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Darum ist der Medikamentenmangel so schwer zu lösen

Der Weg zum fertigen Medikament führt einmal um die ganze Welt
Die Herstellung von Arzneimitteln ist komplex. Schon längst stellen Unternehmen ihre Medikamente nicht mehr von den Ausgangsstoffen bis zum fertigen Fiebersaft an einem Ort her. Heute ist der Weg bis zum Fertigarzneimittel, das du in der Apotheke kaufen kannst, viel länger. Oft geht es dabei sogar einmal um die ganze Welt.
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Auf dem Weg zum fertigen Medikament werden zuerst die Wirkstoffe produziert, dann je nach Darreichungsform Hilfsstoffe wie Bindemittel, Emulgatoren, Füll- oder Farbstoffe etc. hinzugefügt und in die gewünschte Form gebracht. Schließlich muss die fertige Tablette noch verpackt und unter Umständen eingelagert werden, bis ein Pharmagroßhändler das Medikament an ein Krankenhaus oder eine Apotheke ausliefert.
In vielen Fällen findet jeder dieser Schritte an einem anderen Ort statt. Selbst die „Hersteller“ wissen oft nicht, welche Reise ihr Produkt hinter sich hat. Die Lieferketten von Arzneimitteln sind also lang und in der Regel wenig transparent.

Bis weit ins 20. Jahrhundert war Deutschland noch die „Apotheke der Welt“
Die Zeiten, in denen Deutschland noch die „Apotheke der Welt“ war, sind längst vorbei. Auch große deutsche Pharmaunternehmen wie Bayer oder Merck importieren wichtige Bestandteile ihrer Arzneimittel. Das betrifft vor allem die Wirkstoffe.

Vereinfachte Lieferkette einer Tablette: Chemische Grundstoffe werden gesammelt, und zur Wirk- und Hilfsstoffproduktion weitergeliefert. Von Dort geht es weiter zur Verpackungs-Produktion, hin zur Produktion des Fertig-Arzneimittels. Erst dann kommt die Tablette nach Deutschland.
Denn anders als vielleicht erwartet, stellt man pharmakologische Wirkstoffe wie etwa Ibuprofen nicht in einer einzigen chemischen Reaktion her. Dahinter steckt vielmehr eine aufwendige Synthese mit einigen Zwischenstufen. Und selbst diese Zwischenprodukte entstehen oft nicht an einem Ort.

Warum? Zum einen sind die Kosten für Löhne und Umweltauflagen in Ländern wie China oder Indien geringer. Zum anderen spielen Mengenskalierungseffekte eine große Rolle bei weiteren Kosteneinsparungen. In der Massenproduktion ist es oft günstiger, nur einen Schritt in der Wirkstoffsynthese zu machen und das Vorprodukt an die nächste Pharmafirma weiterzugeben als die gesamte Synthese zu übernehmen. Vor allem die Schritte zu Beginn der Arzneimittelherstellung, also die Produktion der Wirkstoffe, finden hauptsächlich in Asien (China und Indien) statt.

Je weiter das Medikament in der Fertigung ist, desto näher sind uns auch Zulieferer oder Hersteller. Die Verpackung kommt dann schließlich zu 75 Prozent aus der EU (hauptsächlich Polen, Italien und Schweden) und nur noch zu 4 Prozent aus China.

Darum müssen wir darüber reden:
Lieferengpässe sind nicht nur eine Folge der Preispolitik
Die Wertschöpfungsketten für pharmazeutische Produkte haben sich in den vergangenen Jahrzehnten strukturell geändert. Outsourcing und Offshoring, Just-in-time-Produktion und geringe Lagerbestände haben dazu geführt, dass viele Medikamente immer günstiger geworden sind.
Wenn wir zu oft Antibiotika nehmen, fördert das die Bildung von resistenten Bakterien. Was bedeutet das für dich und können wir dagegen etwas tun?

Das gilt insbesondere für die sogenannten Generika, also Medikamente bei denen der Patentschutz ausgelaufen ist. Die machen rund 80 Prozent des täglichen Arzneimittelbedarfs in Deutschland aus. Generika verkaufen sich als sogenannte Nachahmerprodukte zu viel günstigeren Preisen als die Originalprodukte. Oft handeln Krankenkassen für diese Medikamente Rabattverträge aus, die Hersteller dazu zwingen, möglichst billig zu produzieren.

Lieferengpässe bei Medikamenten sind ein globales Problem
Warum das über kurz oder lang zu Problemen führt, liegt eigentlich auf der Hand: Wenn es weltweit vergleichsweise wenige Hersteller gibt, die sehr spezialisiert produzieren, und auch die Produktion selbst knapp auf Kante genäht ist, ist die Stabilität der Lieferketten in Gefahr.

Denn durch Zwischenfälle wie ein Erdbeben oder ein Brand in einer Fabrik kann es schnell zu Störungen in der Lieferkette von Medikamenten kommen, die man dann überall auf der Welt in recht kurzer Zeit bemerkt. Von Arzneimittel-Lieferengpässen, die wir in den letzten Jahren in Deutschland bemerkt haben, waren auch andere Länder betroffen – das ist ein weltweites Problem. (Quarks)

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