf Spuren der Urgeschichte, Relikte der Römerzeit, Zeichen frühchristlicher Kultstätten und mystische Überlieferungen.

Die wundersame Klosterneuburger Unterwelt bleibt ein Rätsel – und gerade darin liegt ihre Faszination. Sie zeigt uns, dass Geschichte nicht nur in Chroniken und Gebäuden lebt, sondern auch in den verborgenen Tiefen, die darauf warten, ans Licht gebracht zu werden.

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