60 Jahre „Nostra Aetate“
Kurz, umstritten, wegweisend
Wenn wir als Templer auf die Geschichte der Kirche blicken, so erstaunt uns bisweilen, wie klein und zugleich wie bedeutsam ein Dokument sein kann. „Nostra Aetate“, vor 60 Jahren geboren, ist das kürzeste Schriftstück des Zweiten Vatikanischen Konzils – und doch zählt es zu den folgenreichsten.
Ein schwerer Anfang
Ursprünglich als Erklärung gegen den Antisemitismus gedacht, verschwand der Text zunächst unter politischem Druck. Erst mit Beharrlichkeit – und einigen kunstvollen Schachzügen des Kardinals Bea – fand er seinen Weg zurück in die Beratungen. Dass er überhaupt verabschiedet wurde, war alles andere als selbstverständlich. Doch am Ende stand eine fast einstimmige Annahme: 2.221 Ja-Stimmen gegen nur 88 Nein.
Inhalt und Wagemut
Der Text ist kurz, aber revolutionär. Er wagt den Blick auf das, „was den Menschen gemeinsam ist und sie zur Gemeinschaft führt“. Er bekennt:
„Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist.“
Zum ersten Mal spricht ein Konzil so über Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus – und ruft zu Brüderlichkeit und Respekt auf. Besonders ausführlich und theologisch tiefgehend ist der Abschnitt über das Judentum, in dem die Kirche eine jahrhundertelange Last der Missverständnisse ablegt.
Ein neuer Weg
Heute mag man einwenden, dass das Judentum damals nur in einer „Erklärung“ und nicht in einer höheren „Konstitution“ behandelt wurde. Doch gerade in seiner Kürze liegt die Kraft des Textes: Er öffnete Türen, die über Jahrhunderte verschlossen waren.
„Nostra Aetate“ ist nicht perfekt, doch es war ein Wendepunkt. Es markiert den Schritt von Abgrenzung zu Begegnung – und zeigt, dass die Kirche imstande ist, inmitten von Kritik und Widerstand den Ruf Gottes nach Versöhnung zu hören.
Fazit aus templarischer Sicht
Wir Templer wissen: Wahrheit ist nie im Besitz eines einzelnen Volkes oder Ordens. Sie leuchtet als Strahl durch alle Religionen, und nur in der Begegnung erkennen wir ihr volles Licht. „Nostra Aetate“ erinnert uns daran, dass der Kampf des Glaubens nicht gegen Menschen gerichtet ist, sondern gegen die Dunkelheit im eigenen Herzen.
Darum feiern wir – trotz aller damaligen Kontroversen – dieses „ultra-kurze“ Dokument als einen Sieg der Brüderlichkeit über den Geist der Trennung.
