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Die vierte Stufe des Glaubens:

Individuierend-reflektierender Glaube im späten Adoleszenz und frühen Erwachsenenalter
Die Theorie der Glaubensentwicklung nach James W. Fowler beschreibt verschiedene Stufen, die Menschen auf ihrem Weg zu einem reifen Glaubensverständnis durchlaufen. In der vierten Stufe, dem individuierend-reflektierenden Glauben, der typisch für das späte Adoleszenz und frühe Erwachsenenalter ist, findet eine kritische Auseinandersetzung mit den bisher übernommenen Glaubenssystemen statt.

Kritische Überprüfung und Verlassen des Elternhauses
Der reflektierende Blick von außen auf das bisher übernommene Glaubenssystem wird häufig durch wichtige Lebensereignisse wie das Verlassen des Elternhauses, das Aufnehmen eines Studiums oder einer Arbeitsstelle, aber auch durch persönliche Krisen oder Konflikte mit bisherigen Autoritäten eingeleitet. In dieser Phase beginnen junge Erwachsene, ihre bisherigen Überzeugungen und Werte kritisch zu hinterfragen und neu zu bewerten.

Übernahme eigener Verantwortung und Individuation
Mit der kritischen Überprüfung geht die Übernahme eigener Verantwortung für die nun selbst erarbeiteten Werte, Überzeugungen und Lebensentscheidungen einher. Die Individuation, also die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit, wird zum wesentlichen Merkmal dieses Reifeprozesses zum erwachsenen Menschen. Die Selbstidentität wird gestärkt, da die individuellen Werte und Überzeugungen bewusst reflektiert und ausgewählt werden.

Gefahr des “zweiten Narzissmus”
Die individuelle Reflektion birgt jedoch auch die Gefahr eines “zweiten Narzissmus”. Dies bedeutet eine Selbstbezogenheit, die die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen erschwert und zu inneren sowie äußeren Konflikten führen kann. Die Herausforderung besteht darin, eine ausgewogene Balance zwischen individueller Selbstbestimmung und sozialer Integration zu finden.

Bedeutung für die persönliche Entwicklung
Die vierte Stufe des Glaubens markiert einen wichtigen Schritt in der persönlichen Entwicklung eines jungen Erwachsenen. Die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Glaubensvorstellungen und die Übernahme eigener Verantwortung ermöglichen eine zunehmende Selbstbestimmung und Reife. Dabei ist es wichtig, eine gesunde Balance zwischen individueller Autonomie und sozialer Verbundenheit zu finden.

Fazit: Die Suche nach Selbstbestimmung und Integration
Der individuierend-reflektierende Glaube im späten Adoleszenz und frühen Erwachsenenalter ist geprägt von der kritischen Auseinandersetzung mit den bisherigen Glaubenssystemen und der Übernahme eigener Verantwortung. Dieser Prozess der Individuation stärkt die Selbstidentität, birgt aber auch die Herausforderung, eine ausgewogene Balance zwischen individueller Selbstbestimmung und sozialer Integration zu finden.

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