Besser leben

Wissenschaftlich betrachtet

Übergangsweise, als Kur sozusagen, ist eine Ernährung nach Fit for Life, den Sonnenköstlern
und anderen Rohkostvertretern sicherlich unschädlich. Viele Menschen
können dadurch ihre Lebensmittelauswahl verbessern, da auf isolierte Zucker und
Produkte aus Auszugsmehl verzichtet wird, und der Schwerpunkt auf unerhitzter
Frischkost liegt.

Allerdings müssen sehr große Lebensmittelmengen verspeist werden, um die benötigten
Nährstoffe zuzuführen. Für eine tägliche Energiezufuhr von 2200 Kilokalorien
ist bei nur 70 Prozent Rohkost eine Nahrungsmenge von etwa vier Kilogramm
zu bewältigen. Bis zu drei Kilogramm unerhitztes Gemüse und Obst müssen
dabei vertilgt werden.

Zum Vergleich: In der Vollwert-Ernährung beträgt eine Hauptmahlzeit aus Frischkost
etwa 500 Gramm. Werden diese Rohkostberge tatsächlich verzehrt und auch
Milch- und Milchprodukte aufgenommen, sind Mangelversorgungen rein rechnerisch
nur bei Jod zu erwarten.

Doch ist dabei die richtige Auswahl der Lebensmittel entscheidend. Insbesondere
für die Calciumversorgung muß auf calciumreiches und oxalsäurearmes Gemüse
geachtet werden. Allerdings können gerade größere Mengen an Kohl, ein besonders
calciumreiches Gemüse, durch ihren Gehalt an Thiocyanaten zu einer Verschärfung
der Jodproblematik führen. Die Jodversorgung ist ohnehin selbst bei
günstigster Lebensmittelauswahl nur etwa zur Hälfte gedeckt.

Fraglich bleibt, ob die großen Nahrungsmengen tatsächlich verzehrt werden. Wird
zudem auf Milch- und Milchprodukte verzichtet und der Konsum von Getreide und
Getreideprodukten weitgehend eingeschränkt, wie es die konsequenten Rohköstler
fordern, sind Mangelversorgungen außerdem bei Eisen, Zink, Selen und Vitamin
B12 zu erwarten. Auch der Bedarf an Energie und Protein kann dann nicht gedeckt
werden.

Bei einer zu geringen Aufnahme von Energie wird zudem vermehrt Nahrungsprotein
zur Energiegewinnung herangezogen, das eigentlich zum Aufbau und Ersatz
von Körperprotein benötigt wird. So kann ein Proteinmangel hervorgerufen oder
verstärkt werden.

Nur wenn neben Obst und Gemüse große Mengen Nüsse geknabbert werden, die
viel Fett und damit Energie liefern, kann eine Unterversorgung vermieden werden.
Allerdings ist dies nach den Empfehlungen der Rohköstler eigentlich nicht erlaubt,
da Nüsse zu den konzentrierten Lebensmitteln zählen. Der Genuß von größeren
Mengen Obstsaft könnte ebenfalls zur Energieversorgung beitragen, ist aber aus
ernährungsphysiologischer Sicht nicht empfehlenswert, da sie aufgrund des hohen
Fruchtzuckergehaltes zu starken Blutzuckerschwankungen führen können. Durch
den hohen Verzehr an Obst und Gemüse werden gleichzeitig auch große Mengen
an Fruchtsäuren aufgenommen. Diese überwiegend in Obst enthaltenen Säuren
können mittel- oder langfristig zu einer Übersäuerung des Magens führen.

Die Empfehlung von Diamond oder Wandmaker, bevorzugt frisches Obst statt Gemüse
zu essen, erweckt darüber hinaus noch andere Bedenken. Um Abwechslung
in den Frischkostspeiseplan zu bringen, wird häufig auf exotische Obst- und Gemüsesorten
sowie auf vom jahreszeitlichen Angebot unabhängige Importware zurückgegriffen,
die unter hohem Transport- und damit Energieaufwand eingeführt
werden müssen und deshalb aus ökologischen Gründen nicht empfehlenswert sind.

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