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Das können Diäten – und das nicht

Was sind Diätshakes?
Diätshakes, oder korrekt Formula-Diäten, stehen als Pulver, Shake oder Fertigdrink im Regal von Drogerien oder Apotheken. Die Anbieter werben damit, dass die Produkte dabei helfen, kurzfristig sehr viel Gewicht zu verlieren. Aber klappt das wirklich? Kann man sie sicher auf eigene Faust verwenden? Und hat man dann nicht sofort nach dem Absetzen wieder alle verlorenen Kilos zurück und vielleicht sogar noch ein paar mehr?
Shakes statt Mahlzeit
Das Prinzip von Diätshakes ist in der Regel Folgendes: Wenn du abnehmen möchtest, ersetzt du eine oder mehrere Mahlzeiten komplett durch einen fertigen oder angerührten Shake. Die Produkte enthalten alle lebenswichtigen Nährstoffe. So bekommst du genug und ausgewogene Mengen an Proteinen, Kohlenhydraten, Fetten, Vitaminen und Mineralstoffen, wenn du dich an die empfohlene Dosierung hältst. Das verhindert Mangelerscheinungen, auch wenn du für eine Weile nur das Diätprodukt zu dir nimmst. Die offizielle deutsche Diätverordnung legt fest, welche Nährstoffe und welchen Energiegehalt Diätshakes enthalten müssen: Pro Tagesration muss ein Produkt mindestens 800 Kilokalorien und höchstens 1200 Kilokalorien beinhalten, pro Mahlzeit mindestens 200 Kilokalorien und höchstens 400 Kilokalorien.

Um Diätshakes herum gibt es verschiedene Konzepte und Programme. Manche sind sehr radikal und erlauben in den ersten – bis zu zwölf – Wochen nur die Shakes als Nahrung. Diese Programme werden sehr eng durch Ärzt:innen begleitet. Ernährst du dich außerhalb eines solchen Programms ausschließlich mit Diätshakes, solltest du das nicht länger als drei Wochen am Stück tun. Expert:innen empfehlen aber ausdrücklich, nicht auf eigene Faust eine solche Diät zu machen, sondern immer begleitet von Ärzt:innen und Berater:innen. In dieser Phase verlieren viele Menschen schnell Gewicht, wenn sie sich an die Anleitungen halten. Je nach Anbieter musst du mit einem Preis von 1,25 € bis 2,50 Euro pro Shake-Mahlzeit rechnen.

Mahlzeiten und Shakes kombinieren
Nach dieser ersten Abnehmphase kommt die Haltephase: Hier ersetzt du nach und nach eine Diätshake-Mahlzeit wieder durch eine „normale“, im Idealfall aber gesunde und energiearme. Viele Hersteller oder Diätsysteme kombinieren die Shakes von Anfang an mit „normalen“ kleinen Mahlzeiten. Gleichzeitig empfehlen sie natürlich Bewegung.

Nicht übertreiben
Die Diäten mit Shakes sind eher für kurze Zeiträume gedacht: Länger als zwölf Wochen am Stück solltest du so ein Produkt nicht anwenden. In dieser Zeit soll aber laut Herstellern eine Menge möglich sein: Manche versprechen einen Gewichtsverlust von acht bis zwölf Kilogramm pro Monat.

Für wen sind Diätshakes geeignet?
Physisch gibt es wenige Einwände gegen Diätshakes: Wenn du gesund bist, kannst du die Produkte verwenden. Das ist aber direkt ein wichtiger Knackpunkt: Nicht immer wissen wir, dass mit uns etwas nicht stimmt, das eine solche Diät eventuell gefährlich machen kann. Daher empfiehlt Dr. Matthias Riedl, Internist, Diabetologe und Ernährungsmediziner, einen Check beim Arzt, bevor man eine Diät mit Shakes beginnt: „Menschen mit Niereninsuffizienz – und das sind schon mal ungefähr 10 Prozent der Bevölkerung – sollten zum Beispiel keine Formula-Diät machen. Auch bei Gicht und Nierensteinen sollte man sich begleiten lassen, weil die Diät zu Krankheitsverschlechterungen führen kann.“ Weitere Ausschlusskriterien sind unter anderem: Tumorerkrankungen, eine Schwangerschaft und Stillen. „Das sind ein paar Kontraindikationen, aber da solche Formula-Diäten eigentlich immer mit einem erfahrenen Ernährungsmediziner abgesprochen werden sollten, würde das auch immer auffallen“, so Riedl.
In erster Linie für adipöse Menschen
Aus ärztlicher Sicht ist eine Diät mit Abnehmshakes in den meisten Fällen erst ab einem Body Mass Index (BMI) von 30 wirklich sinnvoll. Dieser berechnet sich als Verhältnis des Körpergewichts in Kilogramm und der Körpergröße in Metern zum Quadrat.

