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Nahrungsergänzungsmittel – Alles, was wir wissen sollten

Ab und an ein paar Vitamine und Mineralstoffe extra einschmeißen, just in case? Wer Nahrungsergänzungsmittel wirklich braucht – und welche schaden können.

Artikel Abschnitt: Wie gut sind wir mit Nährstoffen versorgt?
Wie gut sind wir mit Nährstoffen versorgt?
Pauschal lässt sich das nicht sagen – und es gibt verschiedene Studien dazu.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) bezieht sich beispielsweise auf einen Bundes-Gesundheitssurvey von 1998. Dabei testeten die Wissenschaftler:innen Blutwerte, und die Teilnehmenden füllten selbstständig oder mit ärztlicher Unterstützung Fragebögen aus. Ganz neu sind diese Daten natürlich nicht. Andererseits sind Befragungen mit medizinischen Untersuchungen von genügend Menschen (in diesem Fall über 7000) aufwendig.
Auch die Nationale Verzehrstudie II (2005/2006) hat die Essgewohnheiten und die Nährstoffaufnahme umfangreich untersucht, und zwar mit über 15.000 Teilnehmenden. Hier gab es allerdings keine medizinische Untersuchung, die Proband:innen wurden nur befragt.
Grundsätzlich sind wir gut mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt
Darin sind sich beide Studien einig. Bei Vitamin D und Folsäure erreichen allerdings weder Frauen noch Männer im Durchschnitt die Referenzwerte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Wie die Referenzwerte zustande kommen, besprechen wir in Frage 2. Die Unterversorgung mit Vitamin D bestätigte sich außerdem in einer weiteren Studie des RKI.

Der Bundesgesundheitssurvey zeigte zudem, dass ein Großteil der Untersuchten nicht ausreichend Vitamin E zu sich nimmt. Die Unterversorgung ist immerhin weniger deutlich als etwa bei Vitamin D.

Zu wenig Vitamin D, E und Folat bei Kindern und Jugendlichen
In den großen Untersuchungen sind die Teilnehmenden nach Altersklassen eingeteilt, sodass die Wissenschaftler:innen auch Aussagen über Kinder, Jugendliche und ältere Menschen treffen können. Eine weitere Studie, genannt EsKiMo II, betrachtet außerdem gezielt Kinder im Alter von sechs bis 17 Jahren. Diese Daten stammen aus dem Zeitraum 2015 bis 2017 und beinhalten Informationen aus Ernährungsinterviews und Wiegeprotokollen der verzehrten Lebensmittel.

Dabei zeigt sich ein ähnliches Bild wie beim Durchschnitt der Erwachsenen: Die Versorgung ist insgesamt ausreichend, doch Vitamin D, E und Folat nehmen die meisten Kinder und Jugendlichen zu wenig zu sich. Mit Mineralstoffen wie Jod, Kalium, Calcium und Eisen sind die Kinder ebenfalls durchschnittlich nicht gut versorgt.

In anderen Ländern viel mehr Mängel
In anderen Ländern sieht die Nährstoffversorgung teilweise ganz anders aus als bei uns. Eine Untersuchung aus den USA zeigte etwa, dass dort 95 Prozent der Befragten zu wenig Vitamin D aufnehmen. Dazu kommt eine unzureichende Versorgung mit Vitamin E (84 Prozent), und kaum die Hälfte nimmt genügend Vitamin A und C zu sich. In Deutschland ist Vitamin C beispielsweise gar kein Problem.

Tatsächlich mangelt es den Menschen in vielen Ländern der Welt an Vitamin C – besonders wenn sie ein geringes oder mittleres Einkommen haben. Allerdings gibt es gerade dort oft keine gut durchgeführten Studien zur Nährstoffversorgung, geben die Autor:innen eines aktuellen Überblicks zur globalen Vitamin-C-Versorgung zu bedenken.

Auch bei Vitamin A gibt es einen großen globalen Unterschied in der Versorgung. In Deutschland sind wir gut damit eingedeckt – doch in ärmeren Ländern leiden viele Kinder an Vitamin-A-Mangel. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt die Zahl der betroffenen Vorschulkinder auf 250 Millionen, die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) gehen von etwa 190 Millionen aus. Laut WHO erblinden jährlich 250.000 bis 500.000 Kinder infolge von Vitamin-A-Mangel, etwa die Hälfte stirbt innerhalb eines Jahres.

Echte Mangelerscheinungen sind in Deutschland eher selten. Denn auch, wenn wir nicht mit allen Vitaminen entsprechend den Empfehlungen versorgt sind, bedeutet das nicht gleich, dass wir einen Mangel haben.

Artikel Abschnitt: Wie wird festgelegt, wie viele Nährstoffe ein Mensch überhaupt braucht?
Wie wird festgelegt, wie viele Nährstoffe ein Mensch überhaupt braucht?
Jeder Mensch ist einzigartig, so viel ist klar. Es lässt sich also unmöglich anhand von Empfehlungen sagen, welche Mengen eines Nährstoffes für eine Einzelperson optimal sind. Es gibt unzählige Faktoren, von der Genetik über die Umwelt bis hin zum persönlichen Lebensstil, welche die Aufnahme, die Speicherung und ihren Verbrauch bestimmen.
Trotzdem ist es hilfreich, sich an genauen Werten orientieren zu können. Daher legt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr fest. Sie sollen so angelegt sein, dass sie “bei nahezu allen gesunden Personen der Bevölkerung die lebenswichtigen metabolischen, physischen und psychischen Funktionen sicherstellen und vor ernährungsbedingten Gesundheitsschäden schützen“.

Das bedeutet, wir sind auf der sicheren Seite, wenn wir uns an die Referenzwerte halten – solange wir gesund sind. Was es nicht heißt: dass geringere Werte sofort zu einer Erkrankung führen oder das Risiko für Krankheiten erhöhen.

Basis für Referenzwerte: Studien, die es schon gibt
“Das ‚Referat Wissenschaft‘ beobachtet ständig die Studienlage“, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der DGE. Gibt es relevante neue Studienergebnisse, wird ein Referenzwert früher überarbeitet, ansonsten überprüft das Team nach und nach immer wieder die Angaben.

Basis für die Referenz sind Studien, die es zum jeweiligen Nährstoff schon gibt. Der Wert kann also nur so gut und akkurat werden, wie es die Untersuchungen zulassen. Viele dieser Studien sind recht alt – was nicht heißt, dass sie schlecht sind. Allerdings: Früher war es ethisch etwa noch vertretbar, die Teilnehmenden für einige Zeit auf eine Diät mit geringen Mengen eines Nährstoffs zu setzen. Dann analysierten die Wissenschaftler:innen, ab wann Mangelerscheinungen eintreten oder ob NEM die Symptome und den Mangel beheben können. Heutzutage werden solche Untersuchungen nicht mehr genehmigt.

