Lehrbrief VH 45

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Gott zum Gruße

Was wäre der Mensch ohne die Tiere?

Stell Dir vor, Du gehst mit einem Freund durch eine lärmende Stadt. Autos hupen, Menschen hasten vorbei, Stimmen vermischen sich mit dem Rattern der Busse. Inmitten all dieses Chaos bleibt Dein Freund plötzlich stehen, legt Dir die Hand auf die Schulter und sagt:
„Hörst du das? Da zirpt eine Grille.“

Du horchst – und verneinst. Du hörst nur den Lärm der Stadt. Doch Dein Freund geht ein paar Schritte zur Seite, schiebt einige Blätter einer Ranke beiseite – und tatsächlich: Dort sitzt eine Grille und zirpt laut. Er hat sie gehört, wo Du nichts mehr wahrgenommen hast.

Dann zeigt er Dir, worum es wirklich geht. Er wirft eine Münze zu Boden – und plötzlich drehen sich Menschen in der Umgebung um, schauen, lauschen, bücken sich. Sie hören, was sie gewohnt sind zu hören.

So einfach – und so tief. Wir nehmen nur das wahr, worauf wir innerlich ausgerichtet sind.

Die Tiere – überhörte Lehrer des Lebens

Diese kleine Begebenheit stellt Dir eine stille Frage:
Hörst Du noch hin – auf die leise Sprache der Tiere?
Oder ist Dein Ohr nur auf das Getöse der Welt geeicht, auf Besitz, Leistung, Erfolg?

Tiere sprechen nicht mit Worten – aber sie tragen Weisheit in sich.
Und sie erinnern uns daran, was wir allzu leicht vergessen:
Dass alles Leben miteinander verbunden ist.

Die Bibel sagt es sehr klar – im Buch Hiob liest Du:
„Frage die Tiere, und sie werden dich lehren.“
„Die ganze Schöpfung spricht: Dies alles hat die Hand des Herrn gemacht.“

Die Tiere – Teil der göttlichen Ordnung

Du kannst mit geschlossenen Augen durch die Welt gehen, aber nicht an der Wahrheit vorbei:
Gottes Schöpfung ist lebendig. Sie spricht – durch das Rauschen der Blätter, durch das Gezwitscher der Vögel, durch das lautlose Vertrauen eines Tieres, das sich Dir nähert.

Und tief in Dir weißt Du es: Auch Du bist Teil dieser Ordnung.

Die Tiere wurden Dir nicht zur Ausbeutung gegeben, sondern anvertraut. Mitfühlend, achtungsvoll und dienend sollst Du mit ihnen leben – so wie mit jedem Geschöpf, das den Hauch des Lebens in sich trägt.

Der Löwe – Sinnbild der Kraft und der Entscheidung

Lassen wir den Löwen sprechen – den König der Tiere.
Er erscheint in vielen alten Legenden und Fabeln. In der Bibel steht er für Stärke, für göttliches Wirken, aber auch für Gericht und Herausforderung.

In einer afrikanischen Geschichte fragt ein junger Löwe seine Mutter, ob der Mensch gefährlich sei. Und sie antwortet:
„Lass uns fliehen, Sohn. Das ist der Mensch – das gefährlichste Tier.“

Warum? Weil der Mensch – im Gegensatz zu allen anderen Geschöpfen – vergessen hat, wer er ist.
Weil er trennt, wo Einheit ist. Weil er besitzt, wo er behüten sollte.
Und weil er seine Macht oft nicht mit Weisheit verbindet.

Luther und der Löwe – Tierfabeln als Spiegel des Menschen

Martin Luther erkannte, wie lehrreich Tiergeschichten sein können.
In einer seiner Fabeln jagt ein Löwe mit einem Esel und einem Fuchs. Als es an die Verteilung der Beute geht, fordert der Löwe – ganz König – alles für sich.
Er nimmt sich die Anteile, weil er stark ist, weil er herrscht, weil er kann.

Und Du? Mit wem würdest Du jagen?
Mit dem, der nimmt – oder mit dem, der teilt?

Der doppelte Löwe – Symbol für Überwindung

In der christlichen Bildsprache gibt es ein altes Motiv: den Doppellöwen.
Zwei Löwenkörper – ein Kopf.
Ein Sinnbild für die Vereinigung von Gegensätzen, für die Überwindung des Getrennten.

Dieser Löwe steht für Christus, der nicht durch Gewalt siegte, sondern durch Hingabe.
Er ist Löwe – aber nicht als Reißender, sondern als Schützender.
Er trägt die Kraft, aber missbraucht sie nicht.

Was lernen wir daraus?

Du darfst die Tiere nicht romantisieren – aber Du darfst ihnen lauschen.
Sie erinnern Dich an das, was im Lärm des Alltags verloren zu gehen droht:
Vertrauen, Verbindung, Stille, Respekt vor allem Leben.

Und sie stellen Dir eine einfache, aber machtvolle Frage:
„Wie gehst Du mit Deiner Macht um?“

Die Tiere – Spiegel unseres Umgangs mit der Welt

Franklin Pierce, der 14. Präsident der Vereinigten Staaten, hörte einst diese Worte eines Indianerhäuptlings:

„Was ist der Mensch ohne die Tiere?
Wären alle Tiere fort, so stürbe der Mensch an großer Einsamkeit des Geistes.
Was immer den Tieren geschieht, geschieht bald auch den Menschen.
Alle Dinge sind miteinander verbunden.“

Vielleicht spürst Du jetzt, wie wahr das ist.
Vielleicht ist es an der Zeit, neu zu lauschen – und neu zu handeln.

Mit Ehrfurcht. Mit Mitgefühl. Mit einem offenen Herzen.

Denn der Mensch ist nur ganz Mensch, wenn er das Leben in allen Wesen ehrt.

M.r.G.u.H.
Ernesto Rodriguez
Studienabteilung ASTO