Wie aussagekräftig der BMI ist, erklären wir hier.
Ab einem BMI von 30 gilt man als adipös und schwere Folgeerkrankungen wie das metabolische Syndrom drohen. Das metabolische Syndrom oder tödliches Quartett besteht aus den folgenden Faktoren: zu viel Bauchfett, hoher Blutzucker beziehungsweise hohe Insulinresistenz, hoher Blutfettwert und Bluthochdruck. Jeder dieser Faktoren erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass man Folgeerkrankungen wie Diabetes, Gicht, Bluthochdruck, Arthrose, Arteriosklerose und in der Folge Schlaganfälle und Herzprobleme bekommt. Ein weiteres Problem: Oft entsteht aus dem starken Übergewicht heraus Diabetes Typ 2. Gewicht zu verlieren ist für adipöse Menschen also ein wichtiges Ziel, um ihre Gesundheit zu verbessern.

Warum Menschen übergewichtig werden, erklären wir hier.
Als Vorbereitung für eine Operation
Auch wenn es nicht mehr zwingend notwendig ist: Vor Eingriffen wie zum Beispiel einer Magenoperation verringert man sein Risiko für Komplikationen, wenn man es schafft, ein paar Kilos zu verlieren. Die Narkose ist dann weniger gefährlich, und es treten auch seltener Entzündungen auf. Auch vor anderen Operationen, die nichts mit dem Abnehmen an sich zu tun haben, kann es wichtig sein, Gewicht zu verlieren. Und dann spielt Schnelligkeit eine große Rolle, so Mediziner Riedl: „Es gibt Menschen, die operiert werden müssen, aber der Operateur sagt: Bei dem Gewicht gehe ich gar nicht ran. Da ist das Risiko zu groß. Dann ist Eile geboten.“ Er nennt das Beispiel eines selbstständigen Tischlers mit Übergewicht und starken Rückenproblemen. Bei diesem hing seine Existenz davon ab, dass das Rückenleiden schnell operiert werden konnte. Eine Formula-Diät hat dafür die Grundlage geschaffen.

Wenn Diabetes droht
Übergewicht kann dazu führen, dass Diabetes Typ 2 entsteht. Schon wenige Kilogramm weniger auf der Waage können dabei helfen, die Erkrankung aufzuhalten. Für Matthias Riedl ist der Gewichtsverlust der entscheidende Faktor bei der Bekämpfung von Diabetes: „Die Diabetologen legen immer noch viel zu wenig Wert auf eine Ernährungstherapie. Dann geht die medikamentöse Eskalation los, am Ende kriegen sie dann Insulin.“ Für ein solches „Einfangen“ eines beginnenden Diabetes können begleitete Diäten mit Shakes ein wichtiges Tool sein.

Ein paar Schritte Richtung Normalgewicht haben weitere Vorteile: In einer Studie haben Forscher:innen nachgewiesen, dass Übergewichtige, die Gewicht verloren, auch ihr biologisches Alter reduzieren konnten.