Was die Werte bedeuten:
Für die meisten Vitamine und Mineralien fand die DGE ausreichend überzeugendes Material und gibt deshalb einen Referenzwert als “empfohlene Zufuhr“ an.
In manchen Fällen gibt es aber keine oder nur fragliche Informationen über den durchschnittlichen Bedarf. Dann markiert die DGE ihren Referenzwert als “Schätzwert“:
Er liefert einen ungefähren Hinweis auf die Menge, die gesundheitlich unbedenklich ist. Ein Beispiel hierfür sind die Omega-3-Fettsäuren. Hier ist der Bedarf schwer zu bestimmen: Die Omega-3-Fettsäuren konkurrieren mit den Omega-6-Fettsäuren, ein ausgewogenes Verhältnis ist entscheidend für eine optimale Nutzung. Zudem gibt es längerkettige Formen, die wirksamer sind als die ursprünglichen Fettsäuren – wie stark, ist aber in Studien bisher nicht gut genug belegt.
Noch unsicherer ist der “Richtwert“. Darunter versteht die DGE lediglich eine Orientierungshilfe, die sich aus Erfahrungen in den Ernährungswissenschaften ableitet. Mit dem Richtwert müssen wir uns zufriedengeben, wenn es keine wissenschaftliche Basis für Schätzungen oder Empfehlungen gibt.
Oft Befragungen, wenig echte Messungen
Wollen wir es genau wissen, können wir uns eigentlich nur auf wissenschaftliche Messungen der Nährstoffe oder Biomarker im Blut oder Urin verlassen. Das ist sehr aufwendig und wird daher selten gemacht.

Häufiger gibt es Befragungen zur Ernährung. Daraus können Wissenschaftler:innen einiges ableiten, allerdings mit Einschränkungen. Etwa dass sich der Nährstoffgehalt eines Lebensmittels schon mit der Sorte unterscheiden kann. Denken wir an die unzähligen Apfelsorten, die von Natur aus verschiedene Zusammensetzungen der Nährstoffe beinhalten.

Auch die Art der Befragung bringt unterschiedliche Ergebnisse – werden die Testpersonen nach den letzten 24 Stunden oder den letzten vier Wochen gefragt? Und letztendlich: Wer wird befragt? Dass je nach Alter verschiedene Werte optimal sind, kann man sich leicht vorstellen. Aber da auch die Umwelt und die genetische Veranlagung wichtig sind, muss entweder die Stichprobe sehr breit gefächert, repräsentativ und entsprechend groß sein oder die Informationen bleiben auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt.

Wir sollten die Referenzwerte als das sehen, was sie sind:
Die Wahrscheinlichkeit für einen gesunden Menschen, optimal mit einem Nährstoff versorgt zu sein. Keine absolute Zahl, die wir unbedingt weder unter- noch überschreiten dürfen.

Am Maximum: Was Höchstwerte aussagen
Neben den Referenzwerten sind die Höchstwerte des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) wichtig für Hersteller und Verbraucher:innen. Auch hier werden die wissenschaftlichen Studien als Grundlage herangezogen. Dabei muss das BfR das Risiko einer Über- und einer Unterversorgung berücksichtigen.

Es gibt verschiedene Eckdaten, die bei der Suche nach dem Höchstwert helfen: Etwa mit welchen Mengen keine negativen Effekte beobachtet wurden und ab wann Nebenwirkungen auftreten. Das Ziel ist es, ein sicheres Höchstlevel zu finden, bei dem auch Menschen keine Probleme bekommen, die regelmäßig NEM einnehmen.

Artikel Abschnitt: Was sind Nahrungsergänzungsmittel?
Was sind Nahrungsergänzungsmittel?
Laut § 1 Abs. 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) sind Nahrungsergänzungsmittel (NEM) Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. So weit, so klar. Sie stellen ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung […] dar und werden in dosierter Form […] in den Verkehr gebracht.
Mit Nährstoffen sind hier Vitamine und Mineralstoffe gemeint, die sonstigen Stoffe schließen beispielsweise auch Aminosäuren, Fettsäuren und Ballaststoffe ein.

Die Definition beinhaltet wichtige Informationen:
Als Lebensmittel müssen NEM mit der gleichen Sorgfalt und den gleichen Standards hergestellt werden wie alle anderen Lebensmittel auch. Kritiker:innen bemängeln, dass NEM keine Zulassungen durchlaufen müssen wie Medikamente. Diese müssen zunächst in klinischen Studien beweisen, dass sie sicher und effizient sind.

Nahrungsergänzungen mit Medikamenten zu vergleichen, ist allerdings nicht unbedingt sinnvoll, zumal NEM ausdrücklich keine pharmakologische Wirkung haben dürfen. Was uns zum nächsten Problem bringt: Es gibt keine gesetzlichen Definitionen für “ernährungsspezifisch“, “physiologisch“ und “pharmakologisch“.

Nahrungsergänzungsmittel dürfen nicht in unseren natürlichen Stoffwechsel eingreifen
Grundsätzlich interagiert bei einer pharmakologischen Wirkung eine Substanz mit dem Körper – meistens mit einem Rezeptor in unseren Zellen. Sie ruft dadurch entweder eine Reaktion hervor oder blockiert die Interaktion mit einer anderen Substanz. So verändert sich etwas im Körper durch den äußeren Einfluss. Arzneimittel üben ihre Wirkung meistens auf diese Art aus. NEM hingegen greifen nicht in den natürlichen Stoffwechsel des Körpers ein, sondern sollen ihn nur bei seiner normalen Arbeit unterstützen.

Aber: So harmlos wie andere Lebensmittel sind NEM eben nicht unbedingt. So nehmen wir über die Nahrung im Allgemeinen nicht zu viele Nährstoffe auf. Dauerhaft große Mengen als NEM einzunehmen, kann aber durchaus gesundheitsschädlich sein (dazu mehr in Frage 9).

Keine gesetzliche Verpflichtung, sich an die Höchstmengen zu halten
Immerhin müssen NEM beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) angezeigt werden, bevor ein Produkt auf den Markt gebracht wird. Von dort geht die Information an die Lebensmittelüberwachungsbehörden der Länder. So sollen die Produkte überwacht werden. Die Verantwortung für die Sicherheit liegt allerdings bei den Herstellern. Diese sollten sich an die Höchstmengen halten, die das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) festlegt – gesetzlich dazu verpflichtet sind sie bisher nicht.

Viele der Stoffe überschreiten die Höchstmengen
Tatsächlich zeigte eine Untersuchung der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd im August 2020, dass über die Hälfte der verkauften NEM die Höchstmengen des BfR überschreiten. Besonders häufig kommt das bei Multivitamin- und Multimineralstoffpräparaten vor, dort sind sogar 80 Prozent der angebotenen Produkte zu hoch dosiert.

Die Wissenschaftler:innen untersuchten für ihre Studie 106 frei verkäufliche NEM verschiedener Art. Es ist also nur eine Stichprobe – doch sie zeigt, dass man schon beim Kauf eines NEM genau aufpassen sollte. Präparate, die im Internet verkauft werden, könnten sogar noch bedenklicher sein.

In anderen Ländern oft viel höhere Höchstmengen
In vielen europäischen Ländern haben die Regierungen mangels einer EU-weiten Regelung eigene Gesetze erlassen. Sie erlauben teils deutlich höhere Höchstmengen als in Deutschland empfohlen. Die Verbraucherzentrale NRW hat die Vorgaben 2019 hier zusammengefasst.

Auch wichtig zu wissen: Die Hersteller dürfen keine Versprechungen machen, dass ihre NEM in irgendeiner Weise die Gesundheit verbessern, ein Krankheitsrisiko vermindern oder allgemein besondere Eigenschaften haben – sogenannte „Health Claims“. Es gibt aber eine Liste mit zugelassenen Angaben, bei denen der gesundheitliche Nutzen in wissenschaftlichen Studien belegt ist. Solche Health Claims dürfen dann auch ihren Weg auf die Verpackungen oder in die Werbung finden.

Artikel Abschnitt: Wie gefragt sind Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland?
Wie gefragt sind Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland?
Sehr gefragt. Eine Umfrage von 2021 im Auftrag der Verbraucherzentralen zeigt, dass immer mehr Menschen regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel konsumieren. Knapp die Hälfte der Befragten hatte in den letzten sechs Monate ein oder mehrere Nahrungsergänzungsmittel gekauft. Zum Vergleich: 2016 war es nur ein gutes Drittel.
Zwischen 2013 und 2014 machte der Markt mit NEM etwa eine Milliarde Euro Umsatz. Im Jahr 2018 waren es laut dem Arbeitskreis Nahrungsergänzungsmittel (Lebensmittelverband) bereits 1,439 Milliarden Euro – umgerechnet entspricht das 225 Millionen Packungen.

Europaweit gehört Deutschland damit zu den Ländern mit den größten Märkten für NEM. Frauen nehmen häufiger Nahrungsergänzungsmittel ein als Männer (etwa 39 Prozent der Frauen, 29 Prozent der Männer) und bleiben auch eher dauerhaft dabei. Ein höheres Alter steigert ebenso die Wahrscheinlichkeit, NEM einzunehmen, wie ein geringer Body Mass Index (BMI). “Interessanterweise nehmen gerade die Menschen besonders häufig Nahrungsergänzungsmittel, die sich ohnehin bewusst und ausgewogen ernähren“, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der DGE. Das zeigen unter anderem die Ergebnisse der Nationalen Verzehrstudie II.

In den USA sind NEM noch deutlich beliebter: Hier nehmen über die Hälfte der Erwachsenen mindestens ein NEM ein. Und das sogar relativ stabil über den untersuchten Zeitraum von 1999 bis 2012.

Artikel Abschnitt: Warum ist die Studienlage bei vielen Fragen noch unklar?
Warum ist die Studienlage bei vielen Fragen noch unklar?
Zur Einschätzung, wie viel von einem Nährstoff wir benötigen, brauchen die Fachleute gute Studien. Nicht für alle Nährstoffe gibt es die entsprechenden Daten. Auch für andere Fragen sind wissenschaftliche Studien von großer Bedeutung – etwa, ob wir mit Nahrungsergänzungsmitteln bestimmten Krankheiten vorbeugen oder die Therapie von Erkrankungen unterstützen können. Woran liegt es dann, dass es noch so wenige handfeste Antworten gibt?
Ein Grund ist die Finanzierung: Viele Untersuchungen oder Co-Autor:innen werden von Pharmaunternehmen oder anderen Herstellern unterstützt, die ein Interesse an bestimmten Ergebnissen haben. Da kann noch so oft stehen, dass die Unternehmen keinen Einfluss auf die Studie hatten – ein Geschmäckle bleibt immer zurück.

Großes Problem: bezahlte Studien
Ein Negativbeispiel ist eine amerikanische Studie aus 2020. Es ging um den Zusammenhang von einer geringen Calcium- und Vitamin-D-Zufuhr mit Osteoporose (poröse, brüchige Knochen). Zwar zeigte die Untersuchung keine direkte Verbindung zwischen der Erkrankung und dem Nährstoff. Trotzdem schließen die Autor:innen, dass es ärmeren Menschen helfen könnte, Calcium und Vitamin D als NEM einzunehmen.

Die Studie wurde von Pharmavite LLC finanziert, einem Unternehmen, das Nahrungsergänzungsmittel herstellt. Nicht nur das, die Firma war sogar an der gesamten Studie (Design, Datenerhebung, Analyse, der Entscheidung zur Veröffentlichung und dem Schreiben des Manuskripts) beteiligt. Dass diese Ergebnisse mit einem kritischen Auge betrachtet werden sollten, liegt auf der Hand.

Leichtfertiger Konsum kann gefährliche Folgen haben
Umso mehr, als eine schwedische Studie aus 2013 zeigt, welche Folgen eine leichtfertige Nutzung von Calcium haben kann: Sie legt nahe, dass die Einnahme von zu hohen Calciumdosen bei Frauen das Risiko für Herzerkrankungen und sogar die Sterberate erhöhen kann. Die Daten von über 60.000 Frauen wurden dazu untersucht, im Mittelwert flossen 19 Jahre in die Studie ein. Hier gab es keine Interessenkonflikte. Zwar lagen die verwendeten Calciumdosen bei den Frauen mit erhöhtem Risiko über denen der konventionellen Calcium-NEM. Trotzdem zeigt die Studie mögliche Folgen eines leichtfertigen Konsums.

Ein weiteres Problem: die Auswahl der Teilnehmenden
Manchmal werden nur Männer untersucht, manchmal nur Frauen. Auch das Alter und die Herkunft spielen eine Rolle – es gibt viele Faktoren, welche die Aufnahme und Nutzung von Nährstoffen beeinflussen. Teilweise nehmen auch einfach zu wenige Menschen teil, um sinnvolle Aussagen treffen zu können.

Viele Studien beziehen sich zudem auf Befragungen und errechnen die Nährstoffzufuhr aus den angegebenen Nahrungsmitteln. Der Grund: Blut- und Urinanalysen sind zu aufwendig und kostspielig. Bei deutlich weniger Studien geht es darum, die Effekte von NEM direkt zu testen. Hier nehmen die Teilnehmenden für einen festgelegten Zeitrahmen regelmäßig ein NEM und werden bezüglich bestimmter Erkrankungen oder Gesundheitsmerkmale analysiert. Im besten Fall werden sie mit Menschen verglichen, die kein NEM einnehmen durften, manchmal stehen aber auch nur höhere und geringere Dosen gegenüber.