Helfen Diätshakes wirklich beim Abnehmen?
Grundsätzlich sind Diätshakes eine Methode unter mehreren. Ihr großer Vorteil: Sie können dabei helfen, den Körper schnell in ein neues Fahrwasser zu bekommen und alte Gewohnheiten abzulegen. Und mögliche Hindernisse wie aufwendiges Kalorienzählen, Rezepte wälzen und Kochen spielen keine Rolle. Man nimmt einen Drink zu sich und fertig. Das setzt die Hemmschwelle herab, denn es ist einfach. Auch Sport fällt leichter, je mehr Kilos anfänglich gepurzelt sind. Internist Matthias Riedl sieht Diätshakes durchaus als nützliche Methode an: „Formula-Diät hat den Vorteil, dass ich initial eine schöne Gewichtsreduktion erzielen kann. Das motiviert die Leute weiterzumachen und ich habe dann Zeit, in der Zwischenzeit die Ernährung zu optimieren.“ Aber diese Optimierung sei essentiell, schränkt er ein: „Wenn ich Formula-Diät ohne Ernährungsoptimierung einsetze, dann ist es nichts weiter als eine unsinnige Diät – und Diät ist Quatsch.“
Wie sieht die Datenlage dazu aus?
Studien sprechen für die Methode
In wissenschaftlichen Studien zeigen Diäten mit Abnehmshakes durchaus Erfolge: In Forschungsprojekten haben viele Teilnehmende mit einem BMI von 30 oder höher mit Formula-Diäten schnell Gewicht verloren. Die Methode war auch bei älteren Menschen erfolgreich, anders als manche andere Abnehmtechniken. Die Produkte haben außerdem Erfolge gegen Diabetes Typ 2 gezeigt: Bei etwa der Hälfte der Proband:innen der Studien ließen die Diabetes-Symptome gegenüber der Kontrollgruppe nach. Außerdem verloren die Teilnehmenden deutlich an Gewicht. Eine Metastudie hat gezeigt, dass Menschen mit Diabetes durch eine Formula-Diät genauso gut Gewicht verlieren konnten wie Menschen ohne Diabetes. Bei konventionellen Methoden fällt es Diabetiker:innen oft schwerer abzunehmen. Das kann an den Diabetes-Medikamenten, aber auch an psychischen Gründen liegen.

In einer anderen Metastudie haben Wissenschaftler:innen verschiedene Diätverfahren verglichen. Dabei haben Proband:innen konventionelle oder Formula-Diäten gemacht und wurden teilweise durch andere Maßnahmen wie Informationsmaterial und Beratungstermine unterstützt. In allen Gruppen haben Teilnehmende, die Formula-Diäten verwendeten, mehr oder genauso viel abgenommen wie die Teilnehmenden ohne Formula-Diäten. Die anderen Maßnahmen halfen zwar auch, aber Formula-Diäten haben den Effekt immer noch verbessert.

Grundsätzlich kann eine Formula-Diät also ein guter Startpunkt für eine gesündere Lebensweise sein. Für manche Menschen, die vorher sehr ungesund gelebt haben, kann die Methode sogar dazu führen, dass sie ausgewogenere Nährstoffe zu sich nehmen als bei ihrer normalen Ernährungsweise.

Es gibt Einschränkungen
Natürlich haben Diätshakes auch Nachteile: Die Produkte enthalten sehr wenige bis keine Ballaststoffe – das kann Verstopfungen verursachen. Und das eher eintönige und auch noch flüssige Geschmackserlebnis kann dazu führen, dass man Heißhunger auf „richtiges Essen“ bekommt und dann aus dem strengen Diätplan ausbricht. Auch Essstörungen können eine Folge sein. Sehr wichtig ist es, sich an die Gebrauchsanweisung zu halten: Die Diätshakes sind eine Minimalernährung, setzen den Körper also auf Sparflamme. Möchte man, dass es noch schneller geht und reduziert auf eigene Faust die Dosen, kann man sich ernsthaft schaden und in eine Mangelernährung geraten.

Auch ein Problem: Die vielen verschiedenen Do-it-yourself-Produkte in den Geschäften und die folgende Selbstmedikation. Als Laie ohne Hilfe kann man nicht ohne Weiteres entscheiden, welches Produkt für einen geeignet ist. Das kann dann für die weitere Behandlung mehr schaden als nutzen, so Ernährungsmediziner Matthias Riedl: „Wenn die Patienten zu uns in die Praxis kommen und sagen: Formula-Diäten habe ich schon versucht, dann muss man fragen: War das richtig dosiert, bist du richtig beraten worden? Natürlich nicht. Aber damit ist die Methode verbrannt, das ist das Problem.“

Helfen Diätshakes langfristig?
Es ist die große Frage bei allen Diäten: Was passiert, wenn man am Ziel ist? Hält man das Wunschgewicht oder ist mit den alten Gewohnheiten das alte Gewicht auch ruckzuck wieder zurück? Und ist die Situation bei Diätshakes eine besondere?
Studien sind positiv
Studien zeichnen ein durchaus positives Bild: Laut einer Meta-Studie haben es sowohl Diabetes-Patient:innen als auch Gesunde nach Diäten mit Shakes teilweise sehr gut geschafft, ihr Gewicht zu halten. Die Diabetes-Patient:innen konnten teilweise sogar ohne Medikamente leben, sofern sie vorher auf diese angewiesen waren.