Oft werden Teilnehmende untersucht, die ohnehin gut mit Vitaminen versorgt sind
Der Goldstandard bei solchen Untersuchungen sind doppelt verblindete, randomisierte Studien: Die Behandlung wird nach einem Algorithmus zufällig ausgewählt und weder Wissenschaftler:innen noch Teilnehmende wissen, wer was einnimmt. Das soll eine unbewusste Beeinflussung vermeiden.

Doch selbst dann kann die Studie an der Auswahl der Teilnehmenden scheitern, erklärt Prof. Caroline Stokes, Forschungsgruppenleiterin “Nährstoffe und Gesundheit“ am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke und Professorin für Food and Health an der Humboldt-Universität Berlin: “Es gibt tatsächlich Studien, die gar nicht messen, wie gut die Teilnehmenden zu Beginn mit Nährstoffen versorgt sind.“ Das komme besonders bei Vitamin D vor.

Oder die Wissenschaftler:innen untersuchten Menschen, die gut mit dem Vitamin versorgt sind. “Ich denke, wir können die Wirksamkeit von NEM nur bei Menschen testen, die unterversorgt sind. Wenn wir ihnen nur etwas geben, wovon sie ohnehin genug haben, ist das etwas ganz anderes, als wenn wir einen Mangel behandeln wollen.“ Auch die Autor:innen einer internationalen Studie über die gesundheitlichen Vorteile von Vitamin-D-NEM bemängeln, dass bei fast allen Untersuchungen Menschen mit normaler Vitamin-D-Versorgung analysiert wurden.

Und: Oft lässt sich die Methodik nicht vergleichen
Im Hinblick auf die Nährstoffe gibt es ebenfalls Schwierigkeiten mit den Untersuchungen. So veröffentlichte Jens Lykkesfeldt, Professor an der University of Copenhagen (Dänemark), 2020 eine Studie mit dem Titel “Über die Auswirkungen der Vitamin C Zufuhr auf die menschliche Gesundheit: Wie man klinische Befunde (miss)interpretiert“.

Darin erklärt er, dass die komplexe Chemie und Pharmakologie von Vitamin C in Studien selten beachtet wurde – obwohl davon viel abhängt. Dies habe zu schlechten Studiendesigns, inadäquaten Kriterien für die Teilnehmenden und zur falschen Interpretation von Ergebnissen geführt.

Nicht zuletzt sind auch die Biomarker, die zum Nachweis der Nährstoffe genutzt werden, alles andere als perfekt. Teilweise verwenden unterschiedliche Labore verschiedene Marker. Diese können zudem noch beeinflusst werden: vom Alter und Geschlecht, von Infektionen und Entzündungen, selbst davon, wie viel Wasser die Testpersonen getrunken haben. Dass die Methodik sich oft stark unterscheidet, erschwert den Vergleich der Ergebnisse.

Und so ist es nicht einfach, eine optimale Versorgung zu definieren, Risiken und Chancen zu erkennen und hilfreiche Empfehlungen zur Einnahme von NEM zu machen.

Artikel Abschnitt: Eine kurze Empfehlung: Sollte man Nahrungsergänzungsmittel einnehmen?
Eine kurze Empfehlung: Sollte man Nahrungsergänzungsmittel einnehmen?
Gesunde Menschen, die sich einigermaßen ausgewogen ernähren und regelmäßig draußen aufhalten, benötigen keine NEM. Das sagen sowohl die Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) als auch das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Aber: Es gibt dennoch Menschen, für die bestimmte NEM hilfreich sein können und auch empfohlen werden:

Babys sollten etwa kurz nach der Geburt Vitamin K von der Kinderärztin oder dem Kinderarzt bekommen und in ihrem ersten Jahr und im zweiten Winter täglich Vitamin D einnehmen – dazu bekommen die Eltern geeignete Tabletten.
Auch für ältere Menschen empfehlen sich zum Teil Nahrungsergänzungsmittel, da im höheren Alter die Nährstoffe nicht mehr so effizient aufgenommen werden.
Dazu kommen Menschen mit eingeschränkter Ernährung (etwa vegane Ernährung oder strenge Diäten) oder verschiedenen Erkrankungen. Auf einige Nährstoffe gehen wir hier genauer ein. Gezielte Empfehlungen für einen bestimmten Nährstoff findet ihr auf der Seite der DGE.
Alles, was du als Vegetarier zu Vitamin B12 wissen musst, erklären wir hier.

Überdosierung und Wechselwirkungen
“Wer zu einer der Gruppen gehört, für die NEM sinnvoll sein können, oder wer einen Mangel vermutet, sollte mit seinem Hausarzt darüber sprechen“, rät Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der DGE. Nicht immer sei ein Blut- oder Urintest notwendig, doch durch ein Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt könne eine Überdosierung vermieden werden.

Denn zumindest bei manchen Nährstoffen kann eine dauerhafte Zufuhr von hohen Dosen zu Nebenwirkungen führen. Zudem können NEM sich gegenseitig beeinflussen oder mit Medikamenten wechselwirken. Solche Faktoren sollten Ärzt:innen im Auge behalten und in ihre Empfehlungen einbeziehen.

Selbst bei Leistungssportler:innen oft nicht nötig
Bei (Leistungs-)Sportler:innen könnte man erwarten, dass es sinnvoll ist, mit NEM den gestiegenen Bedarf zu decken. Das ist jedoch oft gar nicht nötig, berichtet der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). Natürlich haben Sportler:innen besondere Anforderungen an ihre Energie- und Nährstoffversorgung. Allerdings sei es dabei nötig, die richtige Kombination von Lebensmitteln zu finden und sich entsprechend zu versorgen.

Ausnahmen gibt es auch hier: Wer unmittelbar vor einem Wettkampf besonders viel trainiert und wenig Zeit für ausreichendes Essen hat, darf auch mal zu NEM greifen. Ebenso Sportler:innen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren oder bestimmte Lebensmittel nicht vertragen.

Artikel Abschnitt: Wie nehmen wir bestimmte Nährstoffe auf – und wozu brauchen wir sie?
Wie nehmen wir bestimmte Nährstoffe auf – und wozu brauchen wir sie?
Die Aufnahme und der Stoffwechsel jedes Nährstoffes ist unterschiedlich, teilweise gibt es mehrere Wege. Wir haben uns die fünf wichtigsten rausgepickt. Achtung: Es wird ein bisschen technisch, aber lasst euch nicht abschrecken.
Vitamin C
Vitamin C heißt auch Ascorbinsäure, was wiederum drei Formen beinhaltet: L-Ascorbinsäure, Semidehydro-L-Ascorbinsäure und Dehydro-L-Ascorbinsäure. Warum ist das wichtig? Diese drei Formen gehen ineinander über, indem Wasserstoff dazukommt oder abgespalten wird. Diese Reaktionen heißen „Redox“, von reduzieren (Elektronen aufnehmen) und oxidieren (Elektronen abgeben). Und erst dieser Skill verleiht Vitamin C seine Fähigkeiten.

Vitamin C wird zunächst im Dünndarm aktiv über Transporterproteine aufgenommen. Das hängt von der Konzentration ab: Je mehr wir zu uns nehmen, desto geringer ist der Anteil, der aufgenommen wird.

Da Vitamin C wasserlöslich ist, kann es im Körper nicht gut gespeichert werden. Wie gut wir mit Vitamin C versorgt sind, hängt also von der aktuellen Zufuhr ab. Der Anteil, der im Darm nicht aufgenommen wird, findet seinen Weg in den Dickdarm, wo ein Teil zu organischen (aus Kohlenstoffatomen aufgebauten) Säuren und Kohlendioxid abgebaut wird und ausgeschieden wird. Der Rest des ungenutzten Vitamin C gelangt über den Urin aus dem Körper – daher hört man auch oft, dass Vitamin-C-NEM für teuren Urin sorgen.

Durch seine Redox-Fähigkeiten hilft Vitamin C beispielsweise, freie Radikale und andere reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies im Körper einzufangen. Diese Radikale und reaktiven Moleküle sind sehr aggressiv und reagieren schnell mit ihrer Umgebung. Sie zu neutralisieren, bewahrt uns vor Schäden an Lipiden (Fetten) und möglicherweise der DNA.

Zusätzlich unterstützt Vitamin C verschiedene Enzyme und Hormone bei ihrer Arbeit und hilft uns dabei, Eisen aufzunehmen. Daher nimmt man Eisen-NEM (bei einer nachgewiesenen Unterversorgung mit Eisen) am besten mit einem Glas Orangensaft oder ähnlichen Vitamin-C-Lieferanten.

Vitamin D
Vitamin D gibt es in zwei Formen:

das pflanzliche Vitamin D2, auch Ergocalciferol genannt
das tierische Vitamin D3 oder Cholecalciferol
Es ist unter den essenziellen Nährstoffen eine große Ausnahme, denn es kann nicht allein durch die Nahrung aufgenommen werden. Stattdessen können wir es – im Gegensatz zu vielen anderen Säugetieren – in unserer Haut synthetisieren.

Dazu benötigen wir UVB-Strahlung mit einer Wellenlänge von 290 bis 315 Nanometern. In Deutschland bekommen wir diese Sonnenstrahlen nur in den Monaten von März bis Oktober, im Winter können wir also selbst dann kein Vitamin D herstellen, wenn die Sonne scheint und wir unser Gesicht lange in die Strahlen halten. Prinzipiell macht das aber nichts: Vitamin D ist fettlöslich und kann deshalb im Körper, vor allem in der Niere, gespeichert werden. Versorgen wir uns im Sommer gut mit Vitamin D, reicht uns der Speicher bis zum nächsten März.

Für die Herstellung von Vitamin D benötigen wir viele Enzyme, die wir hier nicht näher beachten müssen. Wie gut das alles klappt, hängt von verschiedenen Faktoren ab – etwa wie lange wir in der Sonne sind und wie viel Haut wir dabei zeigen. Auch die Haut selbst spielt eine Rolle: Menschen mit einer dunklen Hautfarbe stellen das Vitamin D weniger effizient her als hellhäutige. Das liegt an dem Hautfarbstoff Melanin, der zwar vor den UV-Strahlen schützt, gleichzeitig aber die Vitamin-D-Produktion behindert.

Trotzdem nehmen wir auch geringe Mengen Vitamin D über die Nahrung auf. Es gelangt – genau wie das selbst produzierte Vitamin D – über die Blutbahn zur Leber, wo es in eine Hormonvorstufe umgewandelt wird. In der Niere wird es dann zu dem Steroidhormon Calcitriol.

Und wofür benötigen wir Vitamin D? Vor allem sorgt es dafür, dass der Calciumhaushalt und der Phosphatstoffwechsel gut reguliert werden. So können Calcium und Phosphat gut aus dem Darm aufgenommen werden. Die richtige Calciumkonzentration ist beispielsweise für die Knochengesundheit wichtig. Vitamin D beeinflusst zudem das Ablesen der DNA und ihre Übersetzung in Proteine, die dann ihrerseits wichtige Funktionen ausüben können.

Vitamin A
Dieses Vitamin nehmen wir ausschließlich über die Nahrung auf. Bei tierischen Produkten ist die Leber reich an Vitamin A. Diese vorgebildete Form wird auch Retinol genannt. Aus Pflanzen hingegen bekommen wir Provitamine wie Betacarotin (besonders aus Karotten, Spinat oder Grünkohl), aus dem wir dann Vitamin A bilden können.

Vitamin A kann als Retinol-Fettsäureester bei Erwachsenen bis zu einem Jahr in der Leber gespeichert werden, sodass wir Zeiten gut überbrücken können, in denen wir zu wenig davon aufnehmen. Auch andere Gewebe können das Vitamin speichern, zum Beispiel die Lunge und das Auge – Gewebe, in denen Vitamin A eine große Rolle spielt und die möglichst gut damit versorgt sein sollten.

Vitamin A ist bei mehreren sehr wichtigen Funktionen essenziell, beispielsweise für das Immunsystem und das Wachstum. Außerdem unterstützt es die Bildung verschiedener Zellen und Gewebe. Besonders bekannt ist es für seine Rolle im Auge: Dort sitzt die leicht umgebaute Version (Retinal) an einem Protein namens Opsin. Fällt Licht auf das Retinal, verändert es seine Struktur und sorgt dafür, dass das Opsin sich verformt. Das wiederum aktiviert den Fotorezeptor, der im Auge das Licht wahrnimmt.

Magnesium
Magnesium aus der Nahrung kann durch Diffusion in den Körper gelangen: Wenn in den Körperzellen weniger Magnesium ist als im Darm, bewegt es sich ohne äußeres Zutun in die Zellen hinein. Zusätzlich gibt es aber auch Magnesiumtransporter, welche die Nährstoffe aktiv einschleusen. Beide Wege sind nicht sonderlich effektiv, nur etwa 20 bis 30 Prozent des Magnesiums schafft den Weg aus der Nahrung in die Zellen. Wie gut die Aufnahme klappt, hängt auch von der Art des Magnesiumsalzes und anderen vorhandenen Nährstoffen ab. Nehmen wir zu viel Magnesium auf, entsorgen hauptsächlich die Nieren den Überschuss.

Die Aufgaben von Magnesium sind vielfältig. Es aktiviert beispielsweise Enzyme des Energiestoffwechsels, hilft bei der Mineralisation der Knochen und ist im Gehirn von Bedeutung. Dort unterstützt es die Signalübertragung und reguliert möglicherweise auch die Stimmung. Dazu kommt eine Rolle bei der Muskelkontraktion und der Produktion von Nukleinsäuren, aus denen unter anderem unser Erbgut aufgebaut ist (DNS = Desoxyribonukleinsäure).