Eine recht kleine Studie setzte die Hälfte von 306 Teilnehmenden, die an Diabetes Typ 2 litten, auf eine begleitete Diät mit Diätshakes. Ein Jahr später hatten 46 Prozent der Teilnehmenden, die Shakes getrunken hatten, keine Diabetes-Symptome mehr. Das korrelierte stark mit dem verlorenen Gewicht: Je mehr Gewicht die Proband:innen verloren und nicht wieder zugenommen hatten, desto höher war die Wahrscheinlichkeit für eine Remission des Diabetes, also für ein Nachlassen der Symptome. Die Forschenden unterstützten die Proband:innen nach der Umstellung von Shakes auf „richtige“ Nahrung durch ein strukturiertes Programm mit monatlichen Besuchen.

In der Praxis schwierig
Und diese Nachsorge ist essentiell: Denn die Übertragbarkeit ins „echte Leben“ bleibt ein großes Problem der Diätshake-Methode. Wenn man ein paar Wochen mit Flüssignahrung gelebt und deutlich abgenommen hat, ist die Versuchung groß, danach wieder in alte Gewohnheiten zu verfallen. Nachhaltig ist der Effekt nur, wenn man gelernt hat, dauerhaft anders mit „echten“ Lebensmitteln umzugehen. Die Falle dabei: Der Gedanke, dass nach einer Diät wieder eine Schlemmerphase kommen kann. Helfen kann zum Beispiel, sein Essverhalten zu analysieren und die Gründe dafür zu ergründen. Auch Kochkurse und Informationen über Lebensmittel können hilfreich sein. Es geht also vor allem darum, seinen Lebensstil anzupassen.

Für Mediziner Matthias Riedl ist die Umstellung der Gewohnheiten der essentielle Teil einer Gewichtsabnahme: „Die moderne Ernährungstherapie beinhaltet verschiedene Tools: den Einsatz eines Ernährungsmediziners, den Einsatz von Ernährungswissenschaftlern, eine Ernährungsanalyse und einen individuellen Umbau. Dieser individuelle Umbau ist der Kern, und das Beiwerk ist die Formula-Diät, nicht andersherum. Wenn ich das richtig mache, dann kann ich den Patienten eine Magenverkleinerung ersparen.“ Eine individuelle Ernährungsumstellung sei das nachhaltige Tool – und zwar in kleinen Schritten und nicht in sehr großen.

Matthias Riedl geht sogar noch weiter und sagt, dass eine Formula-Diät ohne entsprechende Begleitung und Beratung schädlich sei, und zwar für Körper und Geist: „Wenn ich Formula-Diäten ohne eine Ernährungsoptimierung einsetze, dann macht es keinen Sinn. Eine Diät ohne individuellen Umbau entspricht nicht der modernen Ernährungstherapie.“ Denn eine Diät werde nicht lebenslang durchgeführt, sondern abgesetzt. Wenn die Diät dann zu Ende ist, stellt sich in der Regel der alte Zustand wieder ein: der bekannte Jojo-Effekt. „Der Mensch ist dann frustriert und man beschädigt seine Selbstwirksamkeit. Und vielleicht hat er dann am Ende sogar ein höheres Gewicht als das Ausgangsgewicht. Es war also unter Umständen schlechter, überhaupt begonnen zu haben“, sagt Riedl.

Die Versorgung ist verbesserungsfähig
Ein Problem: Das Übergewicht in der Bevölkerung nimmt zu, aber Ernährungsmedizin ist in Deutschland noch nicht weit verbreitet und noch nicht überall Teil der Diabetologie. Daher wissen viele Menschen mit Gewichtsproblemen nicht, wohin sie sich wenden können. Matthias Riedl hierzu: „Wir haben 100 Schwerpunktpraxen Ernährungsmedizin in Deutschland. Wir haben also immer noch nicht genug Anlaufstellen.“ Interessierte finden eine Liste der Schwerpunktpraxen unter www.bdem.de.
Lösungen oder zusätzliche Angebote für die Zukunft könnten Apps sein, die das Essverhalten analysieren und Tipps geben können, wie man es ändern kann. Einige Apps werden bereits von den Krankenkassen anerkannt, und nach einem Rezept werden die Kosten übernommen.

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