Omega-3-Fettsäuren
Diese Fettsäuren sind mehrfach ungesättigt. Das bedeutet, dass zwischen mehreren Kohlenstoffatomen Doppelbindungen bestehen. Besonders gute Lieferanten sind Walnuss-, Raps- und Sojaöle, fettige Fische und Gemüse wie Avocado und Spinat. Nach der Aufnahme werden Omega-3-Fettsäuren im Blut transportiert, als Teil sogenannter Lipoproteine: Aggregate aus Lipiden (Fetten) und Proteinen. In Fettgewebe können die Omega-3-Fettsäuren gespeichert werden.

Neben Omega-3-Fettsäuren sind auch Omega-6-Fettsäuren mehrfach ungesättigt. Diese beiden Fettsäuren konkurrieren um den Einbau in die Fettreserven im Körper und sollten deshalb im richtigen Verhältnis eingenommen werden – die DGE hat für die Referenzwerte ein Verhältnis von 5 Omega-6 zu 1 Omega-3 angenommen.

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren (wie Alpha-Linolensäure) sind deshalb für uns wichtig, weil sie die Eigenschaften von Zellmembranen bestimmen. Zellmembranen sind aus Fetten aufgebaut, genau genommen einer Doppelschicht von Phospholipiden (Fette mit angehängter Phosphatgruppe). Mit den chemischen Eigenschaften der Membranen haben die Fettsäuren auch einen Einfluss auf die Proteine, die in die Membranen eingebaut sind und dort viele Funktionen übernehmen.

Eine Omega-3-Fettsäure, die besonders im Gehirn und im Auge vorkommt, ist Docosahexaensäure (DHA). Diese Fettsäure hilft beim Erkennen von Lichtsignalen und ist essenziell für die Struktur und Funktion von Gehirn und Augen. Davon abgesehen übernimmt sie Aufgaben bei der Bekämpfung von Entzündungen und optimiert den zellulären Stoffwechsel.

Artikel Abschnitt: Wirken künstliche Vitamine und Mineralstoffe genauso gut wie die natürliche Variante?
Wirken künstliche Vitamine und Mineralstoffe genauso gut wie die natürliche Variante?
Wie schneiden Nahrungsergänzungsmittel im Vergleich ab: Gelangen sie auf die gleiche Weise in den Körper? Wirken sie dort ebenso wie die Nährstoffe aus Lebensmitteln? Im Prinzip schon, sagt Prof. Caroline Stokes, Forschungsgruppenleiterin “Nährstoffe und Gesundheit“ am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke und Professorin für Food and Health, Humboldt Universität zu Berlin. “Es gibt Ausnahmen, wo die synthetische Form nicht so gut aufgenommen wird wie die natürliche, aber in vielen Fällen gibt es keinen großen Unterschied.“
Caroline Stokes gibt allerdings zu bedenken: Mahlzeiten beinhalten viele Nährstoffe gleichzeitig – und auch die Kombination ist entscheidend. In manchen Fällen beeinflussen sich die Nährstoffe aus unterschiedlichen Lebensmitteln in einer Mahlzeit gegenseitig – etwa Vitamin C, das die Aufnahme von Eisen begünstigt. Oft ist es also nicht einfach damit getan, dass man ein bestimmtes NEM einnimmt und auf dessen Wirkung vertraut.

Artikel Abschnitt: Was passiert bei einem Mangel?
Was passiert bei einem Mangel?
Hier müssen wir zuerst noch einmal erwähnen, dass eine zu geringe Versorgung (gemessen an den Referenzwerten der DGE) nicht automatisch einen Mangel bedeutet. In Deutschland gibt es zwar je nach Nährstoff Menschen, die nicht gut versorgt sind. Echte Vitaminmangelerkrankungen kommen bei uns allerdings nur selten vor. Das DGE definiert verschiedene Stadien:
1. Zunächst gibt es eine marginale Bedarfsdeckung, bei der die Körperreserven abgebaut werden.

2. Darauf folgt der subklinische Mangel: Weniger Vitamine werden durch den Urin abgegeben und es kommt zu unspezifischen Mangelsymptomen, die verschwinden und keine bleibenden Schäden hinterlassen, sobald die Versorgung wieder ausreicht.

3. Zuletzt kommt der manifeste Vitaminmangel, bei dem klinisch relevante, messbare Störungen oder charakteristische Mangelsymptome auftreten. Hält dieser starke Mangel an, können die Symptome nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Einen echten Mangel kann es etwa bei Personen geben, die dauerhaft zu wenig Nährstoffe zu sich nehmen, beispielsweise durch eine Essstörung oder einseitige Ernährung. Auch chronischer Durchfall behindert die Aufnahme der Nährstoffe. Manche Menschen haben zudem durch Erkrankungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten einen höheren Bedarf.

Vitamin C
Die typische Mangelerkrankung bei Vitamin C ist Skorbut. Dabei kommt es zu Blutungen in der Haut und am Zahnfleisch, wodurch die Zähne ausfallen können. Außerdem verspüren die Betroffenen Müdigkeit und Muskelschmerzen. Zwar kommt Skorbut mittlerweile sehr selten vor, in Entwicklungsländern tritt er dennoch manchmal auf. Bei Kindern kann ein echter Vitamin-C-Mangel auch dafür sorgen, dass sich das Gehirn nicht richtig entwickelt.
Hier weisen wir noch mal darauf hin, dass die meisten Menschen in Deutschland deutlich mehr Vitamin C aufnehmen als von der DGE empfohlen.

Vitamin D
Wenn das Gleichgewicht von Calcium und der Phosphatstoffwechsel durch einen Mangel an Vitamin D gestört sind, kann das bei Kleinkindern zu Rachitis führen: Die Knochen sind nicht mit den richtigen Mineralien versorgt, werden weich und verformen sich, auch die Muskeln sind schwach.
Bei Erwachsenen werden ebenfalls die Knochen weicher, die Erkrankung wird dann Osteomalazie genannt. Durch die Belastung schmerzen besonders die Gelenke, aber auch andere Stellen im Skelett. Dazu kommen schwache Muskeln und Erschöpfung. Je weiter die Krankheit voranschreitet, desto mehr verbiegen sich die Knochen und können schneller brechen.

Auch mit einer Vitamin-D-Unterversorgung (ohne echten Mangel) kann es im Alter eher zu Osteoporose (brüchigen Knochen) kommen. Außerdem legen Studien eine Verbindung von geringen Vitamin-D-Leveln mit Immunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes, Multiple Sklerose, rheumatische Arthritis und Atemwegserkrankungen nahe.

Vitamin A
In Entwicklungsländern lässt Vitamin-A-Mangel viele Kinder erblinden. Zuerst ist die Sicht in der Nacht betroffen (Nachtblindheit). Dazu können sich auch die Gewebezellen (Epithel) in den Schleimhäuten der Atemwege verändern.
Erkennen kann man einen Vitamin-A-Mangel zuerst an gelblich-verhornten Flecken auf der Augenbindehaut, die gemeinsam mit den Tränendrüsen austrocknet. Dann kommen Geschwüre auf der Hornhaut dazu, zuletzt erblinden die Betroffenen ganz.

In den Entwicklungsländern macht ein Vitamin-A-Mangel außerdem Infektionskrankheiten gefährlicher, etwa Durchfall oder die Masern. Das geschwächte Immunsystem kann sich nicht mehr richtig verteidigen, sodass vor allem Kinder und Schwangere schneller sterben. In westlichen Industrieländern kommt ein so ausgeprägter Vitamin-A-Mangel kaum vor.

Magnesium
Bei einem schweren Magnesiummangel funktioniert die Herz- und Skelettmuskulatur nicht mehr richtig. Dabei kommt es teils zu Muskelschwäche oder zu Krämpfen.
Zu einem so deutlichen Magnesiummangel kommt es unter Umständen bei Personen mit Magen-Darm-Erkrankungen, besonders wenn diese lange anhalten und die Aufnahme von Nährstoffen behindern. Auch wer über einen langen Zeitraum (ständig) Alkohol trinkt oder bestimmte Arzneimittel einnimmt (etwa Diuretika, durch die verstärkt Wasser und Elektrolyte im Harn ausgeschieden werden), kommt möglicherweise nicht an die empfohlenen Werte zur Magnesiumzufuhr.

Omega-3-Fettsäuren
Es gibt ein paar Anzeichen von einem Mangel an Omega-3-Fettsäuren (zum Beispiel Alpha-Linolensäure): Sehstörungen, Muskelschwäche, Zittern, Störungen der Oberflächen- und Tiefensensibilität, also der Wahrnehmung äußerer Reize auf der Haut und innerer Reize aus dem Körper.
Das kommt allerdings so gut wie nie vor, da wir in unserem Fettgewebe genug Reserven lagern und die Fettsäuren ausreichend in der Nahrung vorkommen. Sehr seltene Ausnahmen gibt es, wenn jemand fettfrei künstlich ernährt wird oder eine chronische Störung der Fettaufnahme hat. Auch in der Zeit um die Geburt kann es bei Babys zu einem Mangel an bestimmten Omega-3-Fettsäuren kommen (dazu mehr in Frage 11). Das kann zu Lern- und Gedächtnisproblemen führen und das räumliche Denken und die Sehgenauigkeit vermindern.

Bei einer Unterversorgung mit Omega-3-Fettsäuren könnte es auch zu affektiven Störungen (psychische Erkrankungen, welche die Stimmung beeinflussen) kommen, legt eine Studie aus 2017 nahe.

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Können zu große Mengen schaden?
Sagen wir mal so: Solange wir uns ausgewogen ernähren, brauchen wir uns weder über einen Mangel noch über Schäden durch ein „Zu viel“ Gedanken machen – mit Ausnahme von Vitamin D.
Nehmen wir allerdings Nahrungsergänzungsmittel ein, kann das in manchen Fällen toxisch, also giftig, werden. Beispielsweise kann die zusätzliche Einnahme von Beta-Carotin bei Rauchern die Entstehung von Lungenkrebs begünstigen. Die Verbraucherzentralen fordern deshalb verbindliche Höchstmengen der Inhaltsstoffe und versuchen, auf ihrem Portal “Klartext Nahrungsergänzungsmittel” über konkrete Risiken aufzuklären.

Bei einigen Nährstoffen ist die Spanne zwischen der empfohlenen Zufuhr und der empfohlenen Höchstmenge recht klein. Gerade in solchen Fällen sollten wir darauf achten, es mit den NEM nicht zu übertreiben.

Eine toxische Überdosierung kann es laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) bei Vitamin A, D und E geben. Vitamin C hingegen ist relativ unbedenklich, zumal der Überschuss einfach im Urin aus dem Körper gespült wird. Auch bei Omega-3-Fettsäuren sind keine toxischen Folgen der NEM-Einnahme bekannt – sie ist nur mit großer Wahrscheinlichkeit unnötig, solange wir uns ausgewogen ernähren.

Vitamin A
Akute Vitamin-A-Vergiftung kann Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen hervorrufen. Hält der Zustand länger an, beginnen die Haare auszufallen, auch Haut und Nägel verändern sich. Normalerweise verschwinden diese Symptome, wenn die Dosis angepasst wird.
Zu viel Vitamin A im Mutterleib kann beim Ungeborenen zu Missbildungen führen – Geburtsfehler lassen sich auch später nicht mehr durch eine geringere Vitamin-A-Versorgung reparieren.

Vitamin D
Zu viel Vitamin D können Menschen mit einem gesunden Stoffwechsel nicht allein durch die eigene Herstellung in der Haut erreichen. Wir brauchen uns also bei einem längeren Sonnenbad keine Sorgen machen – zumindest nicht über unseren Vitamin-D-Status.

Nehmen wir regelmäßig mehr als 100 Mikrogramm Vitamin D auf, kann das allerdings zu Problemen führen. Zunächst scheiden wir mehr Calcium im Urin aus, da es nicht mehr so gut in der Niere aufgenommen werden kann. Wenn die Niere nicht mehr mit dem Calcium aus der Nahrung klarkommt, steigt die Calciumkonzentration im Blutserum. Gleichzeitig scheidet die Niere weniger Phosphat aus.
Dafür stimuliert das Vitamin D einen Rezeptor im Darm, sodass dort mehr Calcium und Phosphat absorbiert wird. Die Serumkonzentrationen beider Stoffe steigen, ein Überschuss wird in weichem Gewebe eingelagert: Die Niere, Lunge, das Herz und die Blutgefäße verkalken, bekannt als „Hypercalcämie-Syndrom“. Der Blutdruck steigt an. Anfangs leiden die Betroffenen unter Übelkeit, Erbrechen, Durst und anderen leichten Symptomen. Später können Nierensteine entstehen und die Nieren versagen.

Andere, weniger spezifische Symptome sind beispielsweise Verstopfung, Depression, Verwirrung und Herzrhythmusstörungen.

Vitamin E
Als fettlösliches Vitamin kann sich Vitamin E in Organen ablagern. Zu viel davon führt unter Umständen zu Müdigkeit, schwächt das Immunsystem und stört die Verdauung. Allerdings kommt das nicht so oft vor, da es kein vorrangiges Organ für die Speicherung von Vitamin E gibt und es sich also breit im Körper verteilt.

Magnesium
Bei gesunden Menschen verursacht eine zu hohe Magnesiumdosis höchstens Durchfall. Ist allerdings die Niere geschwächt (Niereninsuffizienz) oder wird das Magnesium direkt in die Blutbahn gespritzt, kann es zu Muskellähmungen kommen, die sogar zum Tod führen können.

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Wann sind NEM sinnvoll?
Klar ist: “Eine gute Versorgung mit Nährstoffen kann dazu beitragen, vielen Erkrankungen vorzubeugen“, sagt Prof. Caroline Stokes vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke und Professorin für Food and Health, Humboldt Universität zu Berlin. Gerade Erkrankungen wie Diabetes, Herzerkrankungen oder gar Krebs können von der Ernährung beeinflusst werden. “Allerdings braucht man dafür eine gesunde Balance der Lebensmittel“, so Stokes.
“Zwar ist es für viele Menschen einfacher, täglich eine Multivitamintablette zu nehmen und sich dann nicht zu sehr um die Ernährung zu kümmern.“ Aber genau das sei ein Problem mit Nahrungsergänzungsmitteln – sie geben uns das Gefühl, eine gesunde Ernährung zu ersetzen. Genau das tun sie jedoch nicht. Nährstoffe in Nahrungsmitteln interagieren schon während der Aufnahme mit anderen Inhaltsstoffen, zudem liefern Lebensmittel noch andere Stoffe, die wir nicht als NEM bekommen.

Aber: Vollkommen nutzlos sind sie nicht
In der Schwangerschaft etwa sind Nahrungsergänzungsmittel sehr wichtig. Es gibt immer Ausnahmen, das gibt auch Caroline Stokes zu bedenken. Für sie gilt aber: Wer NEM einnimmt, sollte das verantwortungsbewusst tun, am besten mit ärztlichem Rat oder in Absprache mit Ernährungsberater:innen.

Manche Studien schlagen dennoch NEM zur Prävention von Erkrankungen vor – einige sind methodisch bessere, andere schlechter. Systematische Reviews und Metaanalysen (Aufarbeitungen mehrerer zuvor veröffentlichter Studien) versuchen, Ordnung in den NEM-Dschungel zu bringen.

So auch eine Analyse des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke: Sie fanden zwar Vorteile von Vitamin E und Folsäure zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Vitamin A scheint jedoch das Risiko einer Krebserkrankung sogar zu erhöhen, während Vitamin D und C sowie Magnesium und andere NEM keine Auswirkungen auf das Sterberisiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs zeigten. Die Autor:innen schließen, dass NEM für diese Erkrankungen und das daraus resultierende Sterberisiko keine Hilfe sind.

Selbst mit Übersichtsstudien ist es unmöglich, eine allgemeine Empfehlung zu geben, ob eine bestimmte Person NEM zu sich nehmen sollte. Alle Einschätzungen beziehen sich auf den Durchschnitt und auf Risikobewertungen. Jeder Mensch muss aber seinen persönlichen Bedarf und Metabolismus in Betracht ziehen.

Sicher ist: Wer bereits gut mit Nährstoffen versorgt ist, gewinnt nichts, indem sie oder er zusätzlich NEM einnimmt. “Im besten Fall ist es unnötig und Geldverschwendung“, sagt Caroline Stokes. “Im schlimmsten Fall ist es sogar schädlich. Mehr ist nicht immer besser, auf die richtige Balance kommt es an.“

In manchen Fällen sind NEM dennoch hilfreich und sogar empfohlen:

Vitamin C
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung geht davon aus, dass NEM für Vitamin C tatsächlich nicht notwendig sind, da es sogar in vielen verarbeiteten Lebensmitteln enthalten ist und wir alle ausreichend Vitamin C zu uns nehmen.

Vitamin D
Grundsätzlich sollte es reichen, in den Sommermonaten täglich 5 bis 25 Minuten mit unbedecktem Gesicht, Händen und teils unbedeckten Armen und Beinen in die Mittagssonne (zwischen 12 und 15 Uhr) zu gehen. Es gibt aber Umstände, die das nicht erlauben oder bei denen es nicht ausreicht:

Säuglinge im ersten Lebensjahr und im Winter des zweiten Jahres sollten Vitamin-D-Tabletten bekommen – es gibt sie kostenlos in der Kinderarztpraxis.
Menschen, die sich arbeits-, präferenz- oder gesundheitsbedingt nicht oder zu wenig in der Sonne aufhalten, benötigen möglicherweise NEM, um ihre Speicher zu füllen.
Menschen mit dunkler Hautfarbe produzieren deutlich weniger Vitamin D als Menschen mit heller Hautfarbe, auch bei ihnen können NEM hilfreich sein (siehe auch Frage 7).
Mit steigendem Alter stellen wir weniger Vitamin D her. Gerade ab 65 Jahren kann ein Vitamin-D-NEM helfen, besonders wenn die Mobilität durch Krankheit eingeschränkt ist und die Personen nicht mehr so oft nach draußen gehen können.
Vitamin A
In westlichen Industrieländern ist die Zufuhr von Vitamin A grundsätzlich ausreichend. Im Mittel nehmen wir in Deutschland deutlich mehr auf, als wir für die Versorgung benötigen. In Entwicklungsländern empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) allerdings Vitamin-A-NEM für Kinder zwischen sechs und 59 Monaten, um einen Mangel zu verhindern, der dort häufiger vorkommt.

Magnesium
Eine zusätzliche Zufuhr durch NEM ist für die meisten Menschen nicht notwendig: Es kommt kaum zu Mangelerscheinungen und im Durchschnitt nehmen sowohl Männer als auch Frauen die empfohlene Menge über die Nahrung auf. Wer häufig Alkohol trinkt oder chronische Magen-Darm-Beschwerden hat, kann mit seinem Arzt oder seiner Ärztin über zusätzliches Magnesium sprechen. Möglicherweise hilft ein NEM auch dann nicht, weil es wie das Magnesium aus Nahrungsmitteln nicht gut aufgenommen werden kann.

Omega-3-Fettsäuren
Wer Omega-3-Fettsäure-NEM einnehmen möchte, sollte bedenken, dass das Verhältnis zu Omega-6-Fettsäuren wichtig ist. Stimmt die Balance nicht mehr, kann das die Zusammensetzung der Fettsäuren in wachsenden Geweben verschlechtern.

Schwangere Frauen (oder die, die es bald werden möchten) sollten vor allem mehr Docosahexaensäure (eine Omega-3-Fettsäure, die besonders im Gehirn und im Auge benötigt wird) aufnehmen. Doch auch das ist über die Nahrung möglich, etwa durch ein bis zwei Mahlzeiten mit fettem Seefisch pro Woche.

Zusammenfassend können wir festhalten: Nahrungsergänzungsmittel sind eher in Ausnahmefällen sinnvoll. Dann sollten sie möglichst mit einer fachkundigen Person besprochen werden. Auch um Wechselwirkungen mit Medikamenten oder zu hohe Dosierung und einseitige Ernährung zu vermeiden.